Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt 2. Adventssonntag Lesejahr C 2012 (Philipperbrief)

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9. Dezember 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auf Wiedersehen

  • "Auf Wiedersehen - in dieser oder der nächsten Welt". Manchmal sage ich das zum Abschied, wenn ich einen netten Menschen kennen gelernt habe, es aber eher unwahrscheinlich ist, dass wir uns in diesem Leben wieder sehen. Ich meine es durchaus ernst: Wenn es in dieser Welt nicht sein soll, freue ich mich auf ein Wiedersehen in der nächsten Welt.
    Meistens reagieren die so verabschiedeten im Übergang von irritiert nach erfreut. Denn es ist doch ein schöner Wunsch für den anderen (und nebenbei auch für mich selbst), sich im Himmel wieder sehen zu wollen.
  • Mit diesem Abschiedsgruß erinnere ich mich daran, dass die Weltzeit durchlässiger ist, als das einfache Schema 'Anfang mit der Geburt - Ende mit dem Tod'. Über dem Anfang eines jeden Menschen steht von Ewigkeit her das "Es werde" des Schöpfers; "und Gott sah, dass es gut war". Und das scheinbare Ende ist ein Hineingehen in die Gemeinschaft mit Gott jenseits der zeitlichen Begrenztheit dieser Welt.
  • Als Paulus die Zeilen, die wir heute als zweite Lesung gehört haben, an die Kirche in Philippi schreibt, weiß er nicht, ob er seine Freunde auf Erden noch einmal wieder sehen wird. Deswegen auch beginnt er den Brief mit einem Dank für die Erfahrung der Gemeinschaft im Glauben und mit einem Blick auf den "Tag Christi Jesu", jenem Tag, an dem Christus, an den die Gemeinschaft der Kirche glaubt, alles vollenden wird, was wir auf Erden begonnen haben.

2. Erwartung der Ankunft

  • Dieser Brief wird am Zweiten Adventssonntag gelesen, wegen der Freude auf das Wiedersehen. Die Vorbereitungszeit auf Weihnachten ist nicht nur Vorfreude auf Weihnachten. Wenn wir uns durch die Motive der Gottesdienste im Advent berühren lassen, merken wir schnell, dass die "Ankunft" - das bedeutet das lateinische Wort "adventus" - sich nicht nur auf das Fest des Kindes in der Krippe bezieht.
  • In den Gottesdiensten des Advent klingt mindestens so stark die 'offenbare Ankunft' Christi mit, wie seine 'verhüllte Ankunft' in Betlehem. Im Stall von Betlehem wird man ein Kind sehen. Nur das Geschenk des Glaubens macht es möglich, in diesem Menschenkind die Gegenwart des Einziggeborenen Gottes zu begreifen. Der "Tag Christi Jesu", von dem Paulus spricht, ist der Augenblick, in dem dieses Gegenwart Gottes nicht mehr ein tastendes Glauben, eine Sehnsucht und ein Hoffen ist, sondern zur lebendigen Begegnung wird. Das schwingt mit, wenn Paulus schreibt: "Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat".
  • Paulus schreibt seinen Brief auf dem Weg dorthin. Er selbst ist augenblicklich im Gefängnis. Aber sein Brief ist voll Freude, weil er nicht den dunkeln Weg, sondern das Licht einer lebendigen Gemeinschaft vor Augen hat. Der selbe Christus, der in den fernen Christen in Philippi wirksam ist, erfüllt auch Paulus in seiner Zelle. Das eine wie das andere ist ein Weg, der verhüllt ist, wie der Weg Gottes auf Erden, der in der Schmach des Kreuzes endete. Das eine wie das andere, Dunkel und Freude, hat zugleich ein Ziel: Die Ankunft Gottes am "Tag Christi Jesu", wenn diese Welt zerfällt, um vollendet zu werden.

3. Widerstände überwinden

  • Bei Paulus gehen die Sehnsucht nach dem Kommen des Tages Christi und die Sehnsucht nach dem Wiedersehen mit seinen Freunden in Philippi zusammen. Christus ist das Band, das diese Freundschaft verbindet.
  • Die Lesungen dieses Sonntags haben das Stück aus dem Philipperbrief zu einem Abschnitt aus dem Buch Baruch im Alten Testament und dem Bericht über das erste Auftreten Johannes' des Täufers gestellt. In beiden Texten taucht das Bild auf von den Bergen, die sich senken, und den Tälern, die sich heben, damit der Weg frei wird; das Bild stammt ursprünglich vom Propheten Jesaja.
    Das Buch Baruch lässt Gott sprechen: "Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel, und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land", damit das Volk Gottes in seine Heimat finden kann, zum Heiligen Berg in Jerusalem. Das Evangelium überträgt das Bild auf die Aufforderung des Täufers, sich auf die Begegnung mit Christus vorzubereiten.
  • Das ist die Botschaft der drei Schriftlesungen heute: Hier auf Erden und dort in der Vollendung geht es um das selbe: Zusammenkommen in der Gemeinschaft mit Gott. Möglich ist das, weil Gott selbst uns entgegen kommt. Wenn wir uns auf ihn einlassen, werden wir erleben, dass keine Abgründe und keine unüberwindlichen Hürden uns Menschen von einander trennen. Gott selbst ruft dem tiefen Tal zu: Hebe dich!, und dem Berg: sei kein Hindernis! In seinem Licht wird all das, von dem wir meinen, dass es nicht zu überwinden sei, klein im Vergleich zu der Freude, wenn wir uns wiedersehen - in dieser oder in der nächsten Welt. Amen.