Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr B 2003 (Johannes)

Zurück zur Übersicht von: 17. Sonntag Lesejahr B

27. Juli 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Ein Missionar

  • "Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen". Die Übersetzung des Evangeliums behauptet hier mehr, als im griechischen Originaltext steht. Und der Verdacht liegt nahe, dass dahinter ein Missverständnis steht. Denn das Wörtchen "nur" ist freie Zugabe. Im Text steht lediglich, Jesus habe den Philippus "ihn versuchend" gefragt: "Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?".
  • Das "nur" suggeriert, die Frage sei nicht ernst gemeint. Das Gegenteil dürfte aber der Wahrheit viel näher kommen. Hätte Jesus "nur" einen Einkaufstipp haben wollen, wäre das Wort angebracht. So aber führt die Frage mitten hinein in den Glauben eines seiner Jünger: Philippus. Elf Mal wird der Name dieses Apostels im Johannesevangelium genannt; sonst taucht der Name nur in den Listen der ausgewählten Zwölf auf - und in der Apostelgeschichte.
  • Vergleicht man die ausführlichen Stellen, dann sieht man sofort, was das Besondere an Philippus ist. Er ist ein Mensch, der andere zum Glauben führt. Zu Beginn des Johannesevangeliums wird berichtet, Philippus habe gleich nachdem ihn Jesus berufen hat, Natanaël getroffen. Das erste, was er zu diesem sagt ist "Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazaret, den Sohn Josefs." Natanaël fragt zweifelnd nach "Aus Nazaret? Kann von dort etwas Gutes kommen?" Philippus ist es, der ihm antwortet: "Komm und sieh!" (Joh 1,44f)

2. Philippus sieht

  • Jesus will nicht irgendwie, zum Spaß gar, "auf die Probe stellen". Er will den Glauben des Philippus prüfen und stärken. Man kann von diesem Punkt aus den ganzen Bericht von der zeichenhaften Brotvermehrung lesen und verstehen. Denn hier wie eigentlich immer verstehen wir das Evangelium nur, wenn wir es nicht abstrakt als informativen Text lesen, sondern nur, wenn wir es aus der Perspektive lebendiger Menschen hören. Nur dann können wir selbst dieser Mensch sein, an den das Evangelium gerichtet ist.
  • Später wird sich Jesus in einer ausführlichen Rede über das Brot vom Himmel erklären. Hier aber, als das "Zeichen" geschieht, steht ganz die rätselhafte Handlung im Vordergrund. Jesus ergreift die Initiative und fragt nach der Verpflegung der Menschenmassen. Das Bild lässt ihn von einem Berg herab sprechen, wie Gott am Sinai durch Mose vom Berg herab gesprochen hat. Nicht Verpflegungslogistik, sondern Gott ist in der Frage gegenwärtig.
    Als der Junge mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen auftaucht, gibt Jesus Order an die Leute sich zu setzen. Er spricht nach jüdischer Sitte das Dankgebet. Von dem hier verwandten Wort leitet sich unser Wort für die Feier der Hl. Messe ab: Eucharistie. Jesus selbst ist es, der den Menschen zu essen gibt. Ganz auffällig wird nicht davon gesprochen, dass die Jünger ihm dabei Helfer gewesen wären. Er selbst gibt das Brot und nährt jeden einzelnen Menschen. Es selbst ist Brot in Fülle. Alle bekommen, so viel sie wollen. Alle werden satt. Keiner geht leer aus, wenn Jesus gibt.
  • Das ist es, was Philippus sieht. Er selbst sah zuvor nur die maximal 200 Denare, die in ihrer Gemeinschaftskasse waren. Dies hätte nie und nimmer gereicht, so viele satt zu machen. Nun sieht er Jesus, der satt macht, wie er auch schon bei der Hochzeit zu Kana gesehen hatte, dass Jesus Wein in Hülle und Fülle schenkt (Joh 2,1-12).

3. Glaube

  • Nicht um mit einem Zauberkunststückchen zu beeindrucken, sondern um ein Zeichen zu wirken, das den Glauben stärkt, handelt Jesus. Der aus Nazareth gekommen ist, er ist es, in dem die Fülle des Lebens zu finden ist. Er sit es, der uns der Weg zum Vater wird. Die Leute, die nur gekommen sind, weil sie einen Wundertäter erwarten, sie verstehen nichts. Das wird in den Auseinandersetzungen deutlich, die das Johannesevangelium im Kapitel 6 schildert.
  • Jesus taugt nicht zum bewunderten Zauberer. Er eignet auch nicht, ihn "zum König zu machen". Vor dieser Zumutung zieht sich Jesus in die Einsamkeit des Gebetes zurück. Nicht, dass seine Botschaft unpolitisch wäre. Im Gegenteil! Aber Jesus nimmt uns nicht die Verantwortung ab. Er gibt, damit wir leben und wir glauben und wir handeln.
  • Auch für Philippus ist der Weg des Glaubens noch nicht zu Ende. Aber es ist für ihn ein wichtiger Meilenstein, wenn Jesus ihn auf die Probe stellt, weil er dabei erfährt, dass sein Glaube noch von vielen Missverständnissen gereinigt werden muss. Es kommt nicht auf die 200 Denare an. Es kommt nicht auf Vermögen, Leistung, Macht oder Erfolg an. Es kommt darauf an, dass wir Jesus handeln lassen. Glauben ist, sich Gott öffnen, sich beschenken zu lassen, so wie Jesus das Brot schenkt, dass satt macht für mehr als nur den Magen. Amen.