Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2011 (Lesejahr A - Apostelgeschichte)

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9.01.2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. In der Gewalt des Teufels

  • Jesus "zog umher, tat Gutes und heilte alle, die in der Gewalt des Teufels waren". So fasst Petrus das Evangelium zusammen, bevor er den römischen Hauptmann Kornelius tauft. Der Satz mag manchem im Ohr aufgeklungen sein am Ende der Zweiten Lesung. Hier wird in einer Predigt, die auf die Taufe vorbereitet, zusammengefasst, was über Jesus zu sagen ist: Als er auf Erden umherzog tat er Gutes und heilte, "die in der Gewalt des Teufels waren".
  • Der Satz ist verstörend zentral. Denn in der Taufe soll doch Gott das an uns tun, was in Jesus geschehen ist. Aber wer, der nicht ausgekochter Horror-Fan ist, würde angesichts der Taufe der Meinung sein, Menschen seien "in der Gewalt des Teufels"? Wir würden den Satz am liebsten weglassen, aber dann bleibt nur noch ein nichtssagendes "Gutes tun", und die Taufpredigt des Petrus ist sicher alles, nur nicht nichtssagend.
  • Also versuchen wir, ob das uns nicht doch etwas zu sagen hat. Wir werden nämlich schnell finden, dass "der Teufel" in der Bibel nichts mit unseren Bildern vom schwefelstinkendem, gehörnten Unhold hat. Gleich im Anschluss an die Taufe Jesu im Jordan tritt der Teufel auf, aber nicht dramatisch, sondern listig: Der Teufel ist dort der Geist, der versucht Jesus einzuwickeln. Der Teufel schmeichelt (du bist der Sohn Gottes), der Teufel wirkt fromm (steht nicht in der Schrift geschrieben...). Der Teufel ist kein Wesen, sondern ein Un-wesen. Es ist die rätselhafte Kraft, die uns locken und verführen will, uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei ist der Teufel nicht einfach ein Teil von uns selbst. Vielmehr 'liegt er in der Luft' wie ein populärer Gedanke und eine verführerische Ideologie, der sich zu entziehen viel Kraft kostet oder gar unmöglich scheint. Der Teufel ist also nicht wirklich real, aber leider ist er eine vielfach erfahrbare Realität.

2. Erlösung

  • Heilung geschieht hier durch Erlösung. Dabei ist das deutsche Wort "Erlösung" ganz richtig: Hier werden Fesseln gelöst. Erlösung bedeutet Befreiung. Sklaven werden erlöst, indem sie freigekauft werden, Gefangene werden erlöst, indem sie freigelassen werden. So drastisch diese Beispiele sind, so sehr treffen sie genau das, worum es geht.
  • Zum Glück gibt es heute in den meisten Ländern der Erde nicht mehr die Sklaverei, wie sie in vorchristlichen Kulturen gang und gäbe war. Dafür gibt es aber auch andere Formen, Menschen zu binden und fremden Interessen nützlich zu machen. Insofern ist es gefährlich von Erlösung zu reden, weil es immer auch Interessen gibt, die davon profitieren, dass andere gebunden sind. Das Christentum hat das Bewusstsein für diesen Aspekt von Erlösung immer bewahrt, und immer wieder haben Christen im Evangelium von der Erlösung die entscheidende Kraft gefunden, gegen Sklaverei, Ausbeutung und ungerechte Fesseln aufzustehen.
  • An einer Fessel aber drohen wir zu scheitern: an uns selbst. Wenn wir es biblisch ausdrücken wollen: Wir scheitern daran, Mensch zu sein, und an der Versuchung, andere zu beugen. Als der Hauptmann Kornelius sich vor Petrus verbeugen will, weist dieser ihn zurecht: "Petrus richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch." Mensch zu sein bedeutet, mich mit meinen Grenzen und meine Beziehungen zu anderen Menschen anzuerkennen. Mensch zu sein bedeutet, andere nicht dazu zwingen oder bewegen zu wollen, sich vor mir zu beugen. Durch keine Autorität dürfen Menschen gebeugt werden, nicht von Eltern, nicht von wirtschaftlich Stärkeren, nicht vor Machthabern, nicht vor denen, die sich selbst für das Wichtigste halten. Einzig in Freiheit und Verehrung kann der Mensch sich beugen und doch Mensch bleiben - vor Gott.

3. Unsere Taufe und Taufe Jesu

  • Gott aber wird Mensch. Der menschgewordene Gott kommt zum Täufer Johannes und erbittet von ihm getauft zu werden wie irgend ein Mensch. "Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu!" In der Johannes-Taufe nimmt Gott an, was für Menschen zentral ist: Dass wir nicht vollkommen sind, sondern der Barmherzigkeit und Liebe bedürfen.
  • Die Taufe Jesu durch Johannes ist daher das Gegenstück zu unserer Taufe als Menschen. Wie in Jesus Gott Anteil an unser Menschennatur nimmt, so werden wir auf den Namen Jesu getauft, um Anteil zu haben an seiner Gottheit. So drückt es das Gebet aus, das zur Gabenbereitung bei der Mischung von Wein und Wasser gesprochen wird ("Wie das Wasser sich mit dem Wein verbindet zum heiligen Zeichen, so lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat.") Durch die Taufe werden wir mit Gott verbunden, der sich mit uns verbunden hat. Indem Gott Mensch wird, macht er es uns möglich geheiligt zu werden.
  • Mit Gott, der sich vor den Menschen beugt, können wir Menschen werden, die es nicht nötig haben, andere zu beugen. Damit hebelt Gott die teuflische Logik aus, dass man nur groß sein könne, wenn man andere klein macht. Das ist die Heilung und Erlösung, die Jesus schenkt. Sie erlöst von den Machtansprüchen anderer Menschen und erlöst von falschen Ansprüchen an uns selbst. Es ist die Logik der Liebe, gegenüber der der Teufel entlarvt ist, als das was er ist: Nichts als hohler Anspruch, ein Nichts, vor dem wir uns immer wieder beugen, wenn wir vergessen, was Gott an uns getan hat. Amen.