Predigt zu Ostern am Tage 2020
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12. April 2020 - Krypta des Aloisiuskollegs Bonn-Bad Godesberg
1. Wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.
- Es ist Ostern 2020, und ich verstehe spontan die Sorge der Maria Magdalena: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ Den unwürdigen Tod Jesu am Kreuz hatte Maria mit erlitten. Jetzt will sie ihm die Würde geben, ihn anständig zu bestatten. Doch „wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“
- Zum ersten Mal kommt mir diese Trauer bekannt vor. Ich habe sie in den letzten Tagen und Wochen schon mehrfach in den Nachrichten gehört. Menschen haben ihre Angehörigen durch die Seuche verloren „wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ Sie können nicht Abschied nehmen. Sie haben keinen Ort zum Trauern. Manche wissen nichts von ihren Angehörigen, weil diese auf dem Weg zu ihren Dörfern sterben, nachdem die Tagelöhner aus den Städten der Reichen vertrieben und die Grenzen für sie gesperrt wurden. Das Sterben ist im Irgendwo, die Familien werden nie wissen wo, sie „wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“
- Vom Luxusleiden der Ungewissheit und Langeweile aufgrund von Kontaktverbot und Ausgangssperre, über die Massengräber von Bergamo, Madrid und New York bis hin zum anonymen Sterben unter den Armen, den wirklichen Opfern der Pandemie – was sie verbindet ist diese Ungewissheit selbst im Tod.
2. Die Trauer aushalten
- Petrus und der Jünger, den Jesus liebte, eilen zum Grab. Es irritiert, dass das Evangelium so auffällig betont, dass in der Grabkammer alles irgendwie aufgeräumt und ordentlich wirkt. „Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden“, merkt das Evangelium an. Sie sehen, sie glauben, aber sie verstehen noch nicht.
- Zu verstehen ist, dass nicht alles in Ordnung ist, auch wenn es so scheint. Das Grab ist leer. Das ist die Unordnung. Nach Recht und Ordnung hätte der Gekreuzigte im Grab liegen müssen. Doch Gott durchbricht mit dem leeren Grab die Ordnung des Erwartbaren. Das leere Grab ist noch nicht die Begegnung mit dem Auferstandenen, aber die Leere des Ortes ist dennoch die erste Osterbotschaft.
- Maria bleibt am Grab und trauert. Dem Engel, der sie fragt, sagt sie noch einmal: „Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben“. Vielleicht bedeutet Ostern 2020, diese Trauer zu teilen und auszuhalten. Sie ist ungezählte Male Realität.
3. Halte mich nicht fest.
- Die eigentliche Ostererfahrung beginnt ganz intim, ganz individuell, ganz persönlich. Die beiden Jünger und die Gemeinde sind fern. Maria ist allein am Grab.
- Ich habe Ehrfurcht vor diesem Augenblick. Zwei Mal heißt es „Da wandte sie sich um…“. Sie wendet sich hin zu dem, den sie nicht kennt. Sie wendet sich nochmals um, hin zu dem, den sie als ihren geliebten Rabbuni, ihren Lehrer des Lebens, erkennt. Was immer hier geschehen ist, es hat aus der trauernden Maria von Magdala die Apóstolin Maria gemacht, die den Jüngern verkündet: „Ich habe den Herrn gesehen.“
- Ostern verspricht uns keine Erfahrung, die man festhalten kann. Keine prunkvolle Feier ersetzt die Frage an mich selbst, wem ich begegne und wer mein Rabbuni ist. Und gerade für die, die den Auferstandenen erkennen und glauben gilt die Aufforderung: „Halte mich nicht fest!“. Hier in dieser Welt verspricht Jesus nicht die Gewissheit und den Halt, den Maria sich zu Beginn erhofft hatte, als sie zum Grab kam. Das Grab ist leer und auch der Auferstandene kann auf dieser Welt nie festgehalten werden. Die Heimat ist erst beim Vater, zu dem Jesus hinaufgeht. Aber dieses Evangelium verkündet dennoch in die Unsicherheit der Zeit hinein: Ich habe ihn gesehen! Mir wurde die Hoffnung geschenkt! Wir dürfen die Freude feiern, auch und gerade heute: Der Herr ist wahrhaft auferstanden! Amen.