Predigt zum Jahresschluss (Gedenktag des Hl. Silvester)
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31. Dezember 2023 - St. Peter, Sinzig
1. Aufmerksamkeit
- Jahreswechsel ist Zeit für Blick zurück und voraus. Manche Christen meinen, man müsste weit zurückschauen, um Gottes Spuren zu entdecken. Damals, als alles noch anders war. Tatsächlich aber ist der einfache Blick zurück viel wichtiger: die letzten Stunden. Oder heute ausnahmsweise: das letzte Jahr.
- Ignatius von Loyola nennt diesen Blick zurück "Examen". Es ist für ihn das bei weitem wichtigste Gebet überhaupt. Und wenn ich sonst den ganzen Tag zu nichts komme: dieses Gebet soll nicht fehlen. Im Deutschen allerdings weckt das Wort "Examen" unangenehme Assoziationen an Prüfungen in der Schule. Dabei geht es weder um Leistungsabfragen noch um Gewissenserforschung, wozu manche in ihrem Leben stets streng ermahnt wurden" Man solle täglich sein Gewissen erforschen, verborgene Sünden aufdecken und sie bereuen!
- Beim Examen des Heiligen Ignatius aber geht es erst einmal einfach um das Hinschauen. Ignatius hat gelernt, dass es eine Übung der Aufmerksamkeit braucht, Gottes Spuren im eigenen Leben zu entdecken. Er selbst hat die Erfahrung gemacht, dass Gott in allen Dingen gesucht und gefunden werden kann, jeden Tag. Allerdings gelingt dies nicht durch streng nach Fehlern suchende Inquisition, sondern durch ein Gebet der liebenden Aufmerksamkeit. Denn diese Aufmerksamkeit führt zur Dankbarkeit, der Haltung, aus der Vertrauen der Glaube wachsen kann.
2. Dankbarkeit
- Manchen fällt Dankbarkeit leichter, anderen schwerer. Das macht die einen nicht zu besseren, die anderen nicht zu schlechteren Menschen oder Christen. Vielmehr ist dies schlicht verschieden; Psychologen mögen ergründen warum. Doch ich bin überzeugt, dass jede und jeder in der Dankbarkeit wachsen kann, immer von dem Niveau aus, das man eben bis heute hat.
- Ein Zuwachs an Dankbarkeit ist eine Gnade. Doch wir können etwas dafür tun – ohne gleich etwas zu 'machen'. Das ist die Aufmerksamkeit. Weder Gott noch andere Menschen können mir letztlich etwas schenken, wenn ich nicht aufmerksam darauf bin. Wenn ich einfach nur nehme, was ich bekomme, weil ich meine, es würde mir ohnehin alles zustehen: dann verkümmert die Dankbarkeit, statt zu wachsen. Manche Menschen haben es immer und immer wieder in ihrer Familie und von ihren Eltern gelernt, dass ihnen alles zusteht. Sie nehmen alles für selbstverständlich. Manche haben diese Grundhaltung aus negativen Erfahrungen – zu oft wurde ihr Vertrauen missbraucht. Daher stellen sie sich in den Mittelpunkt. Für beide ist es ein Übung, am Abend den Tag anzuschauen und Stunde für Stunde, Begegnung für Begegnung zu entdecken, wie viel ihnen Gutes getan wurde. Und seien es an diesem Tag nur rare Momente: Sie zu entdecken und für sie aufmerksam zu sein ist ein 'Examen', ein Hinschauen, die mich zur Dankbarkeit führen können.
- Wir werden auch vieles finden, für das wir nicht dankbar sein wollen. Verletzungen die uns zugefügt wurden gehören dazu; Situationen, in denen wir andere verletzt haben auch. Da müssen wir nicht 'erlöste Christen' spielen und es weglächeln. Aber es lohnt sich, diesen Erfahrungen nicht den ersten Platz in meinem Beten zuzubilligen. Wenn das Erste die Dankbarkeit ist, dann kann ich auch das Schwere leichter annehmen und Wege suchen, zu ertragen, was ich ertragen muss, und zu ändern, was ich ändern kann.
3. Glauben
- Für mich bedeutet zu glauben, darauf zu vertrauen, dass Gott in unserem Leben einen Unterschied macht. Dafür hat er sich ein Volk berufen, dafür ist er in der Mitte seines Volkes Mensch geworden. Dafür hat er gelebt, gelehrt, geheilt und hat auch die Gewalt der Menschen und den Tod ausgehalten. Dieser Jesus ist der Christus, der zu allen Zeiten Gottes Gegenwart für uns ist – nicht abstrakt, sondern im Leben und Lehren, im Heilen und Ertragen.
- Nehmen wir uns daher jetzt 10 Minuten, in denen uns die Orgel begleitet, jede und jeder für sich. Üben wir uns in der Aufmerksamkeit für Begegnungen heute, in den letzten Tagen oder vielleicht auch im letzten Jahr. Schließen Sie dabei die Augen oder schauen Sie auf das Kreuz und schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit den Begegnungen, die in Ihnen präsent sind.
- Und sprechen Sie jeweils zu Christus ein Wort als Gebet der Dankbarkeit.