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Hilfen zur Entscheidungsfindung

(Merkblatt für Jugendbesinnungstage nach Anregungen aus den Exerzitien des Hl. Ignatius von Loyola)

Dieses Blatt sollte man dort hinlegen, wo man es - vielleicht nach Jahren - findet, wenn man es braucht. Es ist gedacht für die Entscheidungen, die Dein weiteres Leben bestimmen: Welche Ausbildung Du machen willst, ob Du diesen Job annehmen sollst, ob Du zu Hause ausziehen oder ob Du umziehen sollst, ob Du Zivildienst oder Wehrdienst leisten willst, ob Du diese Bindung eingehen willst usw.

Wichtige Vorbereitungen/Vorbemerkungen:

  1. Nimm Dir Zeit. Mit dem Ergebnis Deiner Entscheidung musst Du lange leben. Entsprechend kann es sinnvoll sein, einige Stunden oder sogar einen oder mehre Tage dafür zu reservieren.
  2. Nicht alles steht zur Entscheidung. Manchmal gibt es frühere Entscheidungen, an die ich gebunden bin (eine Ehe, ein Gelübde, ein Kredit etc.). Manche Umstände binden mich auch, ohne dass ich mich eigentlich entschieden hätte, insbesondere Verantwortung für andere Menschen (ein Kind; Eltern, die meine Unterstützung brauchen etc.). Was unethisch ist, kann nicht Gegenstand einer Entscheidungsfindung sein. Sollte dies also fraglich sein, musst Du vor einer Entscheidungssuche vernünftig klären, ob das, was ansteht, ethisch vertretbar ist.
  3. Fälle nie eine wichtige Entscheidung, wenn Du in schlechter innerer Verfassung bist (Unruhe, Aggressivität, Frust ...). In solchen Zeiten ist Geduld besser, als einsame, schnelle Entscheidungen.
  4. Suche während der Zeit der Entscheidungsfindung ruhige Räume und ruhige Zeiten. Hör, wenn es Dir hilft, erst mal Musik oder geh spazieren.
  5. Manche Entscheidungen müssen allein durchgestanden werden, manche können mit anderen besprochen werden. Jede Entscheidung braucht "einsame Zeiten", wenn sie wirklich Deine Entscheidung sein soll. Aber gib nicht zu schnell auf, jemanden zu suchen, mit dem Du darüber sprechen kannst.
  6. Gib nicht zu schnell "Stimmungen" nach. Wenn Deine "Stimmung" der leichteren Lösung zuneigt, die Dich weniger Anstrengung kostet, sei besonders kritisch. Und wenn Deine "Stimmung" viele Gründe gegen die Lösung anführt, die mehr von Dir fordert, ebenso.
  7. Versuche, festzustellen, wohin es Dich zieht, bevor Du Dich auf einen Entscheidungsfindungsprozess einlässt. Versuche Deine "Ausgangslage" zu beschreiben (evt. schriftlich), um Dich dann für eine neue Lösung - oder die alte - offen zu machen. Meist hast Du eine Vorab-Meinung; diese kannst Du nicht ablegen. Aber Du kannst Dich unabhängiger von ihr machen. Dazu empfiehlt es sich, bewusst mehr Gründe zu suchen, die gegen die ursprüngliche Meinung gerichtet sind.
  8. Versuche herauszufinden, welches die "Ziele" in dem Bereich Deines Lebens sind, in dem die Entscheidung anfällt ("Glück", "konsequent sein", "Gemeinschaft", "etwas zuwege bringen", "geliebt werden", "Stimmigkeit" ....). Gib Dir - soweit möglich - eine Antwort auf das "Wozu?" und "Woraufhin?". Nimm eventuell eine Bibel zur Hand und lies (z.B. Matthäus-Evangelium 5,1-7,29 [Bergpredigt]; 1. Johannesbrief; Markus-Evangelium 10, 1-52).
  9. Versuche, die Frage, um die es geht schriftlich zu formulieren. Sag Dir genau, was das Problem ist. Unterscheide, ob es sich um eine Frage der Wahl der Mittel oder um eine Frage des Zieles handelt. Gib Dir möglichst vollständig Rechenschaft über die Alternativen die Du hast. Nimm diese Notizen immer wieder zur Hand, damit Du Gelegenheit hast, die Frage neu zu bedenken: manchmal gehen einem beim Formulieren der Frage oder beim erneuten durchdenken Handlungsmöglichkeiten auf, die man davor nicht gesehen hat.

Konkrete Methoden zur Entscheidungsfindung:
(manchmal kann es gut sein, die Entscheidung auf mehreren Wegen zu suchen!)

