Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus )

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1. August 1999 - St. Barbara, Krakau

1. Die heiße Schlacht am kalten Buffet

  • Man muss es gesehen haben, um es sich vorstellen zu können: Wie eine hungrige Festgesellschaft über ein wundervoll aufgebautes kaltes Buffet wie eine ägyptische Plage herfällt. Da haben sich geschickte Hände unendlich Mühe gegeben, das leckere Essen auch für das Auge verlockend erscheinen zu lassen, man hat phantasievoll gekocht und kunstvoll aufgebaut - und nach kürzester Zeit ist von der ursprünglichen Pracht nicht mehr zu sehen als ein Schlachtfeld mit Krümeln.
  • Verglichen mit einem solchen Buffet nimmt es sich mager aus, was Jesus und seine Jüngern den Leuten zu bieten haben: Brot und etwas Fisch. Ganz offensichtlich waren die Jünger nicht auf Gäste vorbereitet, schon gar nicht auf so viele. Sie haben nichts und so bleibt ihnen nichts anderes übrig als die Leute wegzuschicken. Wie sollen die Vielen satt werden von ein paar Krümeln?
  • Das aber ist das Wunder das geschieht: Nicht nur reichen die paar Krümel, fünf Brote und zwei Fische, für diese gewaltige Menge Leute. Sondern es bleiben sogar noch Reste und zwar, wie zu recht betont wird: genau zwölf Körbe.
    Statt eines Buffet, das in Sekunden verschwindet, wird bei diesem Mahl nicht vernichtet, sondern wird Neues. Denn genaugenommen ist die Angabe von den "übriggebliebenen Brotstücken" ja falsch, da zuvor so gut wie nichts da war. Das Mahl der Vielen hat Neues hervorgebracht: genau zwölf Körbe voll.

2. Nachhaltigkeit

  • Keines der Wunder im Neuen Testament ist nur bestaunenswertes Ereignis der Vergangenheit ohne praktische Bedeutung für die Gegenwart. Das hieße den Glauben an die Dreifaltigkeit auf zwei Personen zu verkürzen, so als wäre uns nicht der Heilige Geist gesandt worden, auf dass die Wunder fortwirken in unsere Zeit hinein. Deswegen wurden die Evangelien ja auch aufgeschrieben und ging die Erinnerung nicht mit den letzten Augenzeugen verloren. Deswegen können wir heute die Wunder deuten auf unsere Zeit hin.
  • Was im Wunder von der Brotvermehrung geschildert wird, ist ein Vorgang, der uns in seinem Gegenteil wohl bekannt ist: Zwar bringen wir heutzutage bewundernswerte Mengen an Gütern hervor und das, zumindest im oberen Drittel der Welt, nicht nur für ein paar Reiche in den Tempeln sondern für die breite Mehrheit. Unter der Hand aber, unsichtbar aber unaufhaltsam verbrauchen wir dabei weit mehr, als wir herstellen können. Der Preis unserer Fülle ist, dass wir Ressourcen verbrauchen, langsam aber sicher, ohne vorzusorgen. Wir leben nicht gerade nachhaltig. In der Tiefe der Erde haben sich über lange Zeit riesige Grundwasserreservoirs aufgebaut und heute zapfen Menschen diese Reserven an und verbrauchen sie weit schneller, als diese Vorräte sich je regenerieren können. Mit Öl und vielen anderen Rohstoffen ist dies nicht anders, teilweise sogar viel dramatischer. Selbst im sozialen Bereich leben wir von Vorräten, von dem was frühere Generationen an gutem Willen und Gemeinsinn erlernt haben, wir heute aber verbrauchen, um jetzt ein angenehmes Leben zu haben. Vielleicht dauert es noch zwei, vielleicht noch fünf oder zehn Generationen, bis wir die Vorräte vertilgt haben. Dann aber bleibt nur das Schlachtfeld mit Krümeln übrig - und wehe den Nachgeborenen.
  • Wir haben nicht gelernt nachhaltig zu leben, wir leben verbrauchend. Das Buffet, das uns bereitet wurde, wird heißhungrig abgeräumt. Wir sollten uns also tunlichst dafür interessieren, was es mit dem Wunder Jesu auf sich hat, dass nicht nur abräumt, sondern aufbaut und übrig lässt.

