Predigt zum 10. Sonntag im Lesejahr C 2010 (Lukas)
Zurück zur Übersicht von: 10. Sonntag Lesejahr C
6. Juni 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Auferweckung und Auferstehung
- Dieses Evangelium heute handelt nicht von der Auferstehung von den Toten. Mit Auferstehung
meinen wir Christen vielmehr, dass es über und nach dem irdischen Leben ein Leben in der
Gemeinschaft mit Gott gibt. In der Auferstehung begegnen wir Gott mit allem, was wir sind. Die
Bibel nennt das "in unserem Leib". Aber es ist der Auferstehungsleib in der anderen Welt. Die Bibel
nennt das "im Himmel".
- In diesem Evangelium heute aber wird nur berichtet, dass ein Kind, das schon zu Grabe getragen
wurde, durch Jesu machtvolles Wort wieder auferweckt wird. Es kehrt in dieses Leben zurück. Es hat
wieder die Beziehung zu seiner Mutter und all den anderen Menschen auf Erden. Ob es durch dieses
Ereignis Gott näher gekommen ist, wissen wir nicht.
- Und doch hat das Evangelium von der Auferweckung eines jungen Mannes vor den Toren des
Städtchens Naïn etwas mit der Auferstehung der Toten zu tun. Unter den Wundern, die von Jesus in
den Evangelien berichtet werden, ist die Auferweckung eines Toten nicht besonders herausgehoben.
Dennoch verweist dieses Zeichen auf eine zentrale Frage: Was hat die Auferstehung, auf die ich nach
diesem Leben hoffe, für mein Leben hier zu bedeuten?
2. Angst vor dem Tod
- Es sieht so aus, als käme der Tod in unserem Leben nicht vor. Nur auf dem Bildschirm und auf der
Leinwand, da ist er merkwürdiger Weise allgegenwärtig. Aus dem Alltag aber ist er verbannt. Wir
sehen ihn nicht, wir sprechen nicht über ihn.
- Das "Nicht-Sprechen" vor allem sollte stutzig machen. Es ist eine alte Erfahrung, dass wir das nicht
beim Namen nennen, was uns am meisten Angst macht - "He who shall not be named" heißt es bei
Harry Potter. Christen sollten eigentlich daran erkennbar sein, dass sie die Angst nicht haben, den Tod
beim Namen zu nennen. Bei der Hochzeit heißt es "... bis dass der Tod uns scheidet"; bei der
Beerdigung beten wir zum Schluss "für den aus unserer Mitte, der als erste dem Verstorbenen vor das
Angesicht Gottes folgen wird."
- Den Tod so beim Namen nennen, heißt bekennen, dass er keine Macht über uns hat. Das bedeutet
nicht, dass der Tod nicht schmerzhaft ist. Das ist er auch für Menschen, die fest in Gott verwurzelt
sind. Aber der Tod hat in dem Maße keine Chance, Macht über uns durch das Mittel der Angst zu
gewinnen, in dem wir nicht den Tod, sondern den Auferstandenen als Herrn, als Kyrios, erkennen.
Das Bekenntnis "Jesus Christus ist der Herr" und "Er ist von den Toten auferstanden" kann so zur
Gegenwehr gegen die Alltagsmacht des Todes werden.
3. Trennung und Gemeinschaft
- Vielleicht wird das, was ich meine klarer, wenn wir über die kleine Schwester des Todes sprechen:
die Trennung. Genau genommen ist der Tod die große Trennung von allen Beziehungen und von
"meiner Welt" wie ich sie kenne. Wer in seiner Beziehung in ständiger Angst vor Trennung lebt, der
könnte sie dadurch erst herbeiführen. Denn Liebe baut auf Vertrauen und kann die Gegenliebe nicht
erzwingen. Wer den Geliebten festhält, liebt nicht einen anderen, sondern nur sich selbst - und wird
deswegen das verlieren, was er bewahren will.
- So ist denn der entscheidende Punkt beim Evangelium das Vertrauen. Jesus setzt mitten in der Welt
ein Zeichen, das denen, die ihm nachfolgen, Vertrauen geben kann. In der Gemeinschaft mit diesem
Herrn können sie loslassen und ihr Leben hingeben. Es kann ihnen nicht genommen werden. Lukas
gestaltet seine Schilderung bewusst im Anschluss an die Erweckung eines Kindes durch den
Propheten Elias, die wir als erste Lesung gehört haben. Während Elias sein inständiges Gebet an Gott
richtet, ist es Jesus selbst, der mit seinem machtvollen Wort den Tod zurückweist.
- Die Auferweckung des Jungen von Naïn ist nicht die Auferstehung von den Toten, sondern eine
Auferweckung innerhalb dieses Lebens. Es ist ein bewusst fast beiläufiges Zeichen: zufällig kommt
der Beerdigungszug Jesus entgegen, und Jesus stoppt diese Prozession des Todes. Das Zeichen gilt
uns. Uns soll es hier, in dieser Welt, Mut machen, nicht ängstlich alles festzuhalten und krampfhaft
alles zu kontrollieren. Wir dürfen es wagen, im Akt der Liebe zu schenken. Wir dürfen es wagen, den
geliebten Menschen und das geliebte Leben nicht zur Gegenliebe zwingen zu wollen. Grund dieses
Vertrauens ist, dass der Ursprung des Lebens uns sein Wort gegeben hat. Dafür ist Gott Mensch
geworden. Amen.