Predigt zu Weihnachten in der Nacht 2023
Zurück zur Übersicht von: Weihnachten in der Nacht
24.12.2023 - St. Sebastianus, Sinzig-Bad Bodendorf
1. Zur Ehre
- Wie mag die Gottesmutter, wie mag Josef auf dieses Kind geschaut haben? Auf das Baby, das aufwachsende Kind, den Jungen, den Mann Jesus? – Eltern wollen auf ihre Kinder stolz sein. Das ist so. Sie wollen stolz auf die Kinder sein. Wenn da kein Druck dahinter ist und nicht nur etwas vorgespielt werden soll, nur um nach außen gut dazustehen, ist dies auch ganz in Ordnung. Gute Eltern wissen zudem, dass sie auch dann auf ihre Kinder stolz sein können, wenn diese sich dort durchsetzen, wo die Eltern Unrecht gehabt haben.
- Trotzdem bleibt das etwas zweischneidig. Niemand ist nur 'Kind der eigenen Eltern'. Ja, wer Eltern hatte, für den bleibt dies im Guten wie im Schlechten ein ganzes Leben die prägende Beziehung. Dennoch, jede und jeder ist zuerst sie oder er selbst: Du bist unverwechselbar, einmalig du selbst, nicht nur Kind anderer Menschen. Du hast nicht die Funktion, gut zu sein und viel zu leisten, damit deine Eltern besser dastehen. Du darfst nicht nur eine Funktion in der wackeligen Lebensgleichung deiner Eltern sein.
- An Weihnachten ist es gut, daran zu erinnern. Denn auch das Kind, das da in Betlehem geboren wird, ist weder eine 'Funktion' in der Gleichung seiner Mutter noch seines himmlischen Vaters. Denn hier wird Gott Mensch, ein einfacher Mensch. Somit gilt auch für Jesus: Kein Mensch ist 'Funktion'. Gott wird als Mensch geboren, auch hier ganz unverwechselbar mit einer Geschichte, einem eigenen Charakter.
2. Der Mensch
- Die Engel an Weihnachten singen: "Ehre sei Gott in der Höhe". Der Heilige Irenäus aus der französischen Stadt Lyon gehört zu den ganz frühen Christen. Er hat gesagt: "Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch” (Irenäus von Lyon, Adversus Haereses IV, 20, 7). Gott hat diese Welt geschaffen. Seine Freude ist es, wenn diese Welt gut ist. Seine Ehre ist die lebendige Schöpfung. Dennoch ist die Schöpfung nicht eine Funktion in göttlichem Plan.
Gott ist der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erden, unverfügbar, heilig. Das ist ein Unterschied: Wo wir meinen, zur ‚Funktion’ in der Gleichung Gottes gemacht zu werden, irren wir uns über Gott. Denn bei Gott und nur bei Gott können wir ganz zur Ehre Gottes leben ohne zum Funktionär zu werden und funktionieren zu müssen. Das unterscheidet den einen Vater Unser aller im Himmel von den irdischen Eltern. Denn Gott ist bereits alle Herrlichkeit und Ehre; nichts könnte sie mehren.
- Hinzu kommt ein Zweites: Nicht erst der Wundertäter Jesus ist zur Ehre Gottes. Als Mensch ist schon das Kind von Betlehem in seiner ganzen Bedürftigkeit zur Ehre Gottes. Als Mensch ist Jesus mit all seiner Kraft, Gutes zu tun, zur Ehre Gottes. Ganz er selbst und gerade daher zur Ehre des Allerhöchsten. In der Bedürftigkeit wie im Stark-Sein für andere, immer in der Liebe: gleichermaßen zur Ehre Gottes! Wie Jesus es in der Bergpredigt sagen wird: „Damit Menschen Eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16).
- Mit ihm gilt das für einen jeden von uns: Überall, wo Du etwas Liebe schenkst, ist das gut. Zur größeren Ehre Gottes. Wo Du Dich für Gerechtigkeit einsetzt, ist das gut: Zur größeren Ehre Gottes. Aber auch, wo Du schwach sein kannst: Auch das ist zur größeren Ehre Gottes. Selbst wo du - wie Jesus ein Kreuz tragen musst. Auch das kann zum Ort werden, an dem Du zeigst, dass Du Vertrauen hast. Zur größeren Ehre Gottes.
