Predigt zu Pfingsten 2001
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3. Juni 2001 - Katholische Hochschulgemeinde Göttingen, Universitätskirche St. Nikolai
1. Der unbekannte Dritte
- Die Nummer drei ist nicht so populär. Weihnachten ist für die
meisten das beliebteste Fest der Kirche. Ostern haben viele
Christen für sich entdeckt. Pfingsten fällt dagegen deutlich ab. Das
Fest ist nicht nur weniger anschaulich als Weihnachten
und Ostern. Es fällt geradezu schwer zu sagen, was wir da feiern.
- Wenn Christen sich Rechenschaft über ihren Glauben und ihre
Spiritualität ablegen, dann höre ich oft, dass es die meisten
Schwierigkeiten darin gibt, mit Gott dem Heiligen Geist etwas
anzufangen. Dass Gott, der Schöpfer der Welt, in Jesus
Christus sich offenbart, das ist schon Glaubensgeheimnis genug.
- Das Glaubensbekenntnis bringt aber ganz ausdrücklich zur Sprache,
dass Gott als Heiliger Geist verwoben ist mit dem
Vater und dem Sohn. Der Geist geht aus Gott, dem Vater, hervor und wird
mit Gott, dem Vater und dem Sohn angebetet
und verherrlicht. Wir können christlich nicht von Gott reden, ohne diese
dreifaltige Vielfalt Gottes zu meinen. In jedem
Kreuzzeichen drückt sich dies aus. Das macht die Schwierigkeit aber eher
größer als leichter. Unfassbar Geist ist der
Heilige Geist.
2. Wie Sand zwischen den Fingern
- Es gibt die Erfahrung, in eine schwere Krise zu fallen, ohne dass
man wirklich sagen kann, woran es gelegen hat.
Zumindest gibt es keinen konkreten Grund, vielleicht nicht einmal einen
Anlass, keine benennbare Katastrophe. Am
ehesten noch kann man diese Erfahrung beschreiben mit dem Bild vom Sand,
der zwischen den Fingern durchrinnt.
Irgendwann ist nichts mehr da.
- Wenn einem das eigene Leben so zwischen den Fingern durchrinnt,
kann das an zu viel Arbeit liegen. Burn Out ist die
Verschleißkrankheit der Aktiven. Es muss dabei gar nicht einmal
übermäßige Arbeit sein. Die Betreffenden stellen
vielmehr fest, dass sie keinen Grund unter den Füßen mehr haben. Genauer
noch: Sie stellen fest, dass sie den Grund
unter den Füßen schon lange verloren haben. Auch das Umgekehrte, die
ständige Erfahrung mangelnder Anerkennung
oder Arbeitslosigkeit kann schleichend dazu führen, dass Menschen mit
einem Mal in der Luft hängen.
- Deswegen ist ein Beinbruch eine so viel erträglichere Krankheit,
weil Ursache und Wirkung offenbar scheinen (auch
wenn sie es nicht sind). Gestern noch war ich gesund. Dann kam der
Unfall, jetzt bin ich krank. Ganz anders die
Krankheit der Seele, die aufwacht und sich im Nichts findet und
erschreckt zurückschaut und feststellt, dass da schon
lange nichts mehr war. Menschen geht der Atem aus und sie stellen fest,
dass sie schon lange keine Luftzufuhr mehr
gehabt haben.
3. Der Herr ist und lebendig macht
- Diese Erfahrung kann einen Zugang zum Heiligen Geist eröffnen. Wir
werden nie verstehen, was Pfingsten und was der
Heilige Geist ist, wenn wir nach etwas suchen, das dazukommt, als Zugabe
zur Schöpfung oder Erlösung. Der Heilige
Geist ist nicht etwas, was zu Gott hinzukäme, sondern ist eine der drei
Weisen, in denen der eine Gott ungeteilt offenbar
wird.
- Genau so ist Pfingsten nicht etwas, das bisher nicht da gewesen
wäre und nun neu zur Welt hinzu käme. Im Gegenteil.
Der Geist Gottes ist der Schöpfung wesentlich. Die Bibel spricht davon,
dass Gott das Leben schafft, indem er dem
Menschen (und allem Lebendigen) von seinem Atem gibt. Der Atem, den Gott
dem Menschen einhaucht, macht uns zu
Lebenden, gibt dem Menschen die Seele. In dem Maße aber, in dem wir die
Beziehung zu Gott verloren haben, in dem
Maße geht uns Geist und Leben ab.
- Das ist der Grund, warum bei den meisten Menschen der heilige
Geist keine eigene Rolle spielt: Er wird so
selbstverständlich genommen, wie die Tatsache, dass wir am Leben sind.
Erst, wenn uns die Luft zu atmen spürbar
ausgeht, merken wir, wie wichtig sie ist.
Das Glaubensbekenntnis spricht davon, dass der Heilige Geist "Herr
ist und lebendig macht". Das Pfingstfest macht
deutlich, dass durch Kreuz und Auferstehung Jesu dieser Geist erneuert
wird. Die Taufe soll uns Wiedergeburt sein in
einem neuen Geist. Dem Geist, der leben lässt. Amen.