Predigt zu Gründonnerstag 2017
Zurück zur Übersicht von: Gründonnerstag
12. April 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Am Palmsonntag hatte es Attentate auf Christen in Ägypten gegeben. Die gehaltene Predigt weicht teilweise erheblich vom Manuskript ab.
1. Einschnitt
- Es ist danach nichts mehr, was es zuvor war. Dieses Mahl am letzten Abend Jesu mit denen, die ihm Freunde und Jünger sind, ist ein Einschnitt. Es ist ein Mahl, von dem Jesus wollte, dass es einen Ritus aufnimmt und neu deutet. Diese neue Form feiern wir heute. "Das ist mein Leib". Christus selbst wird zum Lamm, zum Brot, zur Mitte des Mahles. Für uns ist es die Mitte dessen, was wir als seine Kirche sind. Nach jenem Abend ist Brotbrechen für alle, die Jesus nachfolgen, ein Sakrament, heiliges Zeichen seiner Gegenwart.
- Das Johannesevangelium deutet dieses Brotbrechen durch die Fußwaschung. Jesus, der Meister, hat seinen Jüngern die Füße gewaschen. Das ist ein Ereignis, das nicht einfach ungeschehen gemacht werden kann. Selbst als Päpste noch in vollem Barock-Ornat zu prangen pflegten, konnte jeder die Spannung zur der Szene im Abendmahlsaal wahrnehmen. Gott hat sich offenbart in einem, der dient. Das ist nur schwer rückgängig zu machen. "Dass auch ihr einander.." ist ein bleibendes Wort. "Nehmt, und esst..." ebenso.
- Jesus bricht das Brot und vollzieht an seinen Jüngern den Sklavendienst. Er wäscht ihnen die Füße. Alles, was nun geschehen wird, ist von diesen Zeichen her zu verstehen. Das Kreuz, das Jesus auf sich nehmen wird, ist eine Hingabe. Sie überwindet den Graben der Schuld. Sie verzichtet darauf, Gewalt mit Gewalt zu beantworten. Die heilige Eucharistie nimmt in diesem Abendmahlssaal ihren Ursprung. Sie zeigt auf immer den Gott, sich niederbückt um zu dienen. Damit ist Macht und Größe neu definiert.
2. Schrecken und Heil
- Das Mahl Jesu nimmt Bezug auf das Pascha-Mahl, das die Israeliten vor ihrer Befreiung aus Ägypten gehalten haben. Durch die neuerlichen mörderischen Anschläge auf Christen hat der Name dieses Landes einen beklemmend aktuellen Klang. Nicht das irgendetwas die beiden Situationen damals, vor 3.300 Jahren und heute vergleichbar macht. Außer dem einen: der Gewalt.
Wie das Abendmahl Jesu nicht zu trennen ist von seinem Kreuz, so ist das Pascha-Mahl nicht zu trennen von den Schrecken, die Gott über Ägypten gebracht hat. Es sind solche Ereignisse, von denen die Menschen sagen, es sei danach nichts mehr wie davor. Wer den Schrecken der Gewalt erfahren hat, der geht gezeichnet durch die Stadt und durch das Leben. So wird es in diesen Tagen vielen koptischen Christen gehen: Warum, Gott, lässt du diese Gewalt über uns kommen?
- Christlicher wie jüdischer Gottesdienst ist immer auch erinnern und gedenken. Heilige Feier im Gedenken an das, was Menschen erlebt und erlitten haben. Unter ihnen Christus, der Menschensohn. Wir feiern das Gedenken in seinem heiligem Auftrag.
- Die Bibel des Alten und neuen Testamentes entreißt den Schrecken der Verfügung der Menschen. Menschen mögen meinen, sie hätten alles in ihrer Gewalt. Aber schon hinter den uns so befremdlichen Schilderungen des Alten Testamentes der von Gott verfügten Gewalt steht diese Erfahrung: Gott entreißt den Schrecken der Verfügung der Menschen. Er verwandelt den Schrecken in einen Ort seiner Gegenwart. Aus dem schrecklichen 'Nichts ist mehr, wie es war', wird ein heilsames, heiliges, befreiendes Neues. Die Plagen Ägyptens. Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten für Israel. Das Kreuz. Befreiung aus dem Tod für das Menschengeschlecht.
3. Heilige Zeichen der Gegenwart Gottes
- Hinter den heiligen Zeichen, die wir feiern, ist immer eine Wirklichkeit, die unendlich größer ist. Deswegen ist es ein Zeichen. Weil aber in dem Zeichen Gott selbst wirkt, können wir mit unserem Leben Anteil haben an dem, was hier geschieht.
- Dieser Abend gibt Menschen neu die Chance. Sie lädt ein, Gott das Leben anzuvertrauen - im Glauben daran, dass Jesus nicht aus sich selbst handelt, sondern aus Gott, seinem Vater. Die Schrecken des eigenen Lebens, die Schrecken derer, die mit uns Christen sind. Auch deswegen können wir nur in Gemeinschaft mit der verfolgten und leidenden Kirche, sei es in Ägypten, sei es sonst an einem Ort, als Christen Kirche Jesu Christi sein. Gemeinsam mit ihnen bitten wir Gott, dass er die Gewalt nicht beherrschend werden lässt über uns. Gemeinsam schauen wir auf den Abendmahlssaal. Hier hat Christus "am Abend vor seinem Leiden" dem Kreuz einen Sinn gegeben als seine Hingabe: Im Liebesdienst an einander, in der bleibenden Gegenwart im Sakrament, als heiliges Zeichen für alle, denen Gewalt angetan wird.
- Das Paschafest in Gedenken des Schreckens. Doch zugleich erinnert es die Erfahrungen von Hoffnung, von Rettung und Befreiung, die Momente geschenkten Glücks - die das Leben verändert haben. Unser Leben und das Leben derer, die neben uns in der Kirche sitzen, alles, was eines Menschen Leben in ein Davor und Danach trennt, kann von Gott verwandelt werden. Das ist, was wir an diesem Abend feiern. Das Waschen der Füße als Dienst der Liebe und das Mahl mit Brot und Wein als Geschenke der Liebe, sie markieren die Gegenwart Gottes. Amen.