3. Zwölf Körbe voll

  • Wenn Jesus die Jünger auffordert "Gebt ihr ihnen zu essen", dann klingt das ein wenig großspurig, als wolle er zeigen, was die Jünger nicht können, er aber kann. Tatsächlich aber ist es überaus zentral zu verstehen, dass nicht alles "machbar" ist. Gerade die Machbarkeit, für sich allein und absolut genommen, wird uns langfristig schaden. Statt dessen nimmt Jesus das, was da ist, "blickt zum Himmel auf, spricht den Lobpreis, bricht die Brote und gibt sie den Jüngern; die Jünger aber geben sie den Leuten". Es ist diese andere Weise zu denken und zu handeln, die Jesus von der reinen Machbarkeit unterscheidet.
    • Zuerst steht das dankbare Bewusstsein, dass alles, was wir haben, verdankt ist. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der bei allem Bewusstsein seiner Leistungsfähigkeit in der Lage wäre, auch nur einen einzigen Bleistift ohne fremde Hilfe herzustellen. Selbst für die einfachsten Dinge sind wir angewiesen auf andere. Und letztlich haben wir nichts hervorgebracht, ohne nicht Vorhandenes zu nutzen und zu verbrauchen. Das mindeste ist also der Dank dafür. Mit den Augen zum Himmel spricht Jesus sein Dankgebet, nicht aus Missachtung menschlicher Leistung, sondern aus dem Wissen darum, wem wir die Voraussetzungen für unsere Eigenleistung zu danken haben.
    • Als Zweites steht das Brechen und Teilen des Brotes. Das ist notwendige Folge des Ersten. Wer sich in seiner Ignoranz einbildet, autark zu sein und meint, alles nur sich selbst zu verdanken, wir vielleicht, um sich selbst zu schmeicheln, Almosen geben. Er wird aber nie teilen. Erst die Dankbarkeit macht uns fähig, das ängstlich Zusammengehaltene zu teilen, zu brechen, weiterzugeben.
    • Das vielleicht Wichtigste aber ist das Dritte. Jesus gibt den Jüngern den Auftrag das Brot an die Menschen weiterzugeben. Jesus gibt es nicht selbst, sondern gibt den Jüngern den Auftrag. Hätte er es selbst gegeben, wäre die Geschichte und wäre das Wunder Gottes mit dem Tod Jesu zu Ende. Er aber gibt einen Auftrag und gibt weiter. Im Bewusstsein dieses Auftrages geben dann auch die Jünger weiter.
  • Das ist denn auch der Sinn der zwölf Körbe. Denn nicht elf und nicht dreizehn Körbe verzeichnet das Evangelium, sondern zwölf. Zwölf ist die Zahl des von Gott begründeten himmlischen Jerusalem und ist die Zahl der Apostel, auf die Jesus die Kirche begründet hat. Das Wunder der Brotvermehrung mündet also darin, dass Gott sich die Kirche beruft und schafft, als eine Gemeinschaft, die berufen ist, dankbar zu sein, das Brot zu brechen und nicht für sich zu behalten und zu verbrauchen, sondern weiterzugeben.
  • Wenn wir darin versagen, haben wir uns dieser Berufung beraubt. Wenn wir weder dankbar noch teilen sind, sondern paschahstolz für uns behalten, was uns doch auch nur geschenkt wurde, dann haben wir uns aus dem Wunder Jesu ausgeklinkt. Welch eine Chance aber liegt in diesem Wunder für eine Zeit, die so dringend lernen muss nachhaltig zu leben: dankbar zu sein und zu teilen. Amen