Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Zeugen sein

Zurück zur Übersicht von: Hochzeit

25. Juni 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Weinstock und Taufe

  • "Die Rebe kann Frucht bringen nur wenn sie am Weinstock bleibt." Für uns Hamburger ist das Bild, das Jesus im Evangelium gebraucht, unmittelbar einleuchtend. Denn seit sechs Jahren haben wir unseren Weinberg am Sintfang, gleich über den Landungsbrücken. Der Saft dieser köstlichen Trauben wird zum Wein, den der Erste Bürgermeister der Stadt besonderen Gästen kredenzt - ob besonders beliebten oder unbeliebten Gästen ist nicht bekannt.
    Leider kennen wir auch das andere: Der innerstädtische Weinstock wird manches Mal von Vandalismus heimgesucht. Dann haben wir die Anschauung von Rebzweigen, die verdorren, weil sie vom Weinstock getrennt sind. Wir Hamburger - zumindest die Braut ist hier gebürtig! - verstehen daher das Evangelium vom Weinstock unmittelbar und haben damit den angereisten Rheinländern einiges voraus.
  • Die Bildrede Jesu vom Weinstock schien den Brautleuten ein gutes Evangelium zum heutigen Fest. Sie sind dabei, sich einander das Sakrament der Ehe zu spenden. Im Sakrament der Taufe sind beide bereits miteinander verbunden - Gott hat sie aufgenommen in sein heiliges Volk.
  • Heute knüpfen sie daran an und lassen sich von Gott verbinden. Die Ehe von Urte und Philipp soll von Gott gesegnet sein, und sie wollen einen Bund schließen, vertrauend auf den Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat.
    Das eine baut auf dem anderen auf, wie die Rebe auf dem Weinstock aufbaut. Der Weinstock bringt Frucht in den Reben, der Bund der Taufe bringt Frucht in der gelebten Liebe. Ohne den Weinstock kann die Rebe keine Frucht bringen. Ohne eingewurzelt zu sein in Gottes Gegenwart, ohne das lebendige Gebet in der Gemeinschaft der Kirche bliebe es beim standesamtlichen Vertragsabschluss und würde es nicht zum Bund der Ehe.

