Predigt zum 16. Sonntag im Lesejahr A 2020 (Römerbrief)
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19. Juli 2020 - KHG Bonn, St. Remigius
1. Gleichnisse vom Himmelreich
- Christen stehen irgendwie immer dazwischen. Einerseits wollen wir wachsen im Glauben. Wir wollen mehr und mehr im festen Vertrauen auf Gott leben. Hoffnung bedeutet: festes Vertrauen ohne festhalten zu können.
Andererseits leben wir wie jeder Mensch mit den Fragen, Freuden, Hoffnungen und Zweifeln des Lebens, mit sozialen Spannungen und spannenden Themen, in Familien und Freundeskreisen, einsam und in Beziehung zu anderen Menschen. Zwischen diesem „normal“ und dem Vertrauen in Gott steht dazwischen, wer christlich glauben will.
- Jesus vergleicht es mit einem Feld, in dem Weizen und Unkraut nebeneinander wachsen. Man kann nicht einfach ‚klar Tisch‘ machen. Solange wir in diesem Leib leben, bleibt das Leben uneindeutig. Auch und gerade Glaubende leben erst auf die Eindeutigkeit hin. Das ist Sache der Engel am Ende der Zeiten. Nur dem, der keinen Gott hat, dem er, vertraut, kann jetzt schon alles eindeutig, zweifelsfrei und klar erscheinen.
- Für Glaubende aber ist der Glaube mehr wie nur ein Samenkorn, ein kleiner Trieb vielleicht, ein kleiner Baum. Man kann nur ahnen und hoffen, was aus ihm wird. Die Vögel des Himmels werden in ihm nisten. Aber das wird erst die Vollendung sein. Das ist nicht jetzt. Jetzt ist „dazwischen“.
2. Gleichnisse aus dem Alltag
- Wir Menschen – auch wir Christen – leben in verschiedenen Lebenswelten. Nicht komplett verschieden, aber doch immer etwas anders. Jeder von uns hat einen anderen Hintergrund, andere Prägungen und andere Erfahrungen. Wir haben auch vieles gemeinsam, das bietet Anknüpfungspunkte.
So ergeben sich spannende Gespräche (zu denen man damals, vor Corona, auch ohne Abstand zusammengekommen war). In der Kneipe, am Frühstückstisch, vielleicht sogar in der KHG nach der Messe. Es gibt gemeinsame Erfahrungen und Anknüpfungspunkte. Und es gibt Neues zu erzählen.
Manchmal gibt es aber auch die Situation, dass die einen sich intensiv unterhalten und einer dabei ist, der immer wieder versucht in das Gespräch hinein zu kommen, aber merkt, dass das nicht seine Themen sind. Wir alle kennen diese Situation, weil wir andere beobachtet haben oder es uns selbst so ergangen ist. Die Gruppe begeistert sich für ein Thema, und merkt vielleicht gar nicht, dass jemand dabei außen vor bleibt, weil das so gar nicht seine Lebenswelt ist. Es könnte auch sein, dass ein anderer Gedanke, den die Gruppe überhaupt nicht versteht, diesem einen gerade viel wichtiger ist, und er damit im Gespräch nicht vorkommt.
- Oder: Wenn eine Gruppe zusammen ist, in der alle ein Film oder eine Serie gesehen haben und deswegen mitreden können, einer aber versteht gar nicht worum es geht. Oder aber umgekehrt: Zwar reden zwar heftige über irgendein religiöses Thema, aber nur einer ist dabei, der selbst eine tiefe religiöse Erfahrung gemacht hat, indem ihm eine Geisterfahrung der Gegenwart Gottes geschenkt wurde. Aber er hat noch gar nicht die Worte und findet in dem Gespräch nicht die Situation, um darüber zu sprechen. Die Intensität seiner Glaubens-Erfahrung passt nicht zum Wortschwall der Anderen.
- Oder: Eine Familie sitzt zusammen, in der sich alle etwas zu sagen haben. Aber einer von ihnen hat gerade erfahren, dass ein anderer sein Vater ist. Die anderen sind nur seine Halbgeschwister. Für ihn drehen sich alle Gedanken um den wahren Vater. Der ist einer, von dem er noch so wenig weiß, nicht weiß wie er in anreden soll, über den er nachdenkt, nicht weiß, wie mit ihm reden. Und so ist dieser eine auf einmal nicht mehr dabei, sondern nur noch dazwischen.
3. Der Geist tritt für uns ein
- Was Paulus in den zwei Versen der heutigen Lesung an die Christen in Rom schreibt, ist an Menschen geschrieben, die „dazwischen“ leben. Sie sind nicht aus der Welt genommen. Sie sind nicht vergeistigt und leiblos. Aber gleichzeitig sind es Christen, die sich ganz auf das Kommende ausrichten wollen und ganz auf Gott vertrauen wollen. Weil Gott aber nicht einfach „zu haben“ ist, fehlen die rechten Worte, um diese Situation anderen Menschen zu beschreiben. Es fehlen aber auch die Worte um zu beten. Paulus spricht von „unaussprechlichen Seufzern“ (und meint damit wohl nicht das Seufzen des Heiligen Geistes, sondern des Menschen, der glauben will).
- Der entscheidende Hinweis, den Paulus uns gibt heißt: „Der Geist [Gottes] nimmt sich unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist [Gottes] selber tritt jedoch für uns ein“. Gottes Geist verbindet sich mit unserem Geist. Wo uns das Beten schwerfällt, betet Gottes Geist in uns. „Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht [unseres] Geistes ist. Denn [der Geist Gottes] tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.“
- Paulus ist zuversichtlich. Wir müssen nicht aus diesem Leben auswandern, um glauben zu können. Wir können dabeibleiben, auch wenn die Themen nicht immer unsere sind. Wir können entspannt bleiben. Das gilt aber auch für das Beten. Paulus ermutigt uns zu beten, auch wenn wir das Gefühl haben, gar nicht zu wissen, wie man „richtig betet“. Das macht nichts. Gott kennt unsere Herzen. Ein angeblich ‚falsches‘ Gebet, stotternd aber von Herzen, ist näher bei Gott als ein noch so ‚richtiges‘ Gebet, das nicht unsere Worte sind. Gottes Geist selbst tritt in uns ein. Gottes Geist steht uns zur Seite. Darauf dürfen wir fest vertrauen. Amen.