Predigt zu Ostern am Tage 2007
Zurück zur Übersicht von: Ostern - am Tage
8. April 2007 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius
1. Verstellung
- Wenn ich eine Perücke trüge, würde mich keiner mehr erkennen.
Vielleicht müsste ich auch anders tun, um mich unkenntlich zu
machen.
Manche ziehen sich anders an, manche wechseln die Frisur. Aber das
alles sind
nur die oberflächlichen und harmloseren Varianten, sich zu
verkleiden.
Was aber ist passiert, wenn mir einer sagt: 'Ich erkenne dich gar
nicht mehr
wieder' - und das von jemand kommt, der mich eigentlich gut kennt?
- Wie viel von mir kann und wie viel will ich zeigen? Es ist das
eine Ideal,
das ich 'ganz authentisch' bin und mich ganz so gebe, wie ich bin.
Aber das
ist eine Konstruktion. Denn weiß ich selbst, wer ich bin? Und kann
ich
die Angst überwinden, die Zuneigung und Anerkennung anderer zu
verlieren,
wenn sie mich sehen, wie ich bin?
- In dieser inneren Zerrissenheit findet das Spiel statt. Zwischen
dem Wunsch
nach Authentizität und der Suche nach Geborgenheit, zwischen der
Frage,
wer ich selbst bin, und dem Bild, das andere von mir haben und an
mich zurückspiegeln
- in diesem Dazwischen liegt mein Leben.
2. Verkleidung
- Warum aber gibt sich Gott nicht zu erkennen? Ist es nicht etwas
einfach,
den beiden Emmausjüngern vorzuwerfen, sie seinen "mit Blindheit
geschlagen,
so dass sie ihn nicht erkannten". Er hätte sich ja auch
ordentlich
vorstellen können, wenn er schon so verändert ist, dass ihn die
zwei nicht erkennen, die seine Jünger, seine Schüler und Freunde
waren. Verkleidet sich Gott, um nicht erkannt zu werden?
- Die ganze Bibel ist doch Zeugnis davon, dass sich Gott zu erkennen
gibt.
Wir glauben, dass Gott sich in Jesus Christus so zeigt, wie er ist
(Joh 12,45:
"und wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat"). Wir
glauben
also, dass Gott sich nicht verstellt. Warum aber erkennen die
Emmausjünger
Jesus dann nicht sofort?
- Die Osterberichte halten Erfahrungen aus einer Zeit des Übergangs
fest.
In der Zeit nach Ostern - Lukas fasst es in die Zeit bis Himmelfahrt
- erfahren
die Jünger den Jesus, den sie kannten - und erfahren zugleich, dass
er
in einer neuen, ganz anderen Weise da ist. Die anderen Evangelisten
deuten
das an, wenn sie sagen, dass der Auferstandene bei verschlossenen
Türen
zu ihnen kam. Es ist eine Zeit des Übergangs Jesu zum Vater, in der
die
junge Kirche verstehen lernt, den Auferstandenen zu erkennen.
3. Begegnung
- Die Erzählung von den Emmausjüngern fasst diese Urerfahrung
zusammen.
Der Kern der Geschichte wird sein, dass einzelne Jünger sich nach
dem
Paschafest aus Jerusalem abgesetzt hatten und unterwegs - wo Emmaus
genau
liegt wissen wir nicht mehr - eine solche Erfahrung der Begegnung
mit Jesus
hatten. Darauf sind sie umgekehrt und haben in Jerusalem die anderen
getroffen,
die Ähnliches erfahren haben. Um diesen Kern herum wird nun erzählt,
wie Christen der ersten Zeit dem auferstandenen Jesus begegnet sind
und wie
sie ihn erkannten.
- Die Erzählung von den beiden Emmausjüngern fügt die Elemente
an einander. Es ist wichtig, dass die Jünger nicht schon gläubig
waren, sondern erst im Rückblick verstanden, was da geschehen ist:
- Sie sind dem Auferstandenen begegnet auf dem Weg. Das ist
durchgehende
Glaubenserfahrung. Christen sind Pilger. Der Auferstandene
schließt
sich an. Er geht mit.
- Der Auferstandene fragt und hört zu. Gott tritt nicht als
Befehlender
auf. So wie Jesus früher schon seine Jünger gefragt hat "Was
wollt ihr?" (Joh 1,38) so fragt der Auferstandene auch die
Jünger
unterwegs.
- Der Auferstandene erschließt uns den Sinn der Heiligen
Schrift.
Das ist eine ganz wichtige Erfahrung. Viele charismatische
Ostererfahrung
gibt es, die auch viele Schriftzitate verwendet, uns aber nicht
den Sinn
dessen erschließt, was wir in der Bibel finden.
- Der Auferstandene spricht von den Leiden des Messias ("musste
nicht
der Messias all das erleiden"). Die Wundmale des
Gekreuzigten werden
zum Erkennungsmerkmal des Auferstandenen. Die Auferstehung
wischt das
nicht weg.
- Der Auferstandene drängt sich nicht auf. "Jesus tat, als
wolle
er weitergehen", schreibt das Evangelium. Natürlich will er
bei uns bleiben. Aber er drängt sich nicht auf. Er wartet auf
unsere
Einladung.
- Und schließlich die Erfahrung, bei der die Emmausjünger
Jesus erkennen: Als er ihnen das Brot bricht, wie er es im
Abendmahlssaal
getan hat und wie es bis heute in jeder Feier der Eucharistie ("sprach
den Lobpreis, brach das Brot), der Hl. Messe geschieht. "Da
gingen
ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn".
- Dieses Erkennen bewirkt den Aufbruch. Die beiden bleiben nicht in
Emmaus
und verharren in Andacht. Der Auferstandene hält nicht fest und
lässt
sich nicht festhalten (vgl. Joh 20,17). Vielleicht hätten wir
das gerne. Damit sind wir aber wieder bei der Ausgangsfrage, wer
wird selbst
eigentlich sind. Das Evangelium lädt uns ein, österliche Mensch
zu sein, die in der Verbindung zu Gott leben, der uns unseren weg
suchen und
gehen lässt, ohne uns festzulegen. Der unsere Wunden annimmt und
aufnimmt.
Der in uns leben will, als Speise für uns, Brot gebrochen, zum
Lobpreis
Gottes. Wenn uns dann jemand sagt, er erkennt uns nicht wieder, weil
wir so
viel freier geworden sind, soll uns das recht sein. Amen.