Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Lukas)

Zurück zur Übersicht von: 18. Sonntag Lesejahr C

4. August 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Geliehene Zeit

  • Das Leben gehört mir nicht. Die Zeit ist mir nur anvertraut. Unbewusst haben wohl viele Menschen ein Gespür dafür. Auch wenn sie dieses Gespür nicht religiös nennen würden, ist es das doch zutiefst. Am ehesten noch beschleicht uns diese Ahnung, dass das Leben uns anvertraut und die Zeit ein Geschenk ist, wenn wir ein kleines Kind sehen - nicht Eigentum seiner Eltern, sondern ihnen anvertraut.
  • Ich bin überzeugt, dass die allermeisten Eltern alles für ihr Kind tun und ihm geben, das ihnen möglich ist. Sie wollen ihren Kindern ein gutes Leben ermöglichen. Sie sparen für ihre Kinder. So machen es nach Kräften die meisten Eltern.
  • Umso tragischer ist, dass wir als Gesellschaft das Gegenteil tun. Wir verbrauchen die Zeit, die uns anvertraut ist, als würde sie uns gehören. Einzelne mögen für ihre Kinder sparen. Als Gesellschaft verbrauchen wir heute schon, was unsere Kinder erst erwirtschaften müssen; den Berg von Staats-Schulden hinterlassen wir ihnen wie selbstverständlich. Der Atommüll, der auf Hunderte von Generationen die Zukunft belasten wird, ist nur die Spitze des Eisberges, gegen den wir das Luxusschiff der Gegenwart rammen. Nie in der Geschichte ging es so vielen Menschen so gut wie in den letzten Jahrzehnten in den westlichen Industriestaaten. Aber den Nachkommenden hinterlassen sie Schulden, verbrauchte Ressourcen, verseuchte Umwelt und Berge von strahlendem Müll.
    Eigentlich kann das jeder wissen, der für seine Kinder das Beste hinterlassen will. Und doch tun wir gemeinsam so, als würde uns die Zeit und das Leben gehören, das eigene wie das der zukünftigen Generationen.

2. Habsucht

  • Der Gleichnis, das Jesus im Evangelium erzählt, erzählt im Kern von einem Menschen, der das Leben ausschließlich als seinen Besitz und den Zweck des Lebens ausschließlich im eigenen Genießen sieht. Darin sieht Jesus den Kern der Habsucht.
  • Deswegen verstrickt sich in dem Gleichnis der Reiche Gutsbesitzer in ein Selbstgespräch, in dem alles nur um ihn selbst kreist. Nur noch ein Gottesspruch vermag das zu durchbrechen: "Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern." Dein Leben gehört dir nicht, es war dir immer nur als ein wertvoller Schatz anvertraut.
  • "Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt." Wir könnten das auch so formulieren: Der Sinn meines Lebens erfüllt sich nicht in dem 'Haben für Mich', schon gar nicht lässt sich der Sinn des Lebens steigern durch ein 'Immer-Mehr-Haben'.

3. Vor Gott und einander reich

  • Sinn oder Unsinn des Lebens stellt Jesus vielmehr als die Alternative dar: "nur für sich selbst Schätze sammeln" oder aber "vor Gott reich sein".
    Das Reich-Sein-vor-Gott ist aber nicht deswegen so wichtig, weil Gott willkürlich etwas Unsinniges von uns fordern würde. Reich-Sein-vor-Gott besteht in dem Schatz an Liebe, den ich in meinem Leben anlege.
  • Das ist auch die einzige Waffe gegen den Zynismus. Denn angesichts der scheinbaren Aussichtslosigkeit liegt es nahe zu sagen: Gegen die großen Probleme der Zeit bin ich machtlos. "Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens!"
    Die Antwort des Glaubens aber ist: Tue das, was jetzt richtig ist und was allein deinem Leben Sinn verleiht! Das Leben und alles, was wir essen, was wir trinken, was wir haben und genießen hat nur dann einen Sinn, wenn wir es mit und für andere tun. Nicht um alle Probleme der Welt zu lösen, sollen wir die Habsucht meiden, sondern weil die Habsucht das Leben sinnlos und leer macht.
  • Durch die Taufe sind wir in Beziehung gesetzt zu Gott. Gott macht in der Taufe ausdrücklich, dass Menschen nicht für sich selbst und aus sich selbst leben müssen, sondern als Teil der Gemeinschaft der Kinder Gottes. Ja, das Leben und die Zeit sind uns anvertraut, nicht dass wir sie für uns selbst verbrauchen, sondern damit wir damit für einander da sind. Diese Gemeinschaft ist der wahre Schatz vor Gott - und den Menschen. Amen.