Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus)
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25. Juli 1999 - St. Barbara, Krakau
1. Eine Familien-Saga
- Der alte Chef ist in Frieden gestorben. Er hatte als kleiner, unbedeutender Junge angefangen und sich ganz nach oben
gearbeitet. Er hatte sich Freunde gemacht und Feinde. Seine Feinde hat er entweder systematisch und blutig ausgeschaltet
oder mit ihnen Frieden geschlossen. Jetzt ist er gestorben und sein Sohn hat die Macht übernommen. Das erste, was
dieser tut, ist allen Widerstand beseitigen und jeden, der ihm gefährlich werden könnte, aus dem Weg zu räumen. Die
Feinde, denen sein Vater versprochen hatte, sie am Leben zu lassen, werden jetzt beseitigt, wiederum blutig. So befestigt
der Sohn seine Macht.
- Was klingt wie eine Zusammenfassung eines Mafia-Romans von Mario Puzo ist hingegen lediglich die Vorgeschichte der
heutigen Lesung aus dem Alten Testament. Denn bevor König Salomo zu Gott um Weisheit und Einsicht betet, hatte er
ganz nach Methode aller Mächtigen seine Macht gesichert und dabei keine Verluste gescheut (Man lese dazu das 2.
Kapitel im 1. Buch der Könige. Die Corelones in die David-Familie sind sich nicht unähnlich).
- Es ist wichtig, sich diese Vorgeschichte in´s Gedächtnis zu rufen,
um die vielgerühmte Weisheit des König Salomo im richtigen Licht
zu sehen. Er war alles andere als ein friedfertiger, harmloser, nur weltfremder
Weisheit ergebener König. Er war mit allen Wassern gewaschen, und eben
das wusste die Tradition als Weisheit zu preisen. "Verleih daher
deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das
Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht." Dieses Gebet des Salomos,
das die Bibel überliefert, ist das Gebet eines durchaus machtbewussten
und, wenn es sein muss, skrupellosen Herrschers. Wir dürfen uns also
keine zu romantischen Vorstellungen von der Weisheit Salomos machen. Sie war
zuerst Weltweisheit und Weisheit der Herrschenden.
2. Salomos Welt-Weisheit
- Aber gerade das ist erst einmal das Bleibende und Gültige. Weisheit in der Tradition der Hl. Schrift ist nicht jenes
süffisante Lächeln, mit dem wir uns in den Stuhl zurücklehnen und die Dummheit belächeln. Weisheit ist nicht Distanz zur
Welt, sondern Wissen um die Welt und ein Urteil um die Dinge der Welt. Für seine Zeit war Salomos das, was man später
einen Universalgelehrten nannte. Er war in der Hl. Schrift ebenso bewandert wie in der Geschichte und der Naturkunde.
Er konnte reden und formulieren. Er konnte für sich gewinnen und interessant sein. Und er hatte durchaus die Gabe,
Recht von Unrecht zu unterscheiden und Urteile zu fällen. Das salomonische Urteil, das in der Bibel erzählt wird, ist bis
heute sprichwörtlich.
- Bei all dem war Salomos ein frommer Mann. Er hat das, was er getan hat, immer in Beziehung zu Gott gesehen; er hat
Gebete genauso verfasst wie Weisheitssprüche. Sein Lebenswerk war der Tempel, mit dem Gott ein Haus bekommen
sollte, ebenbürtig dem Palast des Königs, wohl wissend, dass Gott nie in einem Haus von Menschenhand wohnt, sondern
bestenfalls sein Name. Aber all diese Weisheit stand für Salomo unter der Voraussetzung, dass seine Herrschaft gefestigt
worden war. Dabei allerdings war von Milde und Nachsicht keine Rede.
Uns sollte das nicht verwundern, hat uns Jesus doch selbst gesagt, dass es immer so ist, dass die Mächtigen ihre Macht
über die Menschen missbrauchen (vgl. Mk 10,42). Für die Könige des Alten Bundes war es eine selbstverständliche
Voraussetzung, dass sie Macht gebrauchten, um ihre Herrschaft zu festigen, und dass ihre Gegner dabei das Leben lassen
mussten. Daher widerstrebt es uns zu recht, so ohne weiteres die Weisheit eines Königs Salomo als vorbildlich
hinzustellen. Andererseits: Wie sollte heute denn Weisheit anders aussehen. Was gibt uns Grund anzunehmen, dass für
uns Weisheit anders aussieht?
- Zuerst bleibt einmal gültig, dass Weisheit, gerade die von Gott geschenkte Weisheit, immer Weltweisheit ist, Weisheit,
die sich der Welt zuwendet, die um die Dinge der Welt weiß und von ihnen sprechen kann. Alles andere ist nicht
Weisheit, sondern bestenfalls selbstgefällige und menschenverachtende Schwärmerei - oder einfach hin Dummheit.
3. Weisheit in Christus
- Der Unterschied der Weisheit, in der wir und um die wir heute beten können, liegt nicht darin, dass wir bessere Menschen
wären. Der Unterschied ist viel fundamentaler. Der Unterschied ist ein solcher, dass dem König Salomo diese Weisheit
gar nicht zu Gebote stand, um die wir heute beten sollen. Denn das entscheidende und unterscheidende Ereignis, dass
zwischen uns und Salomo steht, ist das Kommen des Messias, die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.
- Das Gleichnis im Evangelium erzählt von einem Kaufmann, der eine Perle sieht, für die er alles verkauft, um diese eine zu
erwerben, und von einem Mann, der alles verkauft, um den Acker zu erstehen, in dem ein Schatz vergraben ist. Diese
Absolutheit ist neu. Diese Möglichkeit, alles auf eine Karte zu setzen ist neu. Das Wagnis, alles zu verkaufen, nur um
diese eine Perle zu besitzen, wäre bis zum Kommen des Messias schlichtweg Dummheit gewesen, das Gegenteil von
Weisheit. Genauso wenig hatte der Zölibat, die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen oder hatte die Evangelische
Armut der Bettelmönche irgendetwas Weises an sich, bevor nicht das eine, neue Ereignis geschehen ist: dass mit dem
Kommen des Messias eine neue Zeit, im Neuen Testament, eine Endzeit angebrochen ist.
- Bis dahin war die Geschichte immer unter dem Vorbehalt der Schuld und war „Wissen um die Welt" notwendig auch das
Wissen darum, dass man sich der Mittel bedienen muss, um in der Welt zu überleben. Seit mit Jesus Christus Gott selbst
den Schlusspunkt unter die Alte Welt gesetzt hat, gibt es die vor der Weisheit erlaubte Möglichkeit, alles auf eine Karte
zu setzen. Wir dürfen riskieren, dass wir unsere Machtpositionen in der Welt verlieren, wenn wir nur die eine Perle, den
einen Schatz im Acker gewinnen.
Sicher, auch das ist für unser konkretes Leben immer nur eine Zielbestimmung. Von unserer Seite bleibt ein langer Weg.
Aber vom Evangelium her ist das Neue eindeutig und klar. Wir können um Weisheit beten und uns um Weisheit, um
Wissen um diese Welt bemühen - und dennoch nicht nach den Regeln der Mächtigen und Herrschenden leben, sondern
unser Leben auf die andere Gewissheit gründen: in Christus leben wir, und kein Tod kann es uns nehmen. Amen.