Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2016 (Lesejahr C)

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10. Januar 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Am eigenen Schopf

  • Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen prahlt, er habe nicht nur sich selbst, sondern zugleich auch sein Pferd am eigenen Schopf aus einem Sumpf gezogen. Die Geschichte zeugt von starkem Selbstbewusstsein und mindestens eben so starkem Haarwuchs. Dass er mit der Flunkerei so viel Erfolg hatte, liegt nicht nur daran, dass die Geschichte absurd ist, sondern sie ist zugleich hart an der Wirklichkeit. Denn genau das meinen nicht wenige sich zutrauen zu können: Allein, mit eigener Kraft und eigenem Willen sich aus jedwedem Sumpf zu ziehen. Tragischerweise funktioniert es nie, und schadet der Versuch nicht selten.
  • Die Münchhausen-Geschichte illustriert übersteigert, was das eigentlich Besondere an der Taufe des Johannes ist: Sie macht deutlich, dass sich kein Mensch am eigenen Schopf aus dem Sumpf herausziehen kann. Statt dessen macht er vor, wie es besser geht: Es einem Anderen zutrauen.
  • Johannes stammte aus einer Priesterfamilie. Daher war ihm das Symbol des rituellen Bades geläufig. Vor dem Dienst im Tempel in Jerusalem sollte der Priester Gott um Reinigung von seinen Sünden bitten, indem er sich rituell wusch. Bei den Pharisäer haben diese ursprünglich priesterliche Tradition sogar alle Gläubigen praktiziert. Bei Juden wie Muslimen ist das bis heute so.
    Wenn dieser Ritus in Frömmigkeit geschieht, ist völlig klar, dass sich da niemand selbst reinigt, sondern dass Gott es letztlich ist, der rein macht. Aber Johannes ruft die Menschen jetzt aus dem Gewohnten heraus. Sie sollen sich in der Wüste am Jordan nicht selbst mit Wasser reinigen, sondern sich von einem Anderen taufen lassen. Auch hier ist Gott intendiert, der reinigt. Aber im rituellen Symbol ist es nun ein anderer Mensch, dem man sich anvertraut. Das ist ein zentraler Wechsel der Perspektive.

2. Taufe in Gemeinschaft

  • Die Taufe ist immer in Gemeinschaft. Das ist sie bereits von der Taufe des Johannes dem Täufer an. Einerseits ist es immer der Einzelne, der Mensch vor Gott, der sich auf den Weg macht, sein Leben neu auszurichten.
  • Aber wenn er sich auf die Taufe einlässt, dann geschieht dies andererseits immer in der Beziehung zu dem anderen Menschen, der tauft, und wahrscheinlich immer schon im Kontext einer Gemeinschaft. Auch deswegen feiern wir am Kleinen Michel und mittlerweile viele Gemeinden die Taufe nicht mehr nur im Familienkreis, sondern möglichst immer in der sonntäglichen Eucharistie der ganzen Gemeinde.
  • Nur so ist verständlich, warum Jesus darauf besteht, ebenfalls die Taufe des Johannes zu empfangen, die "Taufe zur Vergebung der Sünden". Die ganze Sendung Jesu, warum er vom Vater gekommen ist, wird hier bereits sichtbar: In Jesus stellt Gott selbst sich an die Seite der Menschen. Mehr noch: Er vertraut sich dem Menschen an und gibt sich in die Hände der Menschen. Diese Hingabe versteht nur, wer die Liebe versteht.

3. Auf andere bauen

  • Deswegen kann auch die Ehe ein Sakrament sein. Wenn zwei Getaufte heiraten, dann ist dies einerseits ein Bund, den Sie aus Liebe eingehen und den Sie für ihr ganzes Leben eingehen wollen, ohne Vorbehalt. Ich bin überzeugt, dass dies auch für viele gilt, die nicht Christen sind. Wenn jedoch zwei Getaufte heiraten, dann vollziehen sie darüber hinaus in einem ganz besonderen Sinn ihre eigene Taufe. Sie bilden Jesu Hingabe an den Menschen in der Beziehung zu seinem besonderen Menschen ab und leben so sie.
  • Schon in der Johannestaufe war vorgebildet, dass die Reinigung durch einen Anderen geschieht und deswegen die Beziehung zu Gott verbunden ist mit einer Beziehung unter Menschen. In der christlichen Taufe - darin geht sie über die Johannes-Taufe hinaus - ist das sogar ganz wesentlich. Im Vollzug der Taufe wird ein Mensch hinein genommen in die Gemeinschaft des Volkes Gottes. Durch die Taufe wächst die Kirche, die mit einander das Sakrament der Eucharistie feiert, durch die Christus leibhaftig gegenwärtig wird, greifbar in einer Feier, sichtbar im zerbrechlichen Brot.
  • Heute, am Fest der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer, freuen wir uns, dass in unserer Eucharistie zwei Menschen einander das Sakrament der Ehe spenden. Das ist auch für uns etwas Besonderes. Phina und Gerald vertrauen sich einander an. Sie machen so in dieser herausragenden Weise sichtbar und erfahrbar, was für alle Getauften gilt: Mit einander, in vertrauender Gemeinschaft mit Gott und den Menschen, sind wir alle berufen, für einander da zu sein. Damit schenken uns die beiden ein heiliges Zeichen, dass wir uns nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf heben müssen - was letztlich ja doch nie klappt. Vielmehr dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns den Menschen und die Gemeinschaft schenkt, in deren Mitte er selbst gegenwärtig ist. Amen.