Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 19. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus)

Zurück zur Übersicht von: 19. Sonntag Lesejahr A

8. August 1999 - St. Barbara, Krakau

1. Gegenwind

  • Das Boot der Jünger war nicht in Seenot. Sie hatten schlichtweg Gegenwind. Oder um genauer mit dem griechischen Text zu reden: Der Wind stand ihnen entgegen. Auf deutsch sagt man: Es herrschte Gegenwind. Damit ist das Problem genau gefasst. Der Wind, der uns ins Gesicht bläst, hat etwas Beherrschendes, wenn er weht. Wer nur mit dem Auto unterwegs ist, kennt das nicht: Es herrscht Gegenwind. Nur wer in einem Ruderboot oder auf einem Fahrrad gegen die Herrschaft des Gegenwindes kämpft, weiß wovon im Evangelium die Rede ist.
    Nicht nur das richtige Verkehrsmittel ist Voraussetzung, um die Erfahrung der Jünger zu teilen, sondern auch ein Zweites: man muss ein Ziel haben. Wer nirgendwohin will, der hat kein Problem mit dem Gegenwind, er kann sich jene Richtung aussuchen, in die der Wind ihn treibt. (Nur wer in der Norddeutschen Tiefebene mit dem Rad fährt wird frustriert feststellen, dass dort absolut immer Gegenwind herrscht!). Wer ein Ziel hat und auf dieses Ziel unbeirrt hinarbeitet, muss mit der Herrschaft des Gegenwindes rechnen.
  • Die Jünger im Boot haben ein solches Ziel. Es ist ihnen von Jesus vorgegeben und ist hier symbolisch das andere Seeufer, Gennesaret, wo die Auseinandersetzung mit den Pharisäern und das Heilen der Kranken die Aufgabe ist. Worin aktuell das Ziel besteht, das es trotz Gegenwind anzusteuern gilt, wird jeweils festzustellen sein. Wir erkennen es aber sicher nicht einfach nur daran, dass der Wind uns dabei im Rücken liegt, sondern nur daran, dass es ein Auftrag Jesu ist, dass es um den Menschen geht, und dass dabei Konflikte unvermeidlich sind.
  • Es ist ein bei Konservativen wie Progressiven gleichwohl beliebtes Kriterium, nur darauf zu achten, dass der Gegenwind aus der richtigen Richtung kommt. Das wird dann als Ausweis dafür genommen, dass man auf dem richtigen Kurs sei. "Viel Feind, viel Ehr" hätte man früher dazu gesagt. Das ist es aber sicher nicht, was das Evangelium bezeichnet. Um zu wissen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, hilft es nur, beständig die Messlatte anzulegen: Mit welchen Augen hätte Jesus diese Frage gesehen? Und: Wo sind die Menschen, zu denen wir gesandt sind?

2. Petrus geht unter

  • Die Jünger im Boot hätten es als gutes Zeichen interpretieren können, dass ihnen auf dem Weg, den sie eingeschlagen haben, Jesus begegnet. Dass sie ihn zuerst nicht erkennen schadet dabei nichts, denn der Herr gibt sich von sich aus schon zu erkennen. Derjenige aber, der jetzt wieder ein besonderes Verhalten an den Tag legt und dabei wieder eine besondere Erfahrung macht ist Petrus. Wie dürfen diese Erfahrung getrost auf das Amt in der Kirche, insbesondere auf das Petrusamt übertragen, wie das auch die ganze Tradition der Auslegung der Heiligen Schrift getan hat. Was aber ist der Kern dieser Erfahrung?
  • Petrus geht außerhalb des Bootes unter. Trotz der Aufforderung und Einladung Jesu kann Petrus sich nicht kraft seines eigenen Glaubens über Wasser halten. Zu meinen, ich könnte aussteigen und meinen eigenen Weg zu Jesus gehen (er ruft ja!) ist schiere Selbstüberschätzung. Das ist nicht etwa an die Adresse irgendwelcher Außenseiter gerichtet, sondern an den Petrus-Felsen der Kirche.
  • Das Boot ist bekanntlich eines der ältesten Symbole für die Kirche. Daher kann die Symbolik gar nicht überschätzt werden, dass Petrus "außer der Gemeinschaft Kirche" selbst nichts als kleingläubig ist und untergeht. Das gilt für den Petrus vor Ostern oder nach Ostern genauso wie für den Hl. Vater, jeden Bischof und jeden Priester heute. Daher führt ihn ja auch Jesus zurück ins Boot. Erst zusammen mit Jesus im Boot kann Petrus an das Ziel gelangen. Der Glaube und die Lehre des Petrusamtes können daher immer nur der Glaube und die Lehre der Kirche sein, fußend auf der Lehre Jesu und gemeinsam mit ihm im Boot.

3. Die Richtung

  • So steht denn am Ende des Evangeliums wieder die anbetende Erkenntnis: "Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn". Die Gemeinschaft mit Gott selbst wird dort erfahren, wo wir uns - trotz des Gegenwindes, nicht wegen des Gegenwindes - im Vertrauen auf den Auftrag Jesu auf den Weg machen. Wenn wir unser Leben nicht geschehen lassen und treiben lassen, sondern nach diesem Auftrag und dieser Richtung fragen, dann werden wir uns im Glauben mit anderen in einem Boot finden. Es ist das Boot des gemeinsamen Glaubens in der Kirche. Der Glaube, der die Gegenstimmen und Gegenwinde erfährt, aber auch relativiert, weil er ein absolutes Ziel hat. Es macht die Größe dieses Zieles aus, dass es sich im ganz Konkreten bewährt: dort wo ich lebe, dort wo ich Verantwortung trage, dort wo Menschen Hilfe brauchen. Amen.