Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Palmsonntag im Lesejahr A 1999

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28. März 1999 - St. Bonifatius und St. Lioba Frankfurt/Main-Bonames

1. Scheitern

  • Wie kann das sein und passieren? Dieses Leid in einer Welt die so gut sein könnte!
    Die Bilder vom Kreuz, vom Krieg von Vertreibung. Diese Ignoranz, der Hass!
    Wie konnten Sie Jesus nur umbringen, der eine so frohe Botschaft brachte?

2. Korruption

  • Jesus selbst hat uns einen Hinweis gegeben: Ihr wisst (sic!), dass die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Wir wissen, dass Macht korrumpiert, weil sie immer begleitet ist von der Angst, sie zu verlieren. Herodes, Pilatus, der Hohe Rat - wir können das aus unseren eigenen kleinen Machtgelüsten gut rekonstruieren. Die Angst vor dem Verlust der Macht und der Genuss, den der Besitz von Macht bedeutet, ist Ursache für Gewalt und Mord. Macht korrumpiert.
  • Aber das Volk! Ist nicht das Volk gut? Ist nicht Demokratie der Garant für Frieden und Gerechtigkeit? Reicht es nicht, wenn wir ein gesittetes Volk von Gleichen sind, um aller Gewalt ein Ende zu setzen? Warum wendet sich das Volk gegen Jesus?
    Macht korrumpiert. Ohnmacht korrumpiert auch. All die Ideale, Hoffnungen, Utopien, die das Volk hatte - sind zerstoben. Die Welt ist zu kompliziert für klare Lösungen und wird immer komplizierter. Nicht Macht erleben wir, sondern Ohnmacht.
    Die Terroristen der siebziger und achtziger Jahre haben Bomben gezündet, aus Wut über ihre Ohnmacht. Aus Utopie wurde Terror.
    Heute erleben wir eher den utopielosen Terror. Aus reiner zynischer Verzweiflung über die Ohnmacht in einer zu kompliziert gewordenen Welt zünden wir die Bomben unserer klaren Lösungen vom Stammtisch aus. Macht korrumpiert. Ohnmacht korrumpiert auch.

3. Die Perspektive der Hoffnung

  • Den anderen Weg ist Gott als Mensch gegangen. Der Versucher in der Wüste hatte versucht, ihn auf den Weg der Macht zu ziehen, ohne Erfolg. Aber dennoch ist Christus nicht in der Menschenverachtung der zynischen Ohnmacht versunken.
  • Er hat keinen Hehl aus dem gemacht, was zu sagen war. Offen und öffentlich hat er gesprochen und gehandelt. Aber jetzt überwindet er die Ausweglosigkeit zwischen Macht und Ohnmacht mit der tragenden Liebe. Christus leidet. Aber er trägt aus Liebe: Gott selbst will in diesem einen Menschen die Gottverlassenheit der Welt tragen.
  • Ostern - aus der Perspektive des Karfreitags eine Hoffnung - ist das Siegel des Göttlichen auf dem Weg des Kreuzes. Nur im Wissen um Gottes Mitgehen auf dem Weg, im Wissen um das Kreuz, das Christus getragen hat, können wir uns in die Ohnmacht begeben, ohne in ihr unterzugehen - und können so die kleinen Schritte gehen, die auf das Reich verweisen, das uns verheißen ist.