Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Galaterbrief)

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30. Juni 2013 - Hamburg

1. Bindung und Freiheit

  • Bist du verheiratet oder bist du noch frei? Die Formulierung dieser Frage ist durchaus üblich. Das Evangelium scheint das zu bestätigen: Niemand, der sich zu sehr zu seiner Familie zurückwendet, wenn er berufen ist, Jesus nachzufolgen, "taugt für das Reich Gottes". Daraus ergäbe sich der Grundsatz: Familiäre und eheliche Bindung ist gleich Mangel an Freiheit.
    Es würde eine sehr pointierte Position vertreten: dass die Ehe unfrei mache. Ehe und Freiheit stünden danach in Gegensatz zu einander.
  • Würde das noch so uneingeschränkt gesagt werden, wenn gefragt würde: Gibt es einen Menschen dem der bei dir ist auch in schweren Tagen - oder bist du noch frei? In dieser Variante der Frage ahnt man schon eher, dass Freiheit und Bindung nicht einfach nur Gegensätze sind, sondern dass vielleicht manches Mal umgekehrt, Bindung erst Freiräume schafft.
  • Es ist oberflächlich Bindungen und Unfreiheit gleichzusetzen. Wer auf einem Gerüst klettert, hat die Hände frei, wenn er sich anderweitig abgesichert hat. Wer durch das Leben geht und an keinen Menschen gebunden ist, mag vielleicht frei wirken. Er kann aber seine Freiheit nicht leben, weil er sich ständig nach allen Seiten hin absichern muss, weil er zu keinem Vertrauen hat. Wer sich auf dem freien Beziehungsmarkt tummelt, mag frei wirken, er ist aber den zuweilen harten Gesetzen dieses Marktes unbarmherzig unterworfen.
    Natürlich gibt es Bindungen die unfrei machen. Eine geglückte Ehe aber gehört genauso wenig dazu wie eine geglückte Gottesbeziehung.

2. Aus Freiheit befreit

  • "Zur Freiheit hat uns Christus befreit." Dies ist der knapp formulierte Auftakt zum 5. Kapitel im Galaterbrief des Apostels Paulus. Er ruft das den Gemeinden zu, die gerade dabei sind, sich wieder in falsche und gefährliche Unfreiheiten zu begeben: Statt aus dem Vertrauen und Glauben, mit denen Gott ihnen entgegen kommt, in Glauben und Vertrauen zu leben, gibt es einige in diesen Gemeinden in Galatien, die behaupten, man müsse erst eine Vielzahl von Regeln befolgen, bevor Gott uns sein Vertrauen schenkt.
  • Das Evangelium sagt das Gegenteil. Schon im Alten Testament steht nicht nur das Gesetz: Es zeigt Wege, wie Menschen in Gerechtigkeit leben können, macht aber auch umgekehrt eindeutig offenbar, wenn Menschen gegen das Gesetz verstoßen. Daneben steht aber schon im Alten Testament die Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft Gottes. Der Psalm 16, aus dem der heutige Zwischengesang genommen ist, jubelt über das Glück dieser Barmherzigkeit. Das Evangelium besteht nun im Kern darin, dass diese Bereitschaft Gottes zur Versöhnung in Jesus Christus unumkehrbar für alle Menschen angeboten wird.
  • Die Freiheit, von der Paulus also spricht ist eine doppelte: Es ist die freie Entscheidung Gottes, seine freigiebige Barmherzigkeit, dass Gott Schuld vergibt und uns seine Barmherzigkeit in Christus anbietet. Es ist die freie Entscheidung Gottes, in nichts durch menschliche Vorleistung erzwungen. Daher führt diese in Freiheit gegebene Gabe Gottes auch zur Freiheit des Menschen. Wir müssen weder Gott noch irgendeinem anderen etwas beweisen oder uns die Liebe Gottes erst durch sklavische Dienste erwerben.
    "Qua libertate Christus nos liberavit" hatte Hieronymus daher in der Vulgata übersetzt: Qua seiner Freiheit und Freigiebigkeit hat uns Christus befreit!
    (Diese Bedeutungsebene ist leider in fast allen modernen Übersetzungen verloren gegangen, die nur lesen "Zur Freiheit hat ..." und die aus dem Griechischen mögliche Lesart "Aus Freiheit hat..." ignorieren; vgl. Norbert Baumert: Der Weg des Trauens. Übersetzung und Auslegung des Briefes an die Galater und des Briefes an die Philipper. Würzburg <Echter> 2009, S. 122).

3. Geist des Begehrens

  • In Christus hat uns Gott aus freien Stücken Freiheit geschenkt. Das Gefährliche an der Idee, ich hätte mir die Freiheit von der Last der Sünde selbst verdient und verarbeitet ist die Selbstgefälligkeit, die darin steckt.
  • "Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!" In diesem Satz meint Paulus mit "Fleisch" diese Haltung des Menschen, der an sich selber hängt, Vergebung nie von andern annehmen kann und sich selber alles zuschreibt und deswegen unfähig ist, einem andern in Liebe zu diesen. Wenn solch ein Mensch einem anderen dient, dann aus Berechnung - und sei es die Berechnung, dadurch in den Himmel zu kommen. Der "Geist" aber ist der Geist Gottes, wie er in Jesus erlebbar ist. Dieser Geist befreit von der falschen Bindung an sich selbst und von der Sünde.
  • Nicht um uns ein Joch aufzuerlegen hat sich Gott offenbart. Wir sollen daher "nicht unter dem Gesetz" stehen, also uns vorhalten, was wir alles falsch gemacht haben und aus der Angst vor Strafe handeln, sondern aus dem Vertrauen leben, dass Gott uns täglich neu schenkt, was wir brauchen, um in Freiheit die Liebe zu ihm und zu einander zu leben, die wir uns so sehr wünschen. Amen.