Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus)

Zurück zur Übersicht von: 13. Sonntag Lesejahr A

27. Juni 1999 - St. Barbara, Krakau, 27. Juni 1999

1. Leben

  • Die Lesung aus dem 6. Kapitel im Römerbrief verbindet zwei Begriffspaare: Leben und Tod auf der einen Seite und Gerechtigkeit und Sünde auf der anderen Seite. Besonders auffällig ist dabei, dass Paulus davon zu sprechen scheint, dass wir mehr als ein Leben haben. Wie sonst können wir sterben und dann doch wieder leben? Genauso aber scheinen wir dann sowohl Sünde als auch Gerechtigkeit bei uns zu finden.
  • Dass unser Leben mehr als nur das eine, oberflächliche ist, merken wir selbst. Wenn ich von mir in der Einzahl spreche und Ich sage, wenn ich mir eigentlich ganz sicher bin, zu wissen, wer dieses Ich ist, wo es anfängt und wo es aufhört, dann weiß ich dennoch manchmal, dass damit vielleicht mehr verschwiegen als gesagt ist. Hinter dem Ich, das ich bin, gibt es noch das Ich, das geworden ist: so viele Einflüsse meiner Eltern, meiner Kindheit, meiner ganzen Lebensgeschichte sind auf mich gekommen, dass die Grenze meines Ich schnell undeutlich wird, wenn ich darüber nachdenke. Weder habe "Ich" erst begonnen, als ich geboren wurde, noch werde "Ich" einfachhin aufhören, wenn ich sterbe. Mit zu vielen Fäden bin ich in das Leben hineinverwoben.
  • Genauso wenig kann ich von mir klar sagen ich sei "der Sünde gestorben". Die Grenze geht unklar durch mein eigenes Herz. Dieses "Ich", das unüberschaubar Teil einer Geschichte ist, ist undeutlich und schattenhaft, sündig und doch immer wieder auf der Suche nach Gerechtigkeit. Woher nimmt dann Paulus seine Eindeutigkeit?

2. Taufe

  • Paulus spricht über den Tod und Leben im Zusammenhang der christlichen Taufe. Auch wenn das Wort nur ganz am Anfang der heutigen Lesung vorkommt, ist doch alles, was er sagt, nur verständlich als Ausdeutung der Taufe: "Wißt ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod". Das neue Leben, von dem Paulus spricht, hat also nichts mit irgendwelchen fernöstlichen Wiedergeburtsspekulationen zu tun. Es geht um ein Sterben und Auferstehen hier und jetzt.
  • Das Neue Leben, die Auferstehung ist Verheißung und Gegenwart. Es ist Gegenwart, weil wir getauft sind. Es ist also von Gott her Gegenwart. Gott hat uns - im Blick auf das Leben des Auferstandenen - in der Taufe neues Leben gegeben. Das Wichtigste an diesem neuen Leben ist, dass es uns nicht genommen werden kann. Was Gott gibt, können Menschen nicht zerstören. Das ist keine Arroganz, sondern Vertrauen, Ur-Vertrauen in den Ur-Grund des Lebens. Ein Vertrauen, das Bestand haben kann mitten in einer Welt, in der wir ständig sehen und erleben können, dass Leben mit Gewalt und Schmerz genommen wird. Dieses Leben aber kann keiner nehmen. Die Märtyrer der Kirche sind uns dafür Zeugen.
  • Aber auch das zweite Begriffspaar bekommt durch die Taufe eine neue Bedeutung. Sünde ist für Paulus gleichbedeutend mit Tod. Wenn uns auch keine äußere Macht das Leben in Gott nehmen kann, so können wir doch selbst Hand legen an diese Lebenswurzel. Das ist die moralische Seite der Taufe: es verträgt sich einfach nicht mit dem Stand des Getauft-Seins, wenn wir in der Sünde bleiben, die doch nichts anderes ist als Leugnung des Lebens, unseres Lebens, des Lebens der Schöpfung und aller Geschöpf in ihr, des Lebens Gottes.

3. Sterben um zu leben

  • Der Weg von der Sünde zur Gerechtigkeit aber ist Sterben. Die Kirche hat dies sehr bestimmt erfahren: Nicht nur das Kreuz Jesu, sondern auch die Entfremdung einer widergöttlichen Umwelt bis hinein in die eigene Familie, sind schmerzhafte Erfahrungen.
  • Wir können nicht einfachhin das Neue Leben der Taufe haben, ohne dass das Alte Leben stirbt. Wir können nicht gute Gewohnheiten erwerben, ohne uns von alten zu trennen. Wir können nicht den liebenden Blick Gottes auf die Schöpfung erwerben, ohne unseren begierigen oder von Vorurteilen und Verurteilungen getrübten Blick aufzugeben und ohne dass der alte Mensch stirbt, der die Schöpfung nur für sich haben und ausbeuten will.
  • "Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen." Diese Dialektik von Gewinn und Verlieren ist die Spannung von Sterben und Auferstehen in einer Welt, die in sich unklar ist, die Spannung unseres Ich, das so sehr noch im Gestern der Selbstgefälligkeit lebt, aber doch durch die Taufe berufen ist zum Heute und Morgen des Lebens in Christus. Dieses neue Leben besitzt die Eindeutigkeit die wir im Gestern so sehr vermissen. Daher feiern wir es auch: in der Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung Christi. Amen.