Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)

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22. Februar 2009 - Hochschulgottesdienst, St. Antonius Frankfurt

1. Krankheit und Sünde

  • Was ist leichter: Sünden zu vergeben oder zu einem Gelähmten zu sagen Steh auf und geh umher? Auf den ersten Blick werden hier zwei Sachen skandalös vermischt. Auf der einen Seite eine Krankheit, vielleicht von Geburt an. Ein Mensch ist Opfer. Auf der anderen Seite Sünde, die Tat eines Menschen, mit der er sich in Freiheit von Gottes Liebe abwendet. Das sind doch zwei grundverschiedene Sachen.
  • Zum Glück hat Jesus an anderer Stelle klar gemacht, dass entgegen nicht nur damals populärer Auffassung es unzulässig ist, das Unglück, das einen Menschen trifft, mit seiner eigenen Sünde zu vermischen; so als sei das Opfer von Unglück und Krankheit doch irgendwie wegen eigener Schuld getroffen. Das aber ist Unsinn. Die Perspektive der Frage Jesu ist ganz anders. Er fragt nicht moralisch nach der Ursache von Krankheit und Schuld. Jesus sieht auf die Folge. Und die ist in beiden Fällen oft soziale Ausgrenzung. Sünde wie Krankheit begrenzen Lebensmöglichkeit. Darum ist es Jesus zu tun. Seine Heilung schafft Lebensmöglichkeit. Der Gelähmte kann wieder selbst gehen und sein Leben bestimmen.
  • Leben schaffen kann Gott allein. Jesus nimmt das für sich in Anspruch. Der Schöpfer des Lebens wirkt dort, wo Christus wirkt. Und dies ist immer an einem ganz bestimmten Ort: dort wo ein Mensch darunter leidet, dass sie oder er aus der Gemeinschaft ausgegrenzt wird. Wenn wir das Evangelium verstehen wollen, ist hier anzusetzen: Dass Gott in Jesus Christus mitten unter uns Leben in der Gemeinschaft der Menschen neu schafft - und daher auch durch die, die zu Christus gehören, schaffen will.

2. Einander tragen

  • In der Szene von Kafarnaum ist unsere Sendung geschildert, die wir zu Christus gehören. Vier Menschen tragen einen Gelämten. Er braucht andere, um zu gehen. Das Bild ist eindrücklich (weswegen es zu den Dauerhighlights von Kindergottesdiensten gehört). Der Gelämte wird von vier Freunden auf einer Tragbahre gebracht. Sie lassen sich von der Menge nicht hindern. Sie sind findig und suchen Wege zu dem Ziel, das sie sich vorgenommen haben.
  • Das bedeutet Christ sein: Mensch für andere zu sein.
    • Wo es nötig ist sie zu stützen oder gar zu tragen. Die Lähmungen sind vielfältig; nicht immer sind es nur die Beine, die nicht mehr tragen.
    • Dabei kann es nötig sein Konflikte einzugehen, manchmal mit großen Mehrheiten, manchmal mit Menschen, die eigentlich selbst Christen sein wollen, aber denen im Weg stehen, die Hilfe brauchen. Solche Konflikte erfordern oft Standhaftigkeit und Kampfeslust; in dem konkreten Beispiel im Evangelium braucht es List und Findigkeit.
    • Menschen für andere machen aber nicht von sich abhängig. Das Ziel ist, dass der Gelähmte wieder auf die eigenen Füße kommt. Das gilt für jede Form der Hilfe und Beratung.
  • Die vier, die tragen, sind Netzwerker. Keiner von ihnen kann allein helfen; es braucht alle vier, den Gelähmten zu tragen. Das bewahrt auch jeden der vier davor, sich als Allhelfer zu fühlen. Netzwerker wissen, dass es wichtig ist zu wissen, wer noch mit tragen kann - damit der Gelähmte dorthin kommt, wo er wieder selbst gehen kann.

3. Gott schafft sich ein Volk

  • Die vier Netzwerker bringen uns wieder auf die andere entscheidende Spur. Denn nicht nur dass es vier braucht, um die Krankenliege zu tragen. Die vier stellen vielmehr das Ziel dar, zu dem sie den einen tragen: dass er fähig ist in Selbststand sein Leben zu leben - zusammen mit anderen. Wenn die Lähmung nur geheilt wird, dass er in sein Einzelappartement geht, um sich dort einzuschließen, ist die Heilung nur oberflächlich.
  • An diesem Punkt, das haben wir schon gesehen, kommt die Heilung von Lähmung und die Heilung von Schuld zusammen. Schuld, eigene und erlittene, lähmt. Heilung will Gemeinschaft ermöglichen. Das verheißt der Prophet Jesaja angesichts politischer Strukturen, die sich im Unheil verfangen haben: Gott sagt: Das Volk, das ich mir erschaffen habe, wird meinen Ruhm verkünden. Gott schafft Leben, und Leben ist lebendige Gemeinschaft.
  • Wir können das erleben, wo wir uns auf die Gemeinschaft einlassen. Die vier helfen dem Gelähmten zu Jesus zu finden. Das ist nicht eine beliebige Begegnung. Das ist die Einladung, Glied zu werden am Leib Christi, der Gemeinschaft der Kirche. Das ist es genau, was wir feiern, denn wir sind die Kirche, wo wir die Heilige Messe feiern und teilhaben am Leib Christi im Sakrament. Das zeigt aber auch die Herausforderung, eine Gemeinschaft zu sein, die nicht lähmt, sondern lebendig macht, stärkt und ermutigt, das eigene Leben zu leben. Amen.