Predigt 2. Adventssonntag Lesejahr B 2002 (Markus)
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8. Dezember 2002 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
Die Stimmung dieser Predigt ist geprägt durch den Film "Heaven" (2002) von Tom Tykwer. Aus einem Geflecht von Schuld und Tragik führt Tykwer seine Heldin zu ihrem persönlichen Anfang zurück. Der Film belässt den Himmel, der sich ihr öffnet, in offenen Bildern. Er zeigt aber zugleich, dass diese Welt zu ihrer inneren Einheit finden muss, damit sich dieser Himmel öffnet. |
1. Anfang
- "Anfang des Evangeliums" wurde uns heute verkündet. Anfang ist zeitlicher Beginn, aber auch Grund und Ursprung, die Basis von allem. Was keinen rechten Anfang hat, mit dem lässt sich nichts anfangen.
- Im Anfang der gesamten Schöpfung, so heißt es, tritt Gott hervor und erschafft Himmel und Erde. So ist dem Himmel und der Erde der Grund gelegt in der Souveränität Gottes. Zugleich ist es ein guter Anfang, denn der Schöpfer dieser Welt ist kein arglistiger Demiurg, sondern ein guter Gott.
Vom Anfang der Schöpfung an zieht sich in der Bibel wie ein roter Faden das Liebeswerben Gottes um den Menschen. Aber schon in den ersten Kapiteln wird auch der Riss deutlich, den die Ablehnung des Menschen in diese Schöpfung reißt. Wo Leben sein soll, dominiert so die Vergänglichkeit. Wo Gott sich ein Heiliges Volk sammeln will, dort ist Dürre, wie Gras dürr wird, wenn ihm das Wasser abgeschnürt wird.
- Vom Anfang des Evangeliums wird erzählt, dass die Menschen zum Wasser gerufen werden. Johannes der Täufer, der letzte in der Reihe der Propheten, ruft das ganze Volk in die Wüste zu kommen und sich im Wasser des Jordans taufen zu lassen. Johannes lädt nicht diesen oder jenen Schwerverbrecher ein zu Umkehr und Taufe, sondern das ganze Volk, groß und klein. Nur wenn jeder umkehrt, kehrt die Schöpfung zum Anfang zurück. "Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht", ruft der Prophet Jesaja; seht: Gott schafft einen neuen Anfang.
2. Taufe Jesu
- Erst die späteren Evangelien von Matthäus und Lukas reflektieren darüber, welche Ungeheuerlichkeit darin liegt, dass Jesus selbst sich einreiht in das Volk, das zur Johannestaufe an den Jordan kommt. Er, der schon der neue Anfang Gottes mit dieser Welt ist, setzt sich nicht ab vom Volk, sondern wird eins mit ihm.
- Bewusst wird im Advent nur der erste Teil der Szene am Jordan in der Lesung aufgenommen. Der Taufe Jesu ist ein eigenes Fest gegen Ende der Weihnachtszeit gewidmet. Der Advent hingegen soll uns wieder Hinführen zu den Bedingungen dieser Taufe und zu der Vorgeschichte Jesu. In der Vorgeschichte Jesu liegt die Möglichkeit unserer eigenen Geschichte mit ihm, der einer von uns werden wollte.
- Zugleich aber liegt in der Vorgeschichte schon die Ankündigung: Dieser, der kommen soll, wird nicht nur mit Wasser taufen, sondern mit Heiligem Geist erfüllen. Er wird solche Nähe zu Gott bringen, dass jeden, der sich in seinem Namen taufen lässt, der Geist Gottes ergreifen kann.
3. Unser Anfang
- Damit ist der Ball zunächst auf unserer Seite. Zwar hat der Advent schon längst den Charakter der Vorbereitungszeit verloren. Diese Wochen tragen aber genug Stimmung der Hoffnung und der Sehnsucht in sich, um daraus eine Vorbereitung auf das Erscheinen Gottes im Fleisch des Menschen werden zu lassen.
- Der Anfangs-Grund unserer Beziehung zu Gott mag jedem von uns sehr verschieden vorkommen. Ob in großer innerer Bereitschaft oder mit schleppender Last; ob das Gefühl vorherrscht, im Reinen zu sein, oder ob mich die Brüche und Inkonsequenzen meines Lebens bedrücken - bei jedem wird das anders sein. Das ist auch in Ordnung so. Wichtig ist, dass wir diesen Anfangs-Grund nicht überspringen oder glattschleifen, sondern wahrnehmen.
So lange wir in den Straßenschluchten unserer Hilflosigkeit herumirren, wird der Himmel nicht sichtbar sein. Zu viele Wolkenkratzer menschlicher Hybris verstellen uns den Blick. Wir werden aber hier Menschen haben und treffen, die uns die Kraft geben den Weg daraus zu suchen. Zum Anfang zurück zu gehen bedeutet dabei nicht Regression und Rückschritt, sondern aus der Reinheit des ersten Beginns den Weiten Horizont für unsere Zukunft zu finden.
- Die Heilige Schrift lädt uns mit den Texten des heutigen Sonntags dazu ein, auf unsere Sehnsucht zu hören, und sie bietet uns eine Verheißung. Die Sehnsucht führt den Täufer Johannes in die Wüste und in die einfachsten Lebensverhältnisse, mit Heuschrecken als Nahrung und billigstem Kamelhaar als Kleidung. Auch wenn das für uns nicht ganz so aussehen wird und aussehen kann, so liegt darin doch der Hinweis, wie wir unseren Neuanfang mit Gott wagen können: Hinauszugehen in die Stille, suchen nach der Sehnsucht und bereit sein, sich von Gott hinkehren zu lassen zu einem neuen Anfang. So können wir mit dem Menschen eins werden, der in Christus erschienen ist. Amen.