Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr C 2007 (Lukas)

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1. Juli 2007 - Hochschulgottesdienst Kaiserdom St. Bartholomäus Frankfurt

1. König ohne Land

Jesus relativiert sogar eines der 10 Gebote. Dort heißt es "Ehre deinen Vater und deine Mutter!" (Ex 20,12). Das Gebot gilt; an anderer Stelle zitiert es Jesus ausdrücklich. Aber doch wird es im heutigen Evangelium relativiert. Der Prophetenschüler Elischa durfte mit seiner Mutter und seinem Vater ein Abschiedsfest feiern. Dem einen, der Jesus nachfolgen will, verwehrt Jesus das, obwohl es doch heißt, man solle Vater und Mutter ehren.

Das gilt nach dem Kommen des Christus Jesus nicht mehr so ohne weiteres. Dem Mann, der noch Abschied nehmen will von seiner Familie, bevor er Jesus nachfolgt, wird das verweigert. Jesus sagt ihm: Wer erst langwierig von Vater und Mutter Abschied nehmen will, taugt nicht für das Königreich Gottes. Es gibt also eine Spannung zwischen den Geboten und der Verheißung des Reiches Gottes. Das mag an der Verheißung liegen, die mit dem Vierten Gebot in der Bibel verknüpft ist. Denn der ganze Text dazu aus den 10 Geboten lautet: "Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt".

Jesus ist der kommende König, Erbe des Königreiches Gottes. Darin besteht der Kern des ganzen Evangeliums. Das meint der Titel "Gesalbter", griechisch "Christos", hebräisch "Messias". Jesus ist von Gott zum König gesalbt. Aber dieser König ist ohne Land: "Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann". Die alte Verheißung der 10 Gebote wurde bezogen auf das Land, das Gott auf Erden schenkt. Die Nachfolge Jesu hat diese Verheißung nicht.

2. Freiheit

Das heutige Evangelium spielt auf dem Weg nach Jerusalem. Dort wird sich die Schrift erfüllen. Dort wird Jesus aufgenommen von der Erde und aufgenommen vom Himmel. Wie der herannahende König schickt Jesus Boten vor sich her. In einem Dorf in Samaria, das zwischen Galiläa und Jerusalem liegt, werden die Boten fortgejagt. Wäre Jesus König dieser Erdenzeit, würde er das Dorf vernichten, das seine Boten nicht aufnimmt. So aber wird das Dorf zum Sinnbild Jerusalems, zum Sinnbild der Welt, die den König Jesus nicht aufnimmt.

Diese Machtlosigkeit macht frei. Das ist das Geheimnis Jesu. Das ist das Geheimnis der Freiheit der Kinder Gottes. Denn Johannes und Jakobus, die Feuer über das ablehnende Dorf bringen wollen, leben in der Vergangenheit. Genauso wie der Mann, der erst Angehörige begraben will, genau so wie der, der erst von der Familie Abschied nehmen will. Alles ehrenwerte Anliegen. Aber Jesus verheißt mehr.

Der Psalm 37 sagt es: "Die Armen werden das Land bekommen, sie werden Glück in Fülle genießen". In Jesus bedeutet dies nicht (mehr), dass die Armen irgendwann reich werden und zu den materiell unabhängigen Wohlhabenden gehören. Es zeigt sich vielmehr, dass der arme Jesus, der landlose Jesus, der verfolgte Jesus eine viel größere Freiheit zu bieten hat, als jede Bindung an Familie, Gesetz und Eigentum. Er wird ein König, von dem die Seligpreisung gilt: "Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben" (Mt 5,5)

3. Nachfolge

Christen sollen Jünger sein, die sich diesem König angeschlossen haben. Ihm folgen sie nach, wissend, dass dieser König kein Land auf Erden hat, über das er herrscht. Es fehlt ihm die Machtbasis. Er hat keinen Heimvorteil. Er kann nicht auf eigenes Land verweisen. Vielleicht hängt damit zusammen, dass er Maria, seine Mutter, die längste Zeit seines Lebens auf Distanz hält (vgl. Lk 8,19-21 u.ö.). Materielle Vorteile, biologische Abstammung, ein starker Staat im Rücken - all das mag Vorteile haben. Es bindet aber auch. Für Reichtum, Sippe und Vaterland haben die Menschen schon mehr als einmal ihr Menschsein über Bord geworfen.

Nachfolge bedeutet: Im Blick auf die Radikalität der Freiheit Jesu diese Freiheit im eigenen Leben zu gewinnen. Dass die Radikalität im Blick bleibt, beruft Gott zu allen Zeiten Menschen, auf Familie und eigenen Besitz zu verzichten: Ordensleute, Mönche, Nonnen, Einsiedler. Aber diese besondere Berufung hat ihren Sinn darin, dass alle Christen ihre Berufung in den Blick nehmen können: Wie es gelingt, im normalen Leben, Studium, Beruf, Familie, Verantwortung, diese Freiheit zu realisieren. Das Radikale macht sichtbar, wie jede und jeder im normalen Alltag die Richtung finden und wahren kann. "Jesus entschloss sich nach Jerusalem zu gehen" hieß es im Evangelium. Wörtlich steht dort: "er richtete seinen Blick darauf, nach Jerusalem zu gehen".

Die Herausforderung Gottes für uns ist die Nachfolge Jesu. So richtig und wichtig die Gebote sind, als die Zeit sich erfüllt führt Gott uns Menschen darüber hinaus. Gott gibt uns das Bild seiner Liebe in dem Menschen Jesus von Nazareth. Dieser ruft uns, ihm nachzufolgen, den Blick darauf zu richten, dass Herkunftsfamilie, Wohlstand und Macht uns binden können, wenn wir uns nicht innerlich davon frei machen. Die Freiheit aber kann bewirken, dass ich in Vater und Mutter die Schwester und den Bruder im Glauben finde, dass ich im Wohlstand die Möglichkeit finde, mit anderen zu teilen, und dass die Macht als Gesetz dieser Welt unterlaufen werden kann von der Liebe in Gott. Amen.