Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2015 (B Markus)

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11. Januar 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Allahu Akbar!

  • Biblische Berichte erzählen nie einfach nur abstrakt ein Ereignis. Die Berichte stehen immer in einem doppelten Kontext: Innerhalb der Bibel und in der Situation, in der sie im Gottesdienst verkündet oder von einem Menschen gelesen werden. Das gilt ganz besonders, wenn heute in dem Abschnitt aus dem Markusevangelium so etwas wie eine Stellungnahme Gottes erzählerisch dargestellt wird: "Eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden."
  • Manche stellen sich das so vor: Was hier gesagt wird, ist eine ewige Wahrheit. Die Stimme aus dem Himmel hätte auch ertönen können, wenn Jesus sich an einer Pommes-Bude angestellt und gerade erfolgreich eine Portions heiß-fettige Kartoffelecken ergattert hätte. Warum nicht auch dann: "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden"?
  • Mir scheint es ein gemeinsames Merkmal von religiösen Fundamentalismus zu sein, dass er Gott zu verteidigen meint, und sich überhaupt nicht um Gott schert. "Allahu Akbar!" sollen die beiden Mörder in Paris gerufen haben, bevor sie die verhassten Journalisten erschossen haben. "Allahu Akbar! Gott ist unvergleichlich groß!" Und gleichzeitig erniedrigen sie diesen Gott, den sie bekennen, indem sie ihm das rachsüchtige Gemüt eines jähzornigen Dreijährigen unterstellen. Mit dem Mund rufen sie: "Allahu Akbar! Gott ist unvergleichlich groß!", mit den Händen sagen Sie "Gott ist ein Primitivling, der gegen Karikaturen mit Mord und Totschlag verteidigt werden muss!"
    Die einzig sinnvolle Antwort auf solche gotteslästerliche Gewalt, ist im Gegenzug nicht einen angeblich christlichen Gott mit Mitteln zu verteidigen, die mit dem, was Gott ausmacht, nichts zu tun haben.

2. Gott ist groß in Jesu

  • "Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden." Mit diesem Satz meint Gott, der Höchste, eine ganz bestimmte Situation und ein bestimmtes Verhalten. Gott Vater ist kein blinder Parteigänger des Sohnes, sondern bekennt sich zu Jesus, weil in dessen konkretem Verhalten sich Gott offenbart und zeigt.
  • Das Bekenntnis des himmlischen Vaters zu Jesus bezieht sich also auf ein Ereignis und hat einen Kontext. Denn die Stimme erschallt und der Geist Gottes wird sichtbar, nachdem Jesus sich der Taufe des Johannes am Jordan unterzogen hat.
    Der Täufer Johannes vollzieht einen Ritus, durch den die, die zu ihm an den Jordan kommen, bekennen, dass sie sündige Menschen sind: Menschen die anderen geschadet und sich gegen das gute Gebot Gottes vergangen haben. Dieses Bekenntnis legt jeder ab, der sich einreiht, um die Taufe des Johannes "zur Vergebung der Sünden" zu empfangen.
    "Und es begab sich zu der Zeit...", also nicht irgendwann und irgendwo, sondern genau hier reiht sich Jesus, der von Gott gekommen ist, in die Reihe der Menschen ein.
  • Johannes, der Täufer hatte gesagt: "Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich"; "Allahu Akbar! Gott ist größer!" Denn hier offenbart sich Gott, der größer ist als die Vorstellung von Menschen, die ihn sich nur als Richter vorstellen können, der von oben herab sein Schwert niederfallen lässt, um die Sünder zu strafen. Eine höchst menschlich-kleine Vorstellung von Größe!
    Wir bekennen als Christen, wenn wir das heutige Evangelium verkünden, dass die wahre Größe Gottes darin besteht, dass er sich demütig unter die Sünder einreiht, obwohl er selbst ohne Falsch und Sünde ist. Es bricht ihm dadurch kein Zacken aus der Krone, denn seine Größe besteht in seiner Liebe auch und gerade zu dem Menschen, der in Sünde gefangen ist. Diesem Menschen nahe zu sein und ihn zu befreien, reiht sich der Sohn Gottes unter die Sünder ein, die sich von Johannes taufen lassen. Das präzis ist Gottes "geliebter Sohn, an ihm hat er Gefallen gefunden".

