Predigt passend zum Fest Darstellung des Herrn (Mariä Lichtmess) 2003
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16. Februar 2003 - Kapelle Wissen
1. Warten
- Eine Prophetin sei Hanna, sagt das Johannesevangelium. Eine Frau,
die zu anderen über Gott spricht. Eine Frau, die Gott verkündet. Sie
steht neben dem
greisen Simeon, von dem knapp und ohne Einschränkung gesagt wird, er sei
gerecht und fromm. Fromm, das bedeutet vom Wort her: Das Gute ergreifen
oder gut annehmen.
Beide, Simeon und Hanna sind wie das Volk Israel Menschen, deren Leben
Erwartung ist: Erwartung, dass Gott sich zeigt. Sie stellen das Beste an
Israel dar:
Ein Volk, das Sehnsucht hat nach seinem Gott und Ausschau hält nach
Gottes Gegenwart.
- Hanna ist hochbetagt. 84 Jahre ist sie alt und Witwe seit vielen
Jahren. (Die Übersetzung könnte sogar gelesen werden: Seit 84 Jahren
Witwe!). Und wie
Simeon in seinem Alltag gerecht lebt, so tut Hanna das, was sie vermag
und kann: Sie dient Gott Tag für Tag im Tempel durch Fasten und Beten.
Und beide
warten sie, erwarten Gott. Ein langes Leben lang. Sie halten es für
möglich, dass Gott nicht nur Theorie und Abstraktion ist. Sie vertrauen
der Zusage und
Treue Gottes und warten.
Schon darin ist Hanna und mit ihr Simeon für uns eine Gestalt des
Glaubens. Denn, Hand auf´s Herz, es ist gar nicht so selbstverständlich,
von Gott etwas zu
erwarten. Vielmehr dürfte ich nicht der einzige Christ sein, der sich
dabei ertappt, sein Leben vielfach so eingerichtet zu haben, dass ich
nicht mehr von
unvorhergesehenen Ereignissen aus der Bahn geworfen werde. Warten, gar
bis in´s hohe Alter warten und vertrauen, ist ein hohes Risiko. Ob Gott
so treu ist,
wie die Heilige Schrift es uns verheißt? Oder ob wir nicht lieber wie
weiland die Helden der Aufklärung die Hypothese "Gott" aufgeben sollten -
oder es
de facto schon getan haben?
- Hanna ist die Braut, die auf Ihren Geliebten wartet, weil sie ihm
vertraut, dass er kommt. Sie wartet nicht untätig. Sie bereitet sich
vor. Sie spricht im Gebet
mit ihm und sie fastet, wie nur Menschen fasten, die sich den Appetit
auf ein fulminantes Hochzeitsgelage nicht verderben wollen.
2. Sehen
- Simeon und Hanna, haben nicht vergeblich gewartet. Gott zeigt sich
ihnen. Ein Licht nicht nur für sie selbst, nicht nur Herrlichkeit für
ihr eigenes Volk Israel,
sondern Licht für alle Kulturen, die Gott noch fern sind (so wäre das
Wort "Heiden" - "ethnä" treffend zu übersetzen). In diesem Kind zeigt
sich für
Menschen, die angerührt sind von Gottes Geist, das Heil aller Menschen.
- Insofern gehört dieses Evangelium zu Weihnachten, denn noch vor
allen Predigten und Wundern Jesu zeigt sich im Kind bereits die ganze
Nähe Gottes.
Deswegen ist es ein zutiefst christliches und biblisches Tun, wenn
Christen zur Krippe gehen und schauen und wenn wir vor der Einfachheit
des Allerheiligsten
knien und nichts tun denn: schauen.
- Simeon betont in seinem Dankhymnus an Gott, dass das Heil, das
sich da zeigt, schrankenlos ist. Gott zeigt sich allen Sprachen, Völkern
und Kulturen. Es
gibt keinen Menschen, der von sich sagen müsste, dass ihm das Evangelium
verstellt ist - wenn wir nur das eine tun: sehen, was Gott getan hat
und in
Bereitschaft leben. Hanna, die Wartende, wird zu Hanna, der Sehenden.
3. Reden
- Kein Wort dieser Frau ist uns überliefert. Aber sie war keine
Schweigende, sondern hat über das gesprochen, was ihr Leben erfüllt hat.
Diese Frau muss
solchen Eindruck gemacht haben, dass noch Jahrzehnte später, als das
Evangelium von Lukas schriftlich notiert wurde, von ihr gesagt wird: "Sie sprach über
das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten".
- Vielleicht ist es kein Zufall, dass - im Unterschied zum Lied des
Simeon - das Evangelium Hanna nicht mit einem Psalmengebet vorstellt,
sondern es bei der
schlichten Feststellung belässt, Hanna habe über Jesus gesprochen. So
können wir unschwer den Klang ihrer Stimme uns vorstellen und uns an
Menschen, oft
Frauen wie Hanna, erinnern, die auf eine sehr persönliche und
glaubwürdige Weise zu uns über Jesus gesprochen haben.
- Hanna sprach zu allen, "die auf die Erlösung Jerusalems warteten". Dies ist uns, der Kirche gesagt. Auch und gerade, wenn wir das Buch der Heiligen Schrift
in Händen halten und uns das Evangelium schon verkündet wurde: Christus ist der Herr!,
auch dann beginnt für uns der Glaube beim Warten. Nicht beim
tatenlosen Warten, sondern beim gerechten Leben, beim Ergreifen des
Guten, in dem Gott sich zeigt, und beim Hören auf die Rede dieser Frau.
Dann, da ist
sich das Evangelium sicher, werden wir ganz gewiss diese Freude
erfahren, die für Hanna und Simeon die Erfüllung ihres ganzen Lebens
war. Amen.