Selbst, wo wir Menschen schuldig werden, ist nicht unsere Schuld, wohl aber unser Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes zu seiner größeren Ehre.
3. Echter Frieden
- Im Gloria singen die Engel den Hirten von Betlehem: "Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens". Man kann das auch übersetzen: "Frieden denjenigen Menschen, über die Gott sich freut." Mit der Ehre Gottes ist unmittelbar die Hoffnung auf Frieden verbunden. Die auffällige Formulierung, die wir mit Luther mit "den Menschen seines Wohlgefallens" übersetzen, macht aber deutlich, dass Weihnachten nicht automatisch Frieden bedeutet. Nicht immer ist Grund für Freude, Wohlgefallen. Und deswegen ist es wichtig, im Herzen die Kunst zu beherrschen, das zu unterscheiden.
- Der Heilige Ignatius von Loyola hat diese Unterscheidung der Geister lernen müssen. Dabei hat er gemerkt: Ein wichtiges Zeichen dafür, ob ich auf dem guten Weg bin oder nicht, ist die Frage, ob ich im Herzen etwas von diesem Frieden Gottes spüre oder nicht.
Ignatius war nach einer Verletzung lange krank, hatte nicht viel zu tun, und konnte deswegen aufmerksam werden für die Bewegungen in seinem Herzen. Dabei hat er gemerkt: Wenn ich mein Leben verbessern will, dann zeigt mir ein Frieden im Herz, was mir dabei hilft – und was nicht.
- Als er darüber nachgedacht hat, seine Karriere als Ritter fortzusetzen und in Kämpfe zu gehen, fand er das erst faszinierend und hat lange davon geträumt – aber es hat ihm keinen Frieden ins Herz gebracht, sondern nur Leere. Da war sonst nichts.
- Als er darüber nachgedacht hat, was er mit seinem Leben Gutes anfangen könnte, da war das anders. Auch darüber hat er lange nachgedacht – und anschließend hat er in seiner Stille auf dem Krankenbett viel Frieden im Herzen gespürt.
- Da wusste er: Das erste waren Gedanken von einem Geist, der mir im Leben mehr schadet. Das andere waren Gedanken vom guten Geist Gottes. Deswegen nannte er das "Unterscheidung der Geister".
Später aber hat Ignatius noch eine andere Erfahrung gemacht, vor allem, als er andere Menschen begleitet und ihnen geholfen hat:
- Der Geist Gottes gibt nur dann Frieden, wenn ich selbst etwas Gutes tun will.
Wenn ich aber eigentlich an meinen alten Gewohnheiten und Bequemlichkeiten festhalten will, dann ist es umgekehrt: Wenn es mich unruhig macht und mich nicht "friedlich" lässt, dann ist es eher der Geist Gottes.
- Wenn ich hingegen im Nachdenken das Gefühl habe, ich kann doch jetzt einfach in Ruhe gelassen werden, wenn ich die Tür des Herzens zuknalle, um krampfhaft meinen Frieden zu haben: dann ist das wahrscheinlich der Geist, der mir letztlich nicht hilft, sondern schadet. Dann ist es nicht der Geist, der das Gute in mir fördert, sondern der mit dem Guten in mir nichts anfangen will.
- "Frieden", singen die Engel, den Menschen von Gottes Wohlgefallen. Diesen Frieden wünsche ich Ihnen und wünschen wir uns an Weihnachten. Wir wünschen ihn den Menschen in der Ukraine, in Israel und Palästina, in Myanmar und Somalia, in Mali und an so vielen Orten. Zugleich bitten wir Gott, dass er uns die Gabe schenkt zu unterscheiden, welcher Geist uns bewegt und worauf sein Wohlgefallen ruht. Denn nur so können wir anfangen Frieden zu schaffen, jede und jeder, unverwechselbar Kind Gottes.