Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Weihnachten am Tag 2006

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25.12.2006 - Unterschwappach/Knetzgau

1. Lebenslauf

  • So mancher erzählt seine Lebensgeschichte. Mancher war ein paar Jahre Bundeskanzler und meint in Verkennung seiner literarischen Fähigkeiten ein ganzes Buch darüber schreiben zu müssen. Andere bewerben sich um einen Job oder einen Lebenslauf oder stellen sich bei der Familie seiner Verlobten vor: "Nun erzählen Sie mal..."
  • Wo soll ich anfangen? Es hilft zu verstehen, wer ich bin, wenn ich bei den Eltern anfange. Oder vielleicht doch bei den Großeltern? Nur wäre da kaum eine Grenze zu ziehen und eine lange Vorgeschichte zu erzählen und dennoch ist gefragt, wer ich bin. Wer mich verstehen will, sollte auch wissen, wo ich herkomme.
  • Jesus hatte kein Vorstellungsgespräch und hat keine Autobiographie geschrieben. Erst seine Jünger, die ihn erlebt und mit ihm gelebt haben, wurden gebeten, doch zu erzählen, wer er war. Diese haben begonnen zu erzählen, was sie erlebt haben in der Zeit seines öffentlichen Wirkens, von der Taufe am Jordan bis zum Ende in Jerusalem. Dabei verschwiegen sie auch nicht, dass das Ende in Jerusalem der Anfang war: eine Auferstehung von Leid und Tod. Erst danach versuchten die Evangelisten auch nach vorne auszugreifen. Die neu zur Kirche Hinzugekommenen haben gefragt: Woher kam Jesus? Wer ist dieser Mensch? - Die Antwort darauf ist das Weihnachtsevangelium.

2. Evangelium

  • Drei Versuche gibt es, zu erzählen, wer Jesus war, woher er kam Am Heilig Abend wird aus dem Matthäusevangelium gelesen, in der Nacht aus Lukas und jetzt, am Morgen des Festes der Geburt, der wohl ungewöhnlichste Versuch. Nicht bei der Geburt fängt das Johannsevangelium an, nicht bei der Empfängnis, nicht bei der Verheißung durch Engel und Propheten. Um zu verstehen, woher dieser Mensch kommt und wer er ist, setzt er früher ein. Eigentlich ist sogar das Wort früh falsch: er setzt tiefer an, vor aller Zeit.
  • Das Johannesevangelium macht klar: Im Angang ist nicht der Mensch. Deswegen fängt es nicht mit den "menschlichen Vorfahren" Jesu an, auch nicht mit dem, was Jesus getan hat, sondern mit dem, was Christus ist. "Das Wort war Gott". Das bedeutet aber auch, dass das Licht vor der Finsternis ist. Und der Finsternis wird es nicht gelingen, dieses Licht zum Verlöschen zu bringen. Das ist das Evangelium.
  • Wollt ihr wissen, wer Jesus war? Er war das was er war, bevor er geboren wurde, und was er ist, auch jetzt, nachdem er gestorben ist, auferstandenen und heimgegangen zum Vater. Er war das Licht, und dieses Licht leuchtet, im Anfang, wie damals, wie heute in der Finsternis. Gegen dieses Licht hat die Finsternis keine Chance.

3. Weihnachten heute

  • Unsere Lebensgeschichte erzählen wir zumeist anders. Je nachdem, wo und wann wir gefragt werden, erzählen wir von unseren Eltern, unserer Ausbildung, was wir geleistet und geschafft haben. Vielleicht erzählen sie auch viel von ihren Kindern, von dem, was sie Bleibendes hinterlassen haben. Manchen Fragern würden Sie auch erzählen, was ihre Träume sind und waren, auch wo solche Träume sich zerschlagen haben.
  • Weihnachten erinnert daran, dass diesem Lebenslauf etwas Tieferes zugrunde liegt. Wir können das nicht in den Lebenslauf schreiben, aber es ist tatsächlich das Wichtigste, was wir über uns sagen könnten. Im Prolog des Johannes ist das gesagt "Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden". In der Taufe hat uns Gott als seine Töchter und Söhne angnommen. Davon zu schweigen wäre fast so, wie wenn Prince William sich vorstellen würde und verheimlichen, dass er potentieller Thronfolger ist. Denn Gott hat uns befähigt, seine Kinder und seine Erben zu sein, nicht nur Sohn von Charles und Stiefkind von Camilla.
  • Das Johannesevangelium steht in der Bibel neben den anderen Evangelien, die viel konkreter aus dem Leben Jesu berichten. Daher: Erzählen Sie ruhig, wenn sie gefragt sind sich vorzustellen, über ihre Herkunft und ihre Kinder, ihre Erfolge und ihr Scheitern, über ihre Hoffnungen, über die Menschen, die ihre Freunde sind, und die Menschen, die sie lieben. Heute aber feiern wir, dass all das getragen ist von einem Ursprung, der noch viel tiefer liegt: unserer Geburt aus dem Licht, das uns erschienen ist im Stall von Betlehem. Amen.