Predigt 2007 zum 6. Sonntag im Lesejahr C
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11.02.2007 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt/Main
Gottesdienst mit Segnung zum Valentinstag
Auch wenn der übersetzte Titel des
Films abschreckend klingt, ist "Schräger als Fiktion" (Stranger
Than Fiction, USA 2006) von Marc Forster (Monsters' Ball) ein intelligenter
und unterhaltsamer Film zugleich. Harry Crick, dessen Leben pedantisch geordnet
ist, wacht eines morgens auf und hört eine Stimme, die in gewählter
Sprache literarisch beschreibt, was er gerade macht. Wie das funktioniert
erklärt der Film nicht, aber es ist die Stimme der Schriftstellerin
Karen Effiel, die gleichzeitig an einem Roman sitzt und meint, Harry, über
den sie schreibt, sei ihre Romanerfindung. Ist es aber nicht. Und so liefert
der entstehende Roman die Deutung zu Harrys Leben - was er und nur er immer
wieder mit anhören muss. Und so kommt irgendwann die Frage, wie dieser
Roman wohl auffhört, zumal wenn er sich als Tragödie erweist.... |
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1. Der Roman des Lebens
- Einen Roman, in dem nichts zusammenpasst, würden wir bald aus der Hand
legen. Bestenfalls ist er doch so spannend geschrieben, dass wir hoffen, dass
wenigstens am Ende die vielen verwirrenden Puzzlesteine zusammenpassen. Denn
das erwarten wir doch zu Recht von jedem guten Roman oder auch Film, dass
es irgendwie zusammenpasst.
- Ob unser eigenes Leben nach diesem Maßstab einen guten Roman abgäbe?
Viele Details, Begegnungen, angefangene und abgebrochene Wege, selten nur,
dass alles in ein geordnetes Drehbuch passen würde. Und vor allem ist
das Ende unabsehbar. Es wäre ja schon allein interessant zu wissen, zu
welchem Genre unser Leben gehört: Drama, Komödie oder doch Tragödie.
Würden wir dann ahnen, wie die Geschichte weiter geht?
- Und ein weiteres Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn von einem guten
Autor unser Leben als Roman geschrieben würde, während wir noch
mitten drin stecken? Was wäre, wenn uns Tag für Tag vorgelesen würde,
wie sich die Puzzelteile unseres Tages verdichten zu einer Erzählung
- als Komödie oder Tragödie? Ich bin mir sicher, es würde radikal
die Weise ändern, wie wir leben. Wir würden bewusster leben. Vielleicht
hektischer, weil am Ende ja doch der Tod steht, vielleicht liebevoller, weil
wir ahnen, dass jede Stunde wertvoll ist. Sicher aber würden wir aufmerksamer
leben, weil die Details nicht belanglose Zufälle sind, sondern Teil einer
Dramaturgie.
2. Selig die um ihrer selbst willen geliebt werden
- Das Drehbuch für unser Leben gibt es nicht. Noch ist dieser Roman nicht
geschrieben. Aber ich glaube, dass unser Leben dennoch nicht belanglos ist,
nicht eine Aneinanderreihung von Zufällen. Es ist das Geheimnis Gottes,
dem unser Leben ebenso wertvoll ist wie unsere Freiheit. Gott hat kein Drehbuch
geschrieben, nach dem alles festgelegt ist. Und doch fügt sich im liebenden
Blick Gottes jeder Schritt zusammen zu dem Weg, den Gott mit uns geht. Dieses
Geheimnis ist nicht so recht in Worte zu fassen. Denn wir können uns
etwas nur vorstellen nach dem Maßstab unserer begrenzten Welt. Und darin
heißt es, dass entweder ich bestimme, wo es langgeht, oder ein anderer
(wenn überhaupt jemand). Vielleicht gibt es aber doch die Liebe, die
uns ganz frei sein lässt und doch deutlich in unser Leben hinein zu uns
spricht.
- Versuchen wir das Evangelium aus dieser Perspektive zu sehen. Es ist Einspruch
und Einladung. Der Einspruch ist das "Wehe". Die Einladung das "Selig".
Es ist nicht leicht, das an uns heranzulassen, sondern ein Weg, vielleicht
ein weiter, aber ein lohnender. Denn das "Weh euch", das Jesus benutzt,
ist genommen aus der Klage, wie sie bei der Trauerklage für einen Toten
verwendet wird. Jesus weist uns also auf das hin, wo wir dem Abgestorbenen
näher sind als dem Lebendigen. Und das je mehr, je mehr wir die wirklich
Armen klammheimlich verachten und nicht spüren, dass sie die von Gott
bevorzugt geliebten sind.
- Der Weg, auf den uns Jesus mit seiner Provokation führen will, ist
die Liebe. Denn Liebe ist das Geheimnis, dass uns einer annimmt, wie wir sind.
Nicht wegen unseres Reichtums, nicht weil wir so interessante Freunde haben,
überall hoch angesehen sind und uns "alle Menschen loben". Vielmehr
als unverwechselbare Menschen liebt uns Gott. Und darin liegt der Weg, wie
auch Menschen einander lieben können. Jesus meint, dass wir dazu nur
fähig werden, wenn wir uns auf den Weg machen, die Armen und Hungernden,
die Trauernden und sozial Ausgegrenzten als Ort der Gegenwart Gottes zu entdecken.
3. Gespannt wie der Roman weiter geht
- Die Provokation der Rede Jesu kann der Anstoß sein. Vollends Wirklichkeit
wird es nur, wenn wir uns auf das Wagnis einlassen. Natürlich stecken
wir erst einmal in den Details fest, die wir haben. Was einer hat, ist unmittelbar
zu sehen, nicht hingegen was er ist. Aber Menschen können es wagen, sich
von dem "Ich liebe dich weil..." zu dem "Ich liebe dich!" vorzutasten. "Selig,
ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes", kein anderes Reich
und kein anderer Reichtum, aber Gottes Liebe, die ihr empfangen und weiter
schenken könnt.
- Die Übung, auf diesem Weg zu gehen, wird sein: Mein Leben anders zu
sehen. Nicht mehr als zusammenhangloses Detail, sondern als einen spannenden
Roman, den Gott zusammen mit mir schreibt. Was jetzt nur Armut ist, kann dann
als Reichtum entdeckt werden. Was jetzt sinnlos erscheint, bekommt dann Sinn.
- Selig sind, die Gott einen Menschen begegnen lässt, der oder die mit
ihnen diesen Weg geht. Aber selig vielleicht auch, die jetzt noch trauern,
weil sie einsam sind und nur verpasste Chancen sehen. Es könnte sein,
dass jetzt gerade ein wichtiges Kapitel geschrieben werden kann. Darin bekomme
ich erst einmal Zeit, aus den Mauern meiner Selbstsicherheit und meines 'Reichtums'
auszubrechen. Der Roman ist damit noch lange nicht an seinem Ende. Aber ich
ahne, dass die Bruchstücke sich zusammenfügen können und das
Happy End ganz anders aussieht, als ich in den kurzsichtigen Momenten mir
erträumte. Amen.