Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2010 (Lesejahr C)

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10.01.2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Vortäuschung falscher Tatsachen

  • Ist es eine Lüge, wenn Jesus sich taufen lässt? Vorsichtiger: Ist es Vortäuschung falscher Tatsachen? Die Taufe des Johannes am Jordan ist ausdrücklich "zur Vergebung der Sünden". Jesus aber ist der Sohn Gottes, "der keine Sünde kannte" (2 Kor 5,21), wie Paulus im 2. Korintherbrief schreibt. Warum also für ihn die Johannestaufe?
  • Johannes ist der Wegbereiter. Das Volk Israel soll vorbereitet werden darauf, dass der Gesalbte Gottes erscheint. In der Tradition der Propheten ruft Johannes die Menschen dazu auf, sich abzuwenden von ihren Sünden, um empfänglich zu werden für Gottes heilende Gegenwart. Das Wasser der Johannestaufe ist das Zeichen dafür. Das Wasser des Jordan soll symbolisch die Schuld wegtragen, durch die die Kinder Israels sich von Gott getrennt haben.
  • Jesus aber ist selbst die Gegenwart Gottes. Es erscheint nicht nur überflüssig, dass er sich der Johannestaufe unterzieht. Es erscheint fast als Vortäuschung falscher Tatsachen.

2. Damit der Himmel sich öffnet

  • Jesus lässt sich taufen, damit sich der Himmel öffnet. Er selbst ist die Taufe "mit dem Heiligen Geist und mit Feuer". Er ist gekommen, damit sich für uns Menschen der Himmel öffnet und wir diese Taufe empfangen, in der Gott selbst in uns wohnt und wirkt mit Gottes Heiligem Geist. Im Dienst dieser Sendung lässt sich Jesus taufen.
  • [Solange der Himmel verschlossen ist, herrscht Funkstille zwischen Gott und uns. Wir mögen meinen, das läge daran, dass Gott keine Signale sendet. Das Problem liegt aber vermutlich doch eher am Empfänger. Die Johannestaufe ist wichtig, um beim Volk Israel die verstopften Empfangskanäle zu öffnen. Die ersten Jünger hat daher Jesus wohl im Umfeld des Johannes gewonnen. Von hier aus aber geht seine Sendung zu allen Völkern (den "Heiden") und allen Menschen.]
  • Im Dienst dieser Sendung empfängt Jesus "zusammen mit dem ganzen Volk" die Johannestaufe zur Vergebung der Sünden. Jeder Mensch steht unvertretbar da mit seiner eigenen Sünde. Ich bin verantwortlich für mein Tun und unterlassen. Aber mit den Folgen der Sünde, der Schuld, mit den Trümmern enttäuschter Liebe und zerstörter Beziehungen muss ich nicht allein bleiben. Weil Jesus Beziehungen zwischen Menschen und Menschen und zwischen Mensch und Gott erneuern will, lässt er, der ohne Sünde war, sich bei Johannes taufen "zusammen mit dem ganzen Volk".

3. Einander tragen

  • Das Feuer der Taufe Jesu ist die Gemeinschaft im Heiligen Geist. Diese Gemeinschaft wird durch Lieblosigkeit und Schuld belastet. Die Sendung Jesu aber ist es, die Sünder zu dieser Gemeinschaft berufen. Das heißt weder die Sünde gut noch verwischt es Verantwortlichkeit. Als Christ sollte ich mich von der Sünde distanzieren. Aber dazu muss ich mich nicht vom Sünder distanzieren. Dies hat der nicht getan, der ohne Sünde war. Wie viel weniger muss ich es tun, der ich selbst Sünder bin.
  • Es ist die große Versuchung, sich zu distanzieren. Es ist verlockend, sich vom Bruder oder der Schwester zu distanzieren, in meiner eigenen Familie, in meinem Freundeskreis, vor allem aber in meiner Kirche. Es ist deswegen eine Versuchung, weil das Motiv nicht stimmt. Denn es geht doch meist nicht darum, dass ich damit der Sünde wehren will, sondern dass ich um mein eigenes Ansehen besorgt bin. Ich will nicht die Erfahrung machen müssen, die Jesus gemacht hat. Er ist zu den Sündern gegangen und wurde unter die Sünder gerechnet. Er wurde unter die Verbrecher gezählt. (vgl. Jes 53,12).
  • Die Unterscheidung ist nicht leicht: Sich von der Sünde distanzieren, nicht vom Sünder.
    • Deswegen werden Menschen, die schuldig geworden sind - und sei es nur in den Augen der anderen - lieber ausgegrenzt und mit einer Mauer des Schweigens umgeben.
    • Das andere Extrem ist das kumpelhafte Einverständnis, das Augenzwinkern, wir seien doch alle Sünder, das sich die Mühe der eigenen Umkehr ersparen will.
    • In Familien oder bei Institutionen - gerade auch der Kirche - gibt es noch eine weitere Variante. Die Sünde wird nicht gut geheißen, aber das Renommee der eigenen Gruppe geht über alles und daher wird die Sünde unter den Teppich gekehrt. Nicht wer gesündigt hat, gilt als Nestbeschmutzer, sondern wer die Sünde beim Namen nennt. Nirgendwo wird das so deutlich wie beim Kindesmissbrauch: Ob der Onkel in der Familie, der Pfarrer in der Kirche oder der Lehrer in der Schule: lieber wird unter den Teppich gekehrt, als aufgedeckt. Denn weder ist man bereit, den Imageverlust nach außen zu riskieren, noch ist man in der Lage, sich an die Seite des Schuldigen zu stellen und zu sagen: Ja, es ist ein Verbrechen, was er getan hat und er muss dafür ins Gefängnis. Aber er ist einer von uns und wir tragen mit an seiner Schuld. Gerade das aber könnte auch und gerade für das Opfer der Schuld wichtig sein, dass die Institution sich nicht davor drückt, dass der Täter aus ihrer Mitte kommt.
  • Jesus macht keines von davon. Er grenzt die Sünder nicht aus. Er riskiert nach außen vielmehr eine Vortäuschung falscher "Tatsachen" und stellt sich an die Seite der Schuldigen. Er riskiert als Nestbeschmutzer zu gelten, und deckt die Schuld auf. Und doch bleibt er in allem an der Seite dessen, der schuldig geworden ist, lässt sich mit ihm taufen - und mehr noch, bringt ihm die Taufe des Heiligen Geistes, die allein den Kreislauf von Schuld und Isolierung zu durchbrechen vermag. Amen.