Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr C 2003 (Liturgie)

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30.11.2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt,

1. Zeit der Hoffnung

  • "Seht, es werden Tage kommen - Spruch des Herrn". Auf verschiedene Weise schauen alle drei Lesungstexte des ersten Adventssonntags in die Zukunft.
  • Der Prophet Jesaja richtet das Volk Israel auf, das in der Verbannung in Babylon den Mut zu verlieren droht. Der Apostel Paulus nimmt die Hoffnung auf das Erscheinen Christi des Herrn als Motiv, jetzt schon in der Liebe zu wachsen. Und auch das Evangelium, das auf den ersten Blick einen dürsteren Blick auf die Zukunft wirft, nimmt dieses Thema auf: Für diejenigen, die zu Jesus gehören, bedeutet das von ihm erwartete Unheil nur die Vorstufe zum Kommen des Christus - und deswegen sollen wir unbeirrt nach dem Evangelium leben und uns so auf die Begegnung mit ihm vorbereiten.
  • Die Texte schauen auf die Zukunft. Hoffnung ist ihr Motiv. Die ganze Heilige Schrift ist getragen vom Glauben an die unverbrüchliche Treue Gottes und schöpft daraus die Hoffnung, dass Gott sein Volk und jeden Einzelnen vor Unheil - oder durch das Unheil hindurch - bewahren wird. In den späten Büchern des Ersten Testamentes gewinnt diese Hoffnung die Gestalt der Erwartung einer Endzeit, die die Geschichte, wie wir sie leidvoll kennen, beendet. Im Neuen Testament wird diese Hoffnung erweitert um die Hoffnung auf individuelle Auferstehung aus dem Tod als Teilhabe an der Auferstehung Christi.

2. Hoffnung für den morgigen Tag

  • Der Advent ist die Zeit, sich zu fragen, was ich von der Zukunft erwarte. In der Tradition der Kirche sind es daher Wochen der inneren Vorbereitung auf Weihnachten, eine weihnachtliche Fastenzeit. In den Texten und Liedern des Gottesdienst spricht und singt die Kirche als Gemeinschaft davon. Das ergibt aber nur dann Sinn, wenn jede und jeder Einzelne diese Frage auch für sich aufnimmt: Was erwarte ich von der Zukunft?
  • Es scheint mir wichtig dabei, erst ein mal intellektuelle Fingerübungen außen vor zu lassen. Endlos könnten wir darüber diskutieren, was Optimisten und was Pessimisten sind, wie sich die Wirtschaftslage oder die Weltpolitik entwickelt und wer an was schuld ist. Das ließe sich trefflich diskutieren.
  • Was aber ist Ihre ganz persönliche Hoffnung? Die Frage trifft wahrscheinlich dann am ehesten ins Schwarze, wenn ich sie auf den morgigen Montag oder auf die neue Woche anwende. Was bleibt dann, abseits der großen Szenarien und der fernen Träume? Wenn die Antwort auf die Frage nach meiner Hoffnung den morgigen Tag unberührt lässt, ist es kaum die Hoffnung, von der uns die Heilige Schrift spricht. Wenn ich für morgen und übermorgen "business as usual" plane, wenn meine Hoffnung für morgen nicht darüber hinausgeht, heil über den Tag kommen zu wollen, dann wird auch der Begriff der Hoffnung für mich keinen Geschmack gewinnen.

3. Grund und Frucht der Hoffnung

  • Dass wir unsere Hoffnung auf die große Welt oder die weite Zukunft aufschieben, ist natürlich Selbstschutz. Denn eine Hoffnung auf den morgigen Tag ist in großer Gefahr, zur Enttäuschung zu werden. Das will man sich nicht zumuten. Dennoch scheint es mir im Glauben die Erfahrung zu geben, dass beides möglich ist: die Hoffnung, die ganz konkret und nah ist, und dennoch keine Täuschung über die Wirklichkeit.
  • Denn der Grund der Hoffnung ist eine Beziehung. Der Grund der Hoffnung ist der Glaube an die Treue Gottes, der sich nährt aus der Erfahrung. Von dieser Erfahrung gibt die ganze Heilige Schrift Zeugnis und diese Erfahrung macht das Leben so vieler anderer Gläubiger für uns so wichtig. Deswegen gehören die Heiligen zum Grund unserer Hoffnung. Es ist aber auch lohnend auf die eigene Gotteserfahrung zu schauen, die Erfahrung der Geborgenheit und des Getragensseins, die Ruhe und Zuversicht, die ich im Gebet erfahre und in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes. Wenn ich von dort ausgehe, landet meine Hoffnung nicht im Nichts, sondern hat in Gott ihren Grund.
  • Das wichtigste Zeugnis der Hoffnung ist für mich die Liebe. Deswegen schreibt Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki: "Der Herr aber lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen seinen Heiligen kommt." Diese Hoffnung legt nicht die Hände in den Schoß, sondern verwandelt aktiv das eigene Leben. Im Blick auf das Kommen Christi, kann so der morgige Tag bereits näher hinführen zu ihm. Amen.