Predigt zum 12. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Matthäus)
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19. Juni 2005 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main
1. Fürchtet euch nicht!
- Mir ist nicht recht erklärlich, warum ein Spatz vom Himmel fallen sollte. Eine befriedigende Erklärung, warum Jesus dieses Bild benutzt haben mag, habe ich nicht gefunden. Seinen Aposteln - eigentlich allen seinen Jüngern, also auch uns - will Jesus durch dieses Bild illustrieren, warum seine Aufforderung gilt: "Fürchtet Euch nicht!". Allerdings geht es für die Jünger damals um einen sehr konkreten Anlass zur Furcht: Das Bekenntnis zu Jesus konnte damals staatliche Verfolgung, ja den Tod bedeuten. Den Jüngern würde es nicht besser gehen als ihrem Meister
- Und dennoch fordert Jesus sie auf, sich nicht zu fürchten. Statt das Evangelium auf Sparflame zu kochen und für sich zu behalten, sollen sie furchtlos davon reden, wer ihr Herr ist und an wen sie glauben - so sehr die Herren dieser Welt sie dafür auch verfolgen. Damit behält die Aufforderung zur Furchtlosigkeit auch für uns, jenseits blutiger Christenverfolgung, ihre Gültigkeit: Angesichts all dessen und derer, was sich als Herr über uns aufspielt, sollen wir furchtlos daran festhalten, das Evangelium von der Treue und Liebe Gottes zu leben und zu verkündigen.
- Was ist uns wichtiger: Unsere physische und materielle Existenz, oder unser ganzes Leben? Klar ist die Aufforderung Jesu, das zu sehen. Es gibt Bedrohungen unserer materiellen Existenz, die uns Sorgen machen. Zu Recht. Aber es gibt auch die Bedrohung, unsere Selbstachtung, unsere Verbindung zu Gott, das was die Tradition das Seelenheil nannte, zu verlieren. Wenn wir das Überleben sichern und dafür das Leben opfern, haben wir nichts gewonnen. Selbst wenn einer unsere physische Existenz auslöschen kann, in der Verbindung zu Gott ist unser ganzes Leben, die Seele als Einheit unserer ganzen Existenz, über alle Grenze des Todes hinaus bewahrt. "Fürchtet euch nicht!"
2. Gott, der Allherrscher
- Die Welt läuft nicht ab ohne Gott. Der Schöpfer der Welt ist der Allmächtige, genauer gesagt, der pantokrator, aus dessen Zuständigkeit nichts herausfällt. Selbst Spatzen, die vom Himmel fallen, tun dies nicht ohne Gott. Unsere Bibelübersetzung ergänzt zwar "nicht ohne den Willen" Gottes. Das aber ist schon Interpretation. Im griechischen Original des Evangelium steht nicht, ob es der Wille Gottes ist, dass der Spatz vom Himmel fällt, sondern lediglich: "er fällt nicht" ohne Gott.
- Natürlich gibt es Ursachen für alles was geschieht. Ob der Spatz im Flug einen Schlaganfall hatte oder ihn ein Blitz getroffen hat, wer weiß. Für unseren Glauben und für die Bibel besteht keine Konkurrenz und kein Widerspruch zwischen der Gültigkeit der Naturgesetze und der Allmacht Gottes. Vielmehr ist die Weisheit, nach der die Natur funktioniert, für die Bibel eine Seite Gottes. Gott hat die Welt erschaffen. Gott lenkt sie nach den Gesetzen seiner Schöpfung und Evolution. Oberflächlich ist alles nur Mathematik. Der Glaube sieht in den Ereignissen dieser Welt die Bedeutung, die alles haben kann, im Blick auf Gott und unser Leben mit Gott.
- Ob Spatzen vom Himmel fallen weiß ich nicht; man hat schon Pferde kotzen sehen, warum also nicht auch Spatzen fallen. Jesus mag dieses Bild gebraucht haben, um nicht ohne Humor zu sagen, dass selbst das kleinste Ereignis nicht ohne Gott geschieht. Und Spatzen waren der Sonntagsbraten der Ärmsten der damaligen Zeit; ein winziges Stückchen Fleisch, um den Preis einer Tagesration Brot zu erwerben. Das Bild lässt also gerade die Ärmsten aufhorchen, die sich keinen Lammbraten leisten können. Zugleich sagt auch Jesus gar nicht, dass der Spatz "nicht ohne Gott" vom Himmel falle, sondern er sagt: "nicht ohne euren Vater". Es geht also überhaupt nicht um eine hochspekulative Theorie der Vorsehung eines jenseitigen Gottes. Vielmehr ist der Grund unseres Vertrauens, dass Gott sich in Christus als unser Vater offenbart hat. Ein göttlicher Vater, dem auch und gerade jeder der Ärmsten unendlich wertvoll ist. Jedes seiner Haare ist ihm vertraut!
3. Wir sind Gottes Vorsehung
- Jeder Satz des Evangeliums steht in einem Zusammenhang. Das sollten wir nie vergessen, sonst verstehen wir ihn nicht. Das heutige Evangelium steht im Kontext der Aussendung der Apostel, d.h. der "Gesandten", durch Jesus. Im Credo bekennen wir den Glauben an die Apostolische Kirche. Damit bekennen wir, dass wir durch Taufe und Firmung in dem Zusammenhang des heutigen Evangeliums leben: Gesendet durch Christus. Im eigenen Namen ist Reden nur Silber, Schweigen aber Gold. In Jesu Namen sollen wir von den Dächern verkünden, was uns aufgetragen ist.
- Als Getaufte sind wir berufen und gesandt. Berufen sind wir durch Gottes Ratschluss. Gesandt sind wir mit unserem ganzen Leben. Was wir dem geringsten Menschen tun oder nicht tun, tun wir dem Herrn oder verweigern wir ihm. Die Dimension ist furchterregend und erschreckend, dass alles, was wir sagen und tun, gültig ist im Himmel und auf Erden, vor den Menschen wie vor dem göttlichen Vater.
- Die Gottesfurcht aber wirkt Furchtlosigkeit. Selbst im Fallen des Spatzen ist Gott gegenwärtig. Der Mörder mag denken, dass nur seine eigene Kraft das Messer führt. Doch selbst die Kraft, die sich gänzlich Gottes Willen entzieht und eigenen gewalttätigen Gedanken folgt - selbst diese Kraft wäre nicht, käme sie nicht von Gott. Deswegen brauchen wir keine menschliche Macht und Kraft zu fürchten, so lange wir uns an den lebendigen Gott und seinen Willen halten. Wenn wir die Liebe leben, die er uns aufgetragen hat, wird durch uns, ja uns, sichtbar, wohin Gottes Vorsehung diese Welt führen will. Amen