  1. Nimm einen großen Bogen Papier und ziehe in der Mitte eine Linie. Schreibe oben auf das Blatt die Frage, die ansteht (vgl. Punkt 7). Notiere Dir dann auf der einen Seite der Linie alle Gründe die dafür sprechen, so und so zu handeln (dieses Studium zu beginnen, zur Bundeswehr zu gehen, diesen Beruf anzustreben, von daheim ausziehen, mit jemanden zusammenziehen ...). Schreibe dann auf die andere Seite die Gründe, die dagegen sprechen. Dann mach etwas anderes. Nimm diesen Bogen mehrfach wieder zur Hand. Schau ihn an oder schreib etwas dazu. Überlege Dir das "Wozu?" (vgl. oben Punkt 8). Schließlich, ganz am Schluss, nicht zu früh (!), versuche die Seiten gegeneinander abzuwägen und schau zu, ob das Gewicht der einen oder der anderen Seite zuneigt. Wenn dies nicht der Fall ist, kann das daran liegen, dass gleichgute Gründe dafür und dagegen sprechen; es kann aber auch daran liegen, dass Du Gesichtspunkte vergessen hast (z.B. die Frage: welche anderen Menschen sind von meiner Entscheidung betroffen?). Schreibe Dein Ergebnis unter beide Spalten und lies mit zeitlichem Abstand die Entscheidung noch einmal durch.
  2. Stelle Dir einen Menschen vor, den Du nicht näher kennst und dem gegenüber Du daher keine negativen Gefühle hast. Du wünscht ihm/ihr alles Gute und dass er/sie im Leben glücklich wird. Stelle Dir vor, dieser/diese jemand würde Dir Dein Problem schildern. In allen Einzelheiten. Was würdest Du ihm/ihr dann raten? Dann halte Dich an das, was Du einem fremden Menschen rätst.
  3. Dasselbe mit einem guten Freund oder einer guten Freundin: Welchen Rat möchtest Du gegeben haben?
  4. Versetze Dich in die Lage Deiner Todesstunde, sei es am Ende eines langen Lebens, sei es schon bald. Nimm Dir Zeit, Dir eine solche Situation vorzustellen. Frage Dich dann, wie Du dann wünschen würdest, in dieser Frage entschieden zu haben. Handle danach, denn im Angesichts des Todes können viele "kleinen" Gründe ihr scheinbares Gewicht verlieren.
    Alternativ: Stelle Dir vor Dein Biograph würde Deine Entscheidung aufschreiben. Wie würdest Du wollen, dass die Nachwelt Deine Entscheidung sieht.
    Alternativ: Stelle Dir vor, mit dieser Entscheidung würde künftig Dein Name verbunden ("Das ist die Müller-Methode dieses Problem zu lösen.").
  5. Schreibe auf kleine Zettelchen wahllos alle Umstände, die irgendwie mit der anstehenden Frage zu tun haben könnten: Deine Lebensverhältnissen, die mit Dir zusammenlebenden Menschen, Deine Wünschen, Deine Stärken, Deine Schwächen, was Dir gelungen ist, was Dir daneben gegangen ist, Phantasien, Erlebnisse usw. Suche anschließend eine freie Fläche (Fenster, Schrank o.ä.) und klebe die Zettel in Gruppen zusammen (z.B. nach zeitlicher Ordnung, nach Lebensbereichen, nach positiven und negativen Gefühlen oder anderem). Versuche dann innerhalb dieser Gruppen zu gewichten: Verschiebe die wichtigeren Zettel nach oben, die unwichtigeren nach unten. Überlege Dir dann, inwiefern Dir dadurch die Umstände Deiner Entscheidung klarer werden. Welches sind die relevanten Umstände? Wofür und wogegen sprechen sie?
  6. Wer als Christ leben will, sollte versuchen, auch seine Entscheidungen aus dem Glauben und im Vertrauen auf Gottes Geist treffen. Gegenüber dem bisher Gesagten wird für einen Christen wichtig sein: Das letzte Ziel meines Lebens (siehe oben Punkt 8) ist die Ausrichtung auf Gott: dass mein Leben zu Gottes Lob ist und alles, was von Gott verschieden ist, die ganze Schöpfung also, mir geschenkt wurde, um dieses Zieles willen geschaffen wurde. Bei der konkreten Entscheidung kommt hinzu, ob sie mich näher zu Gott führt oder nicht. Dies wird schnell konkret, wenn ich sehe, wie wenig Gott auf äußeren Erfolg, Ruhm, Reichtum, Macht und solche Dinge Wert legt. Dies hat er deutlich gezeigt in der Weise, wie er in Jesus Christus als Mensch gelebt hat.
  7. Viele Klöster oder Gemeinschaften (z.B. GCL) bieten Gelegenheit zu sogenannten Einzel-Exerzitien, die in der Regel acht Tage dauern. In diesen Exerzitien ( = "Übungen") sollst Du ganz für Dich sein, möglichst im Schweigen, um Dir in Gebet, Reflexion und Meditation Klarheit über Deinen Weg zu gewinnen. Einmal am Tag besteht Gelegenheit, mit einem/einer Exerzitienbegleiter(in) über Fragen zu sprechen, die Dich bewegen oder Hilfestellungen für die Gestaltung des Exerzitientages oder der Meditation zu erhalten.
    Unter mehr thematischer Rücksicht werden solche Exerzitien auch für Gruppen angeboten.
    (Info-Material für Süddeutschland:
    GCL, Sterngasse 3, 86150 Augsburg. g-c-l@t-online.de
    für Norddeutschland:
    Pater Petrus Köst SJ, Hamburg, petrussj@web.de

Martin Löwenstein SJ
13. Dezember 1989/27. November 1999

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