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3. Dezember 2023 - St. Peter, Sinzig
1. Seid wachsam
Advent ist keine besinnliche Zeit. Advent ist Zeit, zur Besinnung zu kommen. „Seid wachsam“ mahnt Jesus im Evangelium. – Wir sollen wach und aufmerksam sein, was die Stunde schlägt und was jetzt zu tun ist.
Und ja, vor allem junge Menschen wissen, dass unbeschreiblich viel zu tun wäre. Viele Ältere, die etwas tun könnten, sind hingegen damit beschäftigt zu klagen, dass es nicht mehr so ist, wie es angeblich einmal war. Bei ihnen hat in Deutschland auffällig die Partei die meiste Zustimmung, die keine realistischen Alternativen benennt, sondern nur sagen kann, was sie nicht will – und das tut sie dann sehr laut und ohne Rücksicht auf Verluste.
„Seid wachsam“. Dazu haben wir heute wieder einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört. Der Text stammt aus einer Zeit, in der aus der Perspektive des Volkes Israel alles daniederlag. Jerusalem und der Tempel sind zerstört. Die Bevölkerung wurde verschleppt und zerstreut.
Für mich das Entscheidende an dieser Lesung ist, dass hier die Schuld nicht bei anderen gesucht wird. „Wir sündigten“, heißt es da ohne Umschweife. Die Frage an Gott, die der Prophet stellt, heißt daher nicht: Wie konntest Du, HERR, ‚das‘ zulassen. Sondern: „Warum lässt du uns, HERR, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, sodass wir dich nicht fürchten?“ – Der Unterschied zu der in der Neuzeit üblichen Theodizee-Frage („Wie kann Gott das zulassen“) ist groß. Jesaja weiß, wie Gott in dieser Welt wirkt: durch die Herzensmitte des Menschen.
2. Bekehrt euer Herz
Eine über zweieinhalb Jahrtausend alte Prophetenbotschaft weiß nicht, was heute in all unseren Krisen zu tun ist. Aber sie kann uns helfen, nicht nur schnelle, oberflächliche Lösungen zu suchen, sondern an die Wurzel zu gehen: Das verhärtete Herz.
Mit Herz meint die Bibel nicht, wie wir heute meist, die emotionale Ebene im Unterschied zur rationalen. Beides ist mit gemeint. „Herz“ hingegen meint darüber hinaus in der Bibel den ganzen Menschen von der Mitte her. Vom Rand her ist geschäftiges Tun und allzu oft das Herumlavieren, mit dem wir versuchen, alles so zu lösen, als ginge es uns selbst letztlich nichts an.
So lassen sich weder die kleinen, noch die großen Probleme lösen. Wo ich nicht bereit bin, mich verändern zu lassen, wird sich nichts zum Besseren verändern. Oder biblisch knapp: Ohne Umkehr geht es nicht.
3. Traut euch Gott an
Dasselbe drück der Prophet am Ende des Abschnittes noch in zwei weiteren Bildern aus, die er miteinander verbindet: „Doch nun, HERR, du bist unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.“ Gott ist wie ein guter Vater und eine liebende Mutter auf unserer Seite, das ist das eine Bild. Gott ist der Töpfer, dem sich der Ton anvertrauen darf, dass Gott aus gutem Material Gutes formt. Das ist das zweite.
Das Gute, das Gott zu formen vermag, ist ein Mensch und ist eine Gemeinschaft von Menschen. Gott löst nicht mal eben von oben her unsere Probleme. Die Bibel ist kein Rezeptbuch für Staats- und Umweltkrisen, Terrorismusbekämpfung und konkrete Friedenspolitik. Das ist der Menschen Sache.
Was es jedoch braucht, sind Menschen, die durch die Schule Gottes gegangen sind – oder durch Gottes Töpferwerkstatt. Was es braucht sind Menschen, die von ganz Innen her auf ihren himmlischen Vater vertrauen, die wach sind. Menschen die nicht nur bereit sind, sich neuen Fragen zu öffnen, sondern auch fähig, sich infrage stellen zu lassen. Menschen, die im besten Sinn zur Besinnung kommen.
Um es noch einmal mit Jesaja zu sagen: Menschen, die sich von Gott erschüttern lassen. „Wir sind geworden wie die, über die du nie geherrscht hast, über denen dein Name nie ausgerufen wurde. Hättest du doch den Himmel zerrissen und wärest herabgestiegen, sodass die Berge vor dir erzitterten.“ – Doch, Gottes Namen ist über uns ausgerufen, unsere Namen sind in seine Hand geschrieben. Von ihm dürfen wir uns erschüttern lassen. Gott kann es zum Guten wenden.