Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Schüler Stufe 10-11 der Sophie Barat Schule, Hamburg 2012

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17. April 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

"Die Tribute von Panem" ist der erste Teil einer Trilologie, in der die Romane "The Hunger Games" von Suzanne Collins verfilmt werden. Der erstaunliche Genremix aus Teenie-Thriller, 1984 und Robocop geht dank einer klugen Geschichte und glaubwürdigen Charakteren auf. In einer gigantischen Medienshow werden 24 Jugendliche aufeinander gehetzt unter der Maßgabe, dass nur einer überleben darf. Die Handlung spielt in einer Zukunft, die sich nicht sehr von der Gegenwart der USA und der Spaltung in arm und reich unterscheidet, nur dass an die Stelle der Republik eine Dikatatur getreten ist.

 

1. Das Weltenrichterspiel

  • Da setzt sich einer hin. Er sagt, er ist der Sohn Gottes, und macht sich zum Richter über alle Völker und jeden einzelnen Menschen und hält Gericht. Er richtet nach seinen Regeln. Er entscheidet, wer es geschafft hat und wer nicht. Und wir sollen das so hinnehmen.
  • Ist das wieder nach dem Schema, das wir kennen: Wir haben zwar die Regeln nicht gemacht, werden aber in ein Spiel gesteckt, als seien wir Tribute an ein höheres Ganzes und sollen nun zeigen, was wir drauf haben? Ein Spiel, wo nur die Sieger zählen? Ein Spiel nach harten Regeln, in dem sie uns in Kostüme stecken, in denen wir meinen sollen, ganz groß rauskommen zu können; und dabei wäre das Ganze nur ein Teil der großen Hungerspiele, in denen wir nicht mehr als eine Rolle spielen, in denen wir bestenfalls ein paar Sponsoren finden dürfen, die uns ihr Wohlwollen schenken, ohne dass das am Weltenspiel etwas ändern würde?
  • Mir scheint: Das Bild, das uns Jesus vom großen Weltgericht gibt, ist das Gegenteil. Es ist die große Befreiung von der Heuchelei all der anderen Inszenierungen, die vorgeben die größte Show der Welt zu sein. Denn Jesus macht völlig klar: Entscheidend ist nicht das, was ich im Kampf gegen andere leiste, sondern im Kampf für andere. Ja, entscheidend ist, ob ich die Freiheit habe, mich für die Menschen zu entscheiden, die politisch, gesellschaftlich und politisch als wertlos gelten: die Hungrigen und Durstigen, die Fremden und Obdachlosen, die Menschen die nackt dastehen oder weg gesperrt wurden.

2. Maßstäbe des Weltenrichters

  • Nicht nur die Maßstäbe beim wirklichen Weltgericht sind anders, als in der Welt, in der wir schon früh auf Leistung und Erfolg getrimmt werden. Es gibt einen noch fundamentaleren Unterschied zu all den anderen Richtern, die uns vorschreiben, wie wir zu leben, was wir zu tun und zu lassen haben und wann unser Leben als erfolgreich zu gelten habe.
  • Der entscheidende Unterschied ist, dass der wirkliche Richter der Welt nicht irgendwo am Kontrolltisch jenseits sitzt, sondern mitten drin dabei ist. Das genau sagt Jesus: "Was ihr für einen meiner geringsten Schwestern oder Brüder Gutes getan habt, das habt ihr mir getan." Gott identifiziert sich in Christus mit jedem Menschen, dem wir begegnen, und besonders mit denen, die bei uns leicht durch alle Raster fallen.
  • Aber es geht noch einen wichtigen Schritt weiter: Gott identifiziert sich nicht billig, so wie wir vor dem Bildschirm sitzen und uns ein paar Gefühle leisten, wenn wir Menschen sehen, denen es schlecht geht. Gott hat selbst als Mensch gelebt; er wollte nicht auf einem fernen Thron sitzen, dem Menschenspiel zusehen, um hinterher Noten zu verteilen. Er hat vielmehr beschlossen, selbst als Mensch zu leben, um Menschen zu berufen und Kraft zu geben, anders zu leben. Das war damals nicht populär und ist es heute auch nicht. Deswegen wurde Jesus hungernd und obdachlos, ins Gefängnis gesteckt und nackt am Kreuz hingerichtet. Dieser Weltenrichter urteilt wahrlich nicht von oben herab.

3. Christus verkünden

  • Das Evangelium hat sich nicht darauf beschränkt zu sagen: Ach, übrigens, seid nett zu den Bedürftigen! Das wäre zwar auch nicht falsch, aber es wäre harmlos. Nein, in Wirklichkeit hat hier, wo dieses Evangelium verkündet wurde, eine Revolution begonnen. Die Machthaber damals hatten gedacht, sie hätten einem etwas spinnerten Gutmenschenprediger, der mit dem Anspruch lebte, dass Gott in ihm gegenwärtig ist, den Garaus gemacht, bevor er ihren Interessen schaden kann. Sie haben ihn gekreuzigt. Aber Gottes Lebensmacht war und ist stärker als diese Interessenkoalitionen des Todes. Bis heute feiern Christen, dass dieser, der wahre Gott nicht tot zu kriegen ist.
  • Und es bleibt nicht beim Feiern. Das Evangelium hat wirklich die Welt verändert. Die kleine Gruppe der ersten Christen, von denen die Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet, haben es vorgemacht: Man kann mit dem, was man hat, etwas für andere tun ohne sich einschüchtern zu lassen, wenn man weiß, dass Gott mächtiger ist als die Menschen. Durch alle Jahrhunderte seither haben Christen immer wieder durch ihr Leben gezeigt, welche Freiheit gegenüber den Zwängen einer Leistungs- und Kosumgesellschaft der Egoisten aus der Beziehung zu Gott kommt. So haben etwa Christen (und vor allem Christinnen) im 19. Jahrhundert, als der Kapitalismus für die Masse der Menschen Elend bedeutete, Krankenhäuser und Waisenhäuser aufgebaut, ohne deren Vorbild unser modernes System undenkbar wäre. Die selbe Wirkung hat auch heute noch das christliche Engagement für Arme in vielen Ländern der Erde, in deren Kultur zum Beispiel Behinderte als wertlos gelten und Christen sich dennoch um sie kümmern. Diese Arbeit dort trägt Früchte, weil sie eine Kultur verändern kann.
  • Diese Kraft zur Veränderung hat jeder Einsatz gegen die Logik der Nützlichkeit, wenn der Einsatz nicht geschieht, um sich selbst groß rauszustellen, sondern um auf Gott zu zeigen, der dazu die Kraft gibt. Wir machen es nicht, um uns bei Gott einzuschleimen, sondern weil Gott überzeugend ist. Dieser Weltenrichter ist glaubwürdig und er hat die richtigen Maßstäbe. Dafür lohnt es zu kämpfen. Diesen Gott dürfen wir feiern, wie wir es auch in diesem Gottesdienst tun. Amen.