Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Jesaja)
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3. August 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Ist Gott anstrengend
- Empfinden sie Gott als anstrengend? Erleben Sie Gott als Belastung für Ihr Leben? Solche Fragen zu stellen ist nicht gotteslästerlich oder unchristlich; es kann nie falsch sein, Realität zur Kenntnis zu nehmen. Und es gibt die Realität, dass manche Christen Gott als anstrengend empfinden, ein Gott der Menschen durstig und müde und erschöpft zurücklässt. Sicher haben auch unter uns Menschen diese Erfahrung gemacht.
- Der Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jeremia, der heute als erste Lesung vorgetragen wurde, bietet eine Deutung zum Evangelium. Die Brotvermehrung durch Jesus gehört in die Tradition der Verkündigung der Großzügigkeit Gottes. Im Blick auf die Leistungen, die die Götter in Babylon den Menschen abverlangen, ist das unterscheidende Merkmal des einen wahren Gottes seine Großherzigkeit. Gott schenkt verschwenderisch. Jesaja lässt Gott einladend rufen: "Auf, ihr Durstigen, kommt ... kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben." Und all das umsonst, freigiebig, als reines Geschenk."Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide, und esst, kommt und kauft ohne Geld..."
- Ich möchte dieses biblische Glaubenszeugnis damit konfrontieren, dass - nicht nur heute, mehr noch vielleicht zwei oder drei Generationen früher - viele Menschen ganz im Gegenteil Gott als fordernd, vielfach belastend oder gar als eng und beengend erfahren haben.
Jesaja sieht die Freigiebigkeit Gottes gegenüber seinem Volk als ein Zeichen vor aller Welt: "Völker, die dich nicht kennen, eilen zu dir, um des Herrn, deines Gottes, des Heiligen Israels willen, weil er dich herrlich gemacht hat." Ob sich das jedoch mit unserer eigenen Erfahrung deckt, bedarf erst einmal der Nachfrage.
2. Korrektiv falscher Gottesbilder
- Wenn die eigene Gotteserfahrung der biblischen zu widersprechen scheint, dann sollte der erste Schritt sein nachzufragen, ob es wirklich Gott ist, den ich als belastend und bedrückend erfahre, oder ob da nicht vielmehr irgendwelche anderen Mächte und Bilder sich erfolgreich an die Stelle Gottes gesetzt oder sich wie ein dunkler Schleier vor die Wirklichkeit Gottes geschoben haben.
- Es kann ein Leben dauern, Gott so zu entdecken, wie Jesaja ihn schildert und wie Jesus ihn in seinen Worten, in seinen Zeichen und in seinem Lebenszeugnis offenbart. Aber es ist diese Mühe wert, weil es ein Weg der Befreiung ist. Für manche Menschen, ist es der Weg der Befreiung von falschen Gottesbildern, die ihnen zur Legitimierung allzu menschlicher Strukturen und Interessen untergeschoben wurden. Heute ist es jedoch wohl mehr die Befreiung von der Abwesenheit Gottes, in einer Kultur, in der kein Platz sein soll für so etwas Unverfügbares und Heiliges wie Gott.
- Letzter Maßstab kann immer nur das eigene Gewissen sein; was sonst? Aber die Konfrontation mit der Autorität der Heiligen Schrift kann zur großen Befreiung von angeblichen Selbstverständlichkeiten werden.
3. Fordernd um des Menschen willen
- Einerseits ist klar, dass der eine, wahre Gott befreit und nicht versklavt. Wo anderes gelebt und wo anders verkündet wird, dürfen und müssen wir im Namen Gottes widersprechen. Dazu ist ein jeder von uns bei der Taufe mit dem Heiligen Chrisam gesalbt worden, um Anteil zu haben am Prophetenamt Christi.
- Andererseits wird Gott dadurch nicht zum harmlosen Onkel mit Rauschebart, der von den Wolken herab nette Dinge sagt, an den wir uns kuscheln sollten, dann werde alles gut. Vielmehr bezeugt die Bibel die Glaubenserfahrung des Volkes Gottes, dass Gott fordernd und herausfordernd ist. Zu seiner Größe gehört das "Umsonst", die sich verschenkende Liebe, die aus den Texten der heutigen Lesungen aufscheint.
Zu Gottes Größe gehört aber auch, dass er uns nach seinem Bild geschaffen hat. Es ist unser Wesen und unsere Berufung, an Gottes Heiligkeit teilzuhaben. Das ist keine billige Gnade. In diesem Sinn, auf dem Weg zu mehr Liebe und mehr göttlicher Großzügigkeit des Herzens, kann die Begegnung mit Gott durchaus als anstrengend empfunden werden. Es ist dann aber die Anstrengung der Befreiung und Erhebung, nicht das Anstrengende einer auferlegten Erniedrigung und Einengung.
- Wer sich auf den Weg des Glaubens einlässt, muss darauf gefasst sein, dass ihm falsche Gottesbilder zerbrechen, heilsam zerbrechen. Es wird die Augenblicke geben, in denen Gott dann unendlich fern vorkommt. Es wird die Erfahrung der ungeheuren Größe Gottes geben, der alles geschaffen hat. Es sind Augenblicke, in denen die Distanz zu Gott zu wachsen scheint. Aber gerade aus einer solchen Distanz, dem Schritt zurück aus zu selbstverständlicher Intimität, wird mir vielleicht erst deutlich, wie groß die Liebe und wie überquellend die Freigiebigkeit dieses Gottes ist, der mir zuvor so eng und bedrängend schien. Amen.