Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 19. Sonntag im Lesejahr B 2015 (Epheserbrief)

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9. August 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Menschenhetze im Internet

  • Terrorismus, todbringende Gewalt und menschenverachtende Hetze beginnen am Computer. Dort sitzen die späteren Täter und die Wegbereiter und treiben sich in Netzwerken wie Facebook oder Blogs wie Wordpress dazu an, andere Menschen verbal zu erniedrigen und zu entmenschlichen. Nur Wenige werden später als Kämpfer nach Syrien ziehen oder in Deutschland Brandsätze auf Häuser von wehrlosen Menschen schleudern. Aber einige eben schon, und die anderen rühren eifrig die Nährsuppe für die, die sich als Vollstrecker und Helden der Tat fühlen wollen.
  • Was mich schockiert ist, wie schamlos das alles wird. Denn diese Hetze geschieht keineswegs nur anonym. Längst scheinen sogar bürgerliche Kreis stolz darauf zu sein, einen Jargon zu beherrschen, von dem sie meinen, in ihm sei es erlaubt, Menschen zu Ungeziefer zu erklären, weil sie als Flüchtlinge zu uns kommen oder Muslime sind.
  • Das ist kein fernes Phänomen. Bis tief in katholische Kreise hinein ist das zu beobachten. Letzte Woche hat sich unser Bischof Stefan Heße - wie andere Bischöfe auch - zu mehr Nachdenklichkeit in Fragen der Ehe- und Sexualmoral bekannt. Im Internet findet man daraufhin Katholiken, die sich selbst namhaftvorkommen, in verbale Hetze verfallen. In einem Blog las ich den Kommentar: "Heute hat man das Gefühl, dass sie (diese Bischöfe) vor der Weihe kastriert werden." Ein promovierter Historiker, der frech als Berater katholischer Einrichtungen auftritt, kommentiert: "Ihnen wurde nur das Rückgrat operativ entfernt und zum Bischofsstab umgearbeitet". Offenbar ist man in diesen Kreisen stolz auf solche Entgleisungen, dienen sie doch zur Bestätigung der angeblich einzig gültigen Wahrheit. Dafür kann man andere nach Lust und Laune kränken und beleidigen.

2. Beleidigung des Heiligen Geistes

  • "Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung." Dieser Satz aus dem Epheserbrief wurde heute gelesen. Er enthält in dem Kontext, den ich eben beschrieben habe, eine komplette Theologie, was es bedeutet getauft zu sein. Denn die Paulusbriefe beschreiben es gerne so, dass in der Taufe dem Menschen ein Siegel, ein Gütezeichen, verliehen wird. Ein Mensch wird als wertvoller, heiliger Schatz Gottes markiert durch das Siegel des Heiligen Geistes, das ihm aufgeprägt wird. Die ganze Würde des Menschen als Kind Gottes bekommt ein Zeichen, an dem jeder erkennen können soll, dass Gott diesen Menschen in Liebe angenommen hat: "als seine geliebten Kinder".
  • Aber eben dieser Heilige Geist, "dessen Siegel ihr tragt ", kann beleidigt werden. Luther übersetzt nicht "beleidigen", sondern "kränken". Leider ist beiden Worten gemeinsam, dass mit ihnen fast verschleiert wird, was da geschieht. Denn allzu sehr scheint mir dem Sprachgebrauch anzuhängen, dass sich jemand beleidigt oder gekränkt fühlt. Alt schon ist die Redensart von der 'beleidigten Leberwurst', die schnell gekränkt sei und schmollt. Sie sei selbst dran schuld, scheint die Redensart zu sagen.
    Dabei gerät außer Blick, dass Beleidigen Leid zufügt und Kränken krank macht. Vielleicht sind diese Wörter nicht zu retten und wir müssen zum Anglizismus 'Mobbing' Zuflucht nehmen, um der einfachen Wahrheit Gehör zu verschaffen, dass hier Menschen durch üble Sprache Leid zugefügt wird und sie krank gemacht werden. Das Beispiel der Hetze gegen Menschengruppen zeigt, dass die Beleidigung sich gerne in Allgemeinheiten verkleidet (von Schmarotzern und Kanaken oder eben Kastraten schwadroniert), die Gewalt am Ende aber ganz konkreten Einzelnen Leid zufügt und oft genug nicht nur krank macht, sondern systematisch ermordet.
  • Mit der Formulierung "Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes" verweist der Epheserbrief auf diesen Zusammenhang. "Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung" fügt nicht nur dem Menschen, der da konkret beleidigt wird, Leid zu, sondern fügt dem Heiligen Geist Leid zu. Dieser Gedanke ist für Christen nicht so absurd, wie er manchen Leuten vorkommen mag, denn das Kreuz ist für uns das Zeichen dafür, dass Gott das Leid der Welt auf sich nimmt und an sich heran lässt, mit aller leidvollen und tödlichen Konsequenz.

3. Heilende Vergebung

  • Durch die Taufe ist dieser Geist Gottes aber nicht mehr von dem Menschenkind zu trennen, das da getauft worden ist. Es trägt das Siegel des Heiligen Geistes. Das bedeutet, dass ein solcher Mensch immer dann betroffen ist, wenn anderen Leid zugefügt wird, aber auch, dass ein Christ dort, wo er sich in seiner Sprache zum Bösen verführen lässt, nicht nur einem anderen Menschen, sondern der ganzen Gemeinschaft der Kirche und sogar Gottes Heiligem Geist Leid zufügt,
  • Doch es gibt aber auch das andere: "Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat." Durch die Taufe sind wir immer auch hineingestellt in einen Zusammenhang der Vergebung und der Überwindung von Gewalt. Jeder kleine Akt der Vergebung, jedes gute Wort, und sei es noch so sehr im Stillen zu einem Anderen gesprochen, heilt die Kränkung und Krankheit, mit der das Lästern die Luft zu vergiften scheint.
  • "Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung." Wir tragen also als Getaufte das Siegel des Geistes "für den Tag der Erlösung". Mir ist dieser Hinweis ganz wichtig. Denn der "Tag der Erlösung" bezeichnet den Tag, an dem all das an ein Ende kommt, das sich lautstark gebärdet und meint, Macht über alle zu haben. Gegenüber den Menschenhetzer scheinen die Menschenfreunde so vergeblich und machtlos. Sie sind es aber nicht. Am "Tag der Erlösung" wird Gott offenbar machen, dass nichts von dem vergeblich war, worin wir mit unserer kleinen Kraft im Heiligen Geist gelebt und gesprochen haben, wo wir ganz alltäglich Gemeinschaft der Kirche Gottes sind, "als seine geliebten Kinder" leben. Amen.