Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Karfreitag 2024

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29. März 2024 - St. Michael, Sinzig-Franken

1. Held der Straße

  • Rocky Sullivan war einer der Verbrecher, die hingerichtet wurden. In den Straßen von Chicago war der katholische Junge in den 1920er Jahren groß geworden - und kriminell geworden. Die längste Zeit seines erwachsenen Lebens hat Rocky Sullivan im Gefängnis verbracht. In den Straßen und bei den Jugendlichen blieb er ein Held. Zu ihm schauten sie auf, wie er wollten sie werden. Rocky hatte Ansehen und genoss es.
  • Doch Rocky war zum Tode verurteilt worden. Was ihm blieb war das Ansehen bei den Jugendlichen. Die „street credebility“ konnten ihm die Richter nicht nehmen. Er wollte zur Legende werden, mutig und selbstbewusst wollte er in die Todeszelle gehen. In der letzten Stunde vor dem Ende kam ein Priester zu ihm, den Rocky seit Jugendtagen gut kannte. Der verlangte einen anderen Mut von ihm: Habe den Mut, sagte der Priester, erbärmlich um Gnade zu winseln. Habe den Mut, alle Coolness abzulegen. Habe den Mut, dass dich die Kids auf der Straße verachten. Zerstöre das Idol, das sie in dir sehen, dessentwegen sie sein wollen wie du!
  • Rocky Sullivan war ein Verbrecher, der hingerichtet wurde, einer unter vielen. Er hatte es genossen, eine Legende zu sein, verehrt von den Jugendlichen auf der Straße. Als sie ihn zum elektrischen Stuhl bringen wollten, klammerte er sich an die Füße seine Wärter, winselte und weinte. Diese Nachricht verbreite sich in den Straßen von Chicago. Rocky der Feigling! Als das bekannt wurde, wich die Verehrung der Verachtung. Keiner wollte mehr sein wie Rocky Sullivan. Hätte es ihn abseits der Leinwand gegeben, er wäre heute vergessen.

2. Mut zur Verachtung

  • Ob der Mut zur Verachtung kriminelle Jugendbanden im Chicago der 1930er Jahre beeinflusst hat? Wir wissen es nicht. Ob Rocky auch nur ein Menschenleben gerettet hat? Wir werden es nie wissen.
  • Vielleicht aber hat sich Rocky Sullivan in der letzten Stunde seines Lebens an den Einen erinnert, der sich um der Menschen willen zu den Verbrechern rechnen ließ. Sie haben ihn bespuckt, verspottet und verachtet.
  • Jesus war unschuldig. Doch dem Verbrecher Rocky Sullivan hat er ein Beispiel gegeben. In der letzten Stunde ist dieser mutig geworden, verachtet zu sein, wie sein Heiland. Wenn auch nur einer durch die Verachtung für Rocky sein Leben neu ausgerichtet hat, war es das wert. Sein eigenes Leben hat Rocky dort gerettet, wo er es um anderer willen losgelassen hat. - Zumindest ist dies die Geschichte, die Michael Curtiz von den Engeln mit schmutzigen Gesichtern erzählt hat.

3. Keine Likes für das Kreuz

  • Es ist eigentümlich zu allen Zeiten. Mehr noch, scheint es, liegt vielen an ihrem Ansehen bei anderen, als am Leben selbst. Die Helden von Troja unterscheiden sich nicht so sehr von den meisten heute, zumindest den Männern. Und wie eifrig sind Jugendliche darauf aus, ja, davon abhängig, mit vielen Likes und Posts Anerkennung zu sammeln! Die Helden, die sich nicht unterkriegen lassen sind populär: Bei den Populisten, den Autoritären aber offenbar nicht nur dort (siehe Präsident E. Macron)
  • Der Jesus, dessen Kreuz wir verehren, ist nicht gestorben, um in die Ahnenreihe der Helden einzugehen. Er hat die Verachtung gewählt, um uns einen Weg zu weisen. Nicht um des Ansehens willen, sondern im Vertrauen auf Gott zu leben ist stärker als der Tod. Himmel ist mehr als dieses angebliche "Auf-ewig-unvergessen" (und was sonst auf den Grabsteinen steht) und mehr als solcher Ruhm. Jesus ist am Kreuz gestorben, um den Weg des Vertrauens zu gehen. –
    Vielleicht verraten ihn manche triumphale Lieder, die wir als Kirche in seinem Namen singen, mehr als Karikaturen von Kirchengegnern, die ihn verspotten.
  • Ohne Karfreitag wird es kein Ostern geben. Nicht damals, nicht heute. Und wo Karfreitag uns nicht davon befreit, die Macht, die Überlegenheit, die Coolness und das Ansehen zu verehren, dort war es kein Karfreitag. Der Tod am Kreuz ist verächtlich und erbärmlich. Darin ist Rocky Sullivan Christus gleich geworden.