Predigt zum 25. Sonntag im Lesejahr B 2003 (Markus)
Zurück zur Übersicht von: 25. Sonntag Lesejahr B
21. September 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
. Männer
- Eine in diesen Fragen gewöhnlich gut unterrichtete Bekannte hat
mir versichert: Männer seien merkwürdige Wesen. Als kleine Jungs geben
sie sich alle
Mühe wie erwachsene Männer zu sein, und sind sie dann alt genug,
schaffen sie es nicht erwachsen zu werden.
- Stimmt diese Beobachtung, muss ich mit einer
geschlechtsspezifischen Behinderung beim Verständnis des heutigen
Evangeliums rechnen. Denn Jesus stellt
ein Kind in die Mitte der Jünger. Er erklärt ihnen: wer ein solches Kind
aufnimmt, der nimmt ihn, Jesus, auf. Und wer ihn aufnimmt, der nimmt
niemand
geringeren auf, als Gott selbst.
- Mit diesem Kind meint Jesus keinen coolen Halbwüchsigen, der die
Hackordnung perfekt beherrscht und den die Konsumwerbung umgarnt. Er
meint auch
kein Kind im Manne, wo der Mann nicht erwachsen werden und Verantwortung
übernehmen will. Das Kind ist für Jesus das schutzlose Wesen, das ohne
Macht und Einfluss ist.
2. Jesu Lehre
- Die Geste, in der Jesus ein Kind in die Mitte der Jünger stellt,
steht im Zusammenhang. Auf dem Weg nach Jerusalem will Jesus mit den
Jüngern allein
sein, denn, so heißt es, "er wollte seine Jünger über etwas belehren".
Zum zweiten Mal kündigt Jesus an, was ihm mittlerweile klar vor Augen
steht. In
Jerusalem wird sich die Situation zuspitzen. Seine Lehre von der
Barmherzigkeit Gottes wird an der Unbarmherzigkeit der Menschen
zerschellen. Aber, so
fügt er gleich hinzu, die Gewalt der Menschen wird nicht das letzte Wort
behalten. Gott wird den Tod überwinden.
- Männer fragen nie nach dem Weg. Die Jünger scheuen sich, so
vermerkt das Markusevangelium, Jesus nach dem Sinn seiner Worte zu
fragen. Sie spüren
wohl, dass Jesu Ankündigung ihr eigenes Leben betrifft. Sie ahnen, dass
das Apostelsein anders wird, als es bisher schien. Aber sie stecken
lieber den Kopf
in den Sand und tun so, als müssten sie nie erwachsen werden.
- Statt dessen lassen sie Jesus vorgehen und spielen unter einander
das Spiel, das sie so gut beherrschen. Sie vergleichen und bewerten. Sie
sprechen
darüber, wer von ihnen der Größte sei. Sie haben nicht verstanden, dass
der Menschensohn, der Mensch schlechthin, dass Jesus, ihr Herr und
Meister, die
Spielregeln außer Kraft gesetzt hat. Sie haben nicht verstanden und
scheuen sich zu fragen.
3. Gott aufnehmen
- In diesem kurzen Abschnitt finden wir das ganze Evangelium wieder.
Hier ist die Situation einer Welt, die nach unten und oben bewertet. Wo
einige oben
sind oder oben sein wollen, auch wenn das nur um den Preis geht, dass
andere unten sind. Und hier ist ein Gott, der diese Regeln ins Leere
laufen lässt,
indem er nicht mitspielt. Jesus mimt nicht den Großen, nicht den
machtvollen Gesandten Gottes, sondern erleidet die Konsequenz dieser
Regeln am
eigenen Leib, um am eigenen Leib zu erfahren, dass Gott die Opfer dieses
Spieles erhört und zum Leben, zum wahren Leben, bringt.
- Es ist nicht leicht, diesen Weg Jesu mitzugehen. Ich kann die
Jünger verstehen, die sich scheuen zu fragen. Denn was bedeutet das und
wie läuft das, mit
Jesus das Spiel von oben und unten zu ändern? Wie können wir als Kirche
die Botschaft Jesu leben?
Bin ich im Unrecht, wenn ich als Priester hier oben stehe oder sitze?
Ich vermute aber, dass Sie nicht sehr zufrieden wären, wenn ich mich
runter setze und
die Predigt ausfällt. Ist etwas gewonnen, wenn einer von uns sich
weigert, Verantwortung zu übernehmen, auch Leitung, auch Macht? Es hilft
nicht, den
Sand in den Kopf zu stecken. Uns ist das Evangelium in unsere Situation
hinein verkündet. Das Evangelium gilt jedem von uns und hier im Raum der
Kirche den Priestern und Bischöfen besonders.
- Den Weg, den Jesus uns führen will, macht er an dem Kind deutlich.
Wir sind berufen, keinen geringeren als Gott in unsrer Mitte
aufzunehmen. Wir
können das, indem wir Jesus aufnehmen. Wir tun das, wo wir ein Kind
aufnehmen. Es ist die alltägliche Praxis im Umgang mit denen, die
allgemein nichts
gelten, die uns zu Christen macht. Wo wir die Welt von ihnen her sehen,
wo wir den Standpunkt derer einnehmen, die kein Ansehen und keine Rechte
haben, wo wir nicht auf Reichtum, Schönheit, Jugend und Erfolg fixiert
sind, dort sehen wie die Welt mit den Augen Jesu und mit den Augen
Gottes. Dies
ist eine tägliche Übung. Die Geste Jesu vor Augen gelingt sie uns
vielleicht. Amen.