Predigt zu Pfingsten 2003 (1. Korintherbrief)
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8. Juni 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt/Main
Predigt mit Motiven aus "Matrix" und "Matrix - Reloaded" (2003) von Andy und Larry Wachowski |
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1. Geist und Kirche
- Mit Sturmbrausen und in Feuerzungen erfasst der Heilige Geist die
junge Kirche. In seiner Apostelgeschichte ist dies das Bild, das Lukas
verwendet, um zu
beschreiben, wie die Auferstehung Jesu den Kreis der Apostel und die
Jünger verwandelte, zur Kirche, die aus Israel hinausgeht zu allen
Völkern.
Der Kreis der Apostel mit Maria sind die ersten, die diese Erfahrung
machen. Durch ihre Verkündigung und durch Handauflegung haben die
Apostel
Menschen die Erfahrung weitergegeben, dass der Heilige Geist die Enge
der eigenen Sprache und die Enge des eigenen Ichs aufsprengt und die
Auferstehung
Realität werden kann in der Auferstehung aus dem bisherigen Leben.
- Der Heilige Geist ist, daran lässt die Apostelgeschichte, aber
auch das Johannesevangelium keinen Zweifel, konstitutiv für die Kirche.
Die Kirche entsteht
dort, wo das Evangelium in der Tradition der Apostel verkündet, der
Glaube in der Taufe angenommen wird - und der Heilige Geist wirkt.
Dass das in gleicher Weise für die zwanzig Jahrhunderte seitdem gilt
ist, um es vorsichtig zu sagen, ein gemeinhin nicht gerade spontaner
Gedanke. Die
Ordnung der Zwölf, die Struktur der verfassten Kirche wird deutlicher
wahr genommen als das Brausen des Geistes.
- Dennoch, lässt man diese Geschichte Revue passieren, fällt
deutlich auf, dass kaum eine wirkliche Erneuerung vom Amt ausging, von
Bischöfen oder gar dem
Papst, sondern von Menschen und Gruppen, durch die der Heilige Geist das
Gefüge durcheinander brachte. Von da her ist die verbreitete Erwartung
an "die
da oben", sie möchten jetzt die Erneuerung bringen, mehr
obrigkeitshörig, denn von der geschichtlichen Erfahrung her nahe
liegend.
2. Strukturelle Anomalie
- Die Sache lässt sich aber auch anders sehen und beschreiben.
Wie andere Systeme auch, so leistet sich die Kirche die strukturelle
Anomalie des Heiligen Geistes, ja, braucht sie den störenden Fremdkörper
der
geistbewegten Idealisten, um das System zu perfektionieren und zu
stabilisieren. Die Idealisten meinen, aus ihrer Gottes- und
Geisterfahrung die Sicherheit
gewonnen zu haben, es bräuchte nur noch diesen einen letzten Kampf, und
dann wäre das System der Fremdbestimmung mit seinen starren Strukturen
überwunden. Sie glauben, ihre eigene Begeisterung liefere ihnen den
Schlüssel zu jener Tür, hinter der der Architekt des Systems sitzt, der
allein die
Möglichkeit habe, alles zu verändern. Wie naiv! Sind nicht viele
Auserwählte schon vor ihnen durch die Tür gegangen, und haben dann nicht
den Weg heraus
gefunden?
- Wie im Großen, so im Kleinen. Eingebunden in unzählige
Notwendigkeiten, gefangen im Netz einer Matrix, die uns
Entscheidungsfreiheit mehr vorgaukelt
denn gewährt, täuschen wir uns mit kleinen Fluchten über die Realität
hinweg. Statt dessen beruhigen wir nur den anarchischen Teil in uns
durch
heiliggeistliche Windstöße und durch Strohfeuer.
Aus der Sicherheit und Gebundenheit wollen die allermeisten - Hand aufs
Herz - nicht wirklich heraus. Wenn sie sich vom Heiligen Geist bewegen
lassen,
dann zu wenig mehr als zu einem charismatischen Seitensprung, der dann
im Trippelschritt zurück führt zu den Fleischtöpfen der unhinterfragten
Gewissheiten.
- Damit der Geist Gottes zu wirklicher Umkehr und Erneuerung führen
kann, bedurfte es vor allem Auferstehungs-Halleluja zuerst des Kreuzes.
Kein liebestoll-trotziger Kuss, kein mutiger Griff ans Herz bewahrte den
Herrn vor dem Tod am Kreuz. Er hat stellvertretend für uns den Tod
gekostet und ist
in die Dunkelheit des Grabes gestiegen - bis in die Unabänderlichkeit
des dritten Tages.
3. Geist und Kreuz
- Deswegen wird keine geistbewegte Fingerübung je das
Pfingstereignis einholen, sondern nur jene Ergriffenheit, die das Kreuz
ernst nimmt. Der Auserwählte
ist kein Supermann, der die Schwerkraft überwunden hat, sondern der
Schmerzensmann, der die Angst vor dem Scheitern überwunden hat. Er geht
mitten
hinein in das Scheitern. Die Welt zerfällt ihm am Kreuz. So schafft er
den Raum, in dem Gott so ganz handeln kann, in dem Gott eine neue
Schöpfung
beginnen kann, die offen ist für den Heiligen Geist.
- Dieses Neue ist erkennbar an seinen Wirkungen. Der erste Brief des
Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth beschreibt die Wirkung so "Keiner,
der aus
dem Geist Gottes redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann
sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet."
Der Heilige Geist
ist es, der es möglich macht, das Kreuz zu durchschauen - und damit die
Machenschaften derer, die kreuzigen. Diese haben ihn gekreuzigt, um ihn
als
verflucht dort hängen zu lassen. Im Heiligen Geist kann die Kirche in
der Ohnmacht des Kreuzes den Herrn erkennen.
- Ja, es stimmt, die alte Kirche braucht die Störungen des Heiligen
Geistes, um sich neu zu stabilisieren. Der Geist aber schafft sich mit
eben dieser Kirche den
Ausgangpunkt, um in der Welt mit ihren Bedingtheiten, das alte System
immer wieder zu überwinden. Er bedient sich dafür regelmäßig und immer
wieder der
schwache Kirche, die Kirche von unten, die scheinbar machtlosen. In
ihnen wird deutlich, dass die Kirche in ihren Strukturen nicht das Ziel
ist, sondern nur ein
Weg durch eine Welt, die Gott überwunden hat am Kreuz - und die zu
überwinden er uns heute einlädt: an Pfingsten. Amen.