2. Lübecker Märtyrer

  • Heute ist ein besonderer Tag. Es ist nicht die Fußball-WM; die beginnt erst morgen. Aber auch diese Hochzeit ist zwar für uns hier von Bedeutung, aber sie trifft für die Christen im Norden zusammen mit einem anderen Ereignis: Dem Gedenken und der Seligsprechung der vier "Lübecker Märtyrer", die heute von vielen Tausenden gefeiert wird.
    Der Gottesdienst findet in Lübeck statt, aber es gibt mehr als einen Bezug zu uns nach Hamburg. Vor allem ist hier der Ort, an dem die Nationalsozialisten 1943 die vier Geistlichen hingerichtet haben, nicht weit von hier am Holstenglacis. Die vier hatten in Lübeck offen gegen den Krieg und das geprochen, was das Unrechtsregime die Vernichtung unwerten Lebens nannte. Damit waren sie für viele in Lübeck eine Stütze gegen die Vergiftung durch die Naziideologie. Sie selber haben dafür ihr Leben gegeben.
  • Ohne Menschen wie die Lübecker Märtyrer gäbe es wahrscheinlich die heutige Hochzeit nicht. Denn vor der Nazizeit war es undenkbar, dass Lutheraner und Katholiken, wie wir heute ganz selbstverständlich, zusammen einen Gottesdienst feiern. Es war die gemeinsame Erfahrung in der Verfolgung, es war die Gebetsgemeinschaft in den KZs, es waren die Gottesdienste, die in den wenigen vom Krieg verschonten Kirchen gefeiert wurden, durch die in Deutschland die Gemeinschaft der Konfessionen geworden und gewachsen ist. In der dunkelsten Zeit hat Gott ein Licht der Hoffnung angesteckt. Der lutherische Pastor und die drei katholischen Kapläne hatten sich in Lübeck kennen gelernt. Trotz der ursprünglichen Ablehnung der "papistischen" Katholiken ist unter ihnen eine Gemeinschaft gewachsen, die sich als tragfähiger erwies als alle Versuche der Diktatur, die Menschen zu vereinzeln.
  • Wer die Briefe und Texte liest, die von den Vieren im Gefängnis geschrieben wurden, versteht, warum dies alles zu einem freudigen Fest wie die heutige Hochzeit passt. Die Nazis hatten diese Briefe nicht weitergeleitet; erst 2004 wurden sie in einem Archiv gefunden. Kaplan Hermann Müller z.B. schrieb am Nachmittag vor der Hinrichtung: "Heute kommt die größte Stunde meines Lebens! Alles, was ich bis jetzt getan, erstrebt und gewirkt habe, es war letztlich doch alles hinbezogen auf jenes eine Ziel, dessen Band heute durchrissen wird. Jetzt wird für mich der Glaube übergehen in Schauen, die Hoffnung in Besitz und für immer werde ich Anteil haben an Dem, Der die Liebe ist! Da sollte ich nicht voller Spannung sein? Wie mag alles sein? Das, worüber ich bisher predigen durfte, darf ich dann schauen."
    Mitgefangene berichten, dass die Verurteilten alles andere als niedergeschlagen waren. In der Stunde der Bewährung zeigte sich, was sie als Christen, verbunden durch die eine Taufe, in der Tiefe des Herzens getragen hat. Sie konnten Freude ausstrahlen, weil sie gespürt haben: Wenn uns alles genommen ist, dann erfahren wir, wie viel wir in dem Einen haben. Wie Reben am Weinstock sind wir an ihm.
    Hier wird deutlich, was mit der Liebe "in guten und in schlechten Tagen" gemeint ist: Nicht die Durststrecke der schlechten Tage, sondern dass Ihr gerade dann, wenn es schwer wird, erfahren dürft, was Euch gemeinsam trägt. Wir wünschen Euch die guten Tage von ganzem Herzen. Mehr noch aber wünschen wir Euch, dass Euch mehr verbindet als ein Schönwetterverbund, und Euch mehr trägt als der benefit sporadischer Vorteile.

3. Martyrium der Ehe

  • Eure Ehe soll ein Martyrium sein - dies allerdings im echten Wortsinn verstanden. Denn das griechische Wort Martyrium bedeutet "Zeugnis". "Wir haben gesehen und bezeugen", hieß es in der ersten Lesung, die Ihr ausgesucht habt. Eignes Sehen und Erleben macht es möglich, für alle zu Zeugen zu werden. Wenn Ihr daher in Eurer Ehe seht und erlebt, wie sehr die Liebe Gottes Eure Liebe trägt, dann werdet Ihr zu Märtyrern: Zeugen dafür, dass Gott nicht ein theoretisches Konstrukt, nicht eine saisonale Feierlaune und nicht nur ein Notnagel ist, sondern wir alle "durch ihn leben" können.
  • Deswegen geht es im Sakrament der Ehe um viel mehr als um einen netten Rahmen zur Umrahmung der Verliebtheit. Wir dürfen feiern, dass hier eine Mitte entsteht. Die gemeinsame Tochter haben Urte und Karl-Philipp letztes Jahr hier zur Taufe geführt. Damit haben sie schon deutlich gemacht, dass sie wissen: Unsere Liebe und die Frucht unserer Liebe ist ein Geschenk. Die beiden haben in Hamburg eine eignes Heim erworben. Auch dies nicht nur für sich: Auch dies ein Geschenk, an dem sie in Gastfreundschaft andere teilhaben lassen können. Heute feiern wir Gottes Gegenwart als Mitte dieses gemeinsamen Lebensweges.
  • Urte und Karl-Philipp sprechen mit all dem einen Satz nach, der in der Lesung zu finden ist: "Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen." Wir wünschen Euch und beten für Euch, dass dies Euch trägt und dass die Menschen, mit denen Ihr zusammen kommt spüren: Hier gibt eine Familie Zeugnis für das Vertrauen in eine größere Liebe, die sie und uns trägt. Amen.