3. Taufe auf den Namen Jesu

  • Die Taufe, die Johannes angeboten hatte, war ein Ritus mit Sündenbekenntnis und zum Ziel der Sündenvergebung. Das ist sicher ein wichtiger Teil auch der späteren christlichen Taufe auf den Namen Jesu. Aber die christliche Taufe ist eben mehr: Umfassend hinein genommen zu sein in das Leben, die Hingabe, den Tod und die Auferstehung von Jesus, dem Christus. Das Ziel ist, die Freiheit der Liebe zu erlangen, die er hatte.
    Durch die Taufe werden wir Teil seines Leibes, der Kirche. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott, seinem und unserem Vater.  Das Vertrauen, dass diese Gottesbeziehung schenkt, macht frei auch dort zu lieben, wo wir keinen Vorteil davon haben. Aber all das bleibt Formel und leere Ritual, solange wir nicht von innen her geprägt werden von dem, wofür Jesus steht.
  • Dafür kann durchaus die aktuelle Diskussion als Beispiel dienen. Im 1. Petrusbrief (2,23) heißt es von Jesus: "Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht". Die Schmähung sollte für Christen nichts Überraschendes sein. Das Kreuz an sich war schon Verspottung. Vielleicht ist die dreisprachige Kreuzestafel, die in Rom verehrt wird, auch eine Karikatur, denn dort ist spöttisch auch das Griechische und Lateinische von rechts nach links geschrieben. Die älteste bildliche Darstellung des Kreuzes ist eine im 3. Jahrhundert an die Wand gekritzelten Karikatur mit einem eselsköpfigen Gekreuzigten und der Spottschrift "Alexamenos verehrt seinen Gott".
    Eine christlich Antwort auf Karikatur, Spott und Schmähung ist immer nur eine Reaktion nach dem Beispiel Jesu: "Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht". Das ist wesentlich. Weil er sein Vertrauen auf Gott allein setze, konnte Jesus dem Spott und der Gewalt mit Vergebung und Liebe begegnen, selbst als er auf den Tod verspottet wurde. Und von den Aposteln, die um ihrer Verkündigung des Namens Jesu willen ausgepeitscht wurden, wir es sogar heißen: Sie "freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden" (Apg 5,41)
    Durch ihre religionsverhetzenden Karikaturen haben die Macher von "Charlie Hebdo" über Jahre versucht, auch die Christen dazu zu provozieren, in Protest gegen die Perversitäten des Blattes zu dem zu werden, was die Macher der Zeitschrift ihnen immer schon unterstellten zu sein. Wir sollten uns der Gefahr bewusst sein, dass auch Christen ihren Gott verraten, indem sie auf solche Provokationen mit Gewalt reagieren. Um der Freiheit unserer Gesellschaft willen, sollten wir auch solche Unflätigkeiten wie "Charlie Hebdo" ertragen; Gott erträgt sie ohnehin eher amüsiert. Auf jeden Fall ist mir dies lieber, als eine staatliche Zensurbehörde als Anstandswächter.
  • Ja, Gott an unserer Seite ist groß. Wer an ihn sich hält, ist zum Größten fähig: Mit Christus zu sterben, um mit ihm aufzuerstehen zu einem von Liebe geprägten Leben. Daraufhin sind wir getauft und darauf sollten wir vertrauen.
    Wenn jetzt die Besorgten meinen, wir in Europa sollten mit Abgrenzung, Gewalt, Misstrauen oder gar Hass auf die Gewalt reagieren, dann wird das Vertrauen in Gott eingetauscht gegen ängstliche Preisgabe dessen, wofür Jesus bereit war zu sterben. Diese Hingabe allein, ist die wahre Größe. Die Liebe allein. Amen.