Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2017
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23. April 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Alles Gemeinsam
- "Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam." Nicht für jeden mag das eine faszinierende Vision sein. Für mich schon. Wenn es möglich wäre, dass die Güter dieser Welt so erzeugt und verteilt werden könnten, dass alle das haben, was sie zu einem guten Leben brauchen, dann wäre das eine faszinierende Vision. Eine Welt, in der Eigentum nicht zu Abschottung, Abhängigkeit und Elenbogen führt, sondern Gerechtigkeit und Gemeinschaft möglich sind, ist eine Welt in der zu leben lohnt. Irgendwo sollten wir beginnen, das zu leben.
- Das heutige Stück aus der Apostelgeschichte wird am Sonntag zum Ende der Osterwoche gelesen. Es steht in der Bibel nach dem Pfingstbericht. Das bedeutet: Hier wird die neue Welt sichtbar, in die hinein Jesus auferstanden ist. Diese neue Welt wird zugleich durch Gottes Geist sichtbar im Zusammenleben von Christen hier in dieser Welt. Etwas von dem Himmel, in den uns Jesus vorangegangen ist, wird unter den Christen realisiert. Ein Vorgeschmack, ein Teaser, ein Angeld auf den Himmel, das nur möglich ist, wo sich Menschen vom Geist Gottes erfüllen lassen.
- Oft liest man, was die Apostelgeschichte schreibt, sei idealisierend. So habe es das nie gegeben. Wir sollten vorsichtig sein, mit solchen Urteilen. Vielleicht will man damit nur die fade Gegenwart entschuldigen. Natürlich hatten auch die Christen der ersten Gemeinde in Jerusalem eigene Häuser, eigenes Einkommen und Vermögen. Das geht aus dem Folgenden deutlich hervor. Aber sie verstanden das nicht als ihren Privatbesitz, sondern als ihren Beitrag für alle. "Sie bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam." Das ist eine Lebensweise und eine Weise zu besitzen, die nicht auf Abgrenzung, sondern auf die Freude einer echten, von Liebe geprägten Gemeinschaft zielt (vgl. 1.Korinther 7,30) Ich finde das faszinierend.
2. Festhalten an der Lehre der Apostel
- Bei der Begeisterung für die Vision der Gütergemeinschaft übersieht man leicht: Das ist nur eines von vier Elementen, die die Apostelgeschichte zusammen festhält. Und nur zusammen mit den anderen drei ist die geschilderte Gemeinschaft wirklich lebenswert. Es heißt: "Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten." Ohne die drei anderen wäre die Gütergemeinschaft nicht möglich - oder nicht wünschenswert.
- Die "Lehre der Apostel" ist das Evangelium Jesu. Wer Jesus ist, was er gelebt und gelehrt hat, ist nicht beliebig. Vielleicht meinen sehr viele, Glauben sei doch das, was sich jeder aussucht. Neulich hatte ich ein Gespräch, wo jemand meinte, zwei der Zeilen im Vater Unser seien sicherlich falsch übersetzt, denn er finde, eine ganze andere Variante viel besser. Er hatte noch einen Rest dessen was mit "Festhalten an der Lehre der Apostel" gemeint ist, wenn er nicht einfach seinen Wunsch über das Wort Jesu stellt ('falsch übersetzt' statt 'Jesus meinte zwar, ich aber sage euch!'). Aber er ist nah dran an dem, was heute gerne mit "alternativen Fakten", die sich jeder aussuchen kann, auch politisch normal geworden zu sein scheint. Die Beliebigkeit des Gottesbildes ist der Wurzelgrund der Beliebigkeit überhaupt.
- Wenn über die Wirklichkeit derart willkürlich verfügt wird, dann wäre Gütergemeinschaft entweder nicht möglich, oder sie wäre gefährlich. Nicht möglich wäre sie, wenn die Beliebigkeit eines jeden Einzelnen es undenkbar macht, sich in einer solchen Gemeinschaft an einander zu binden (Glaube was du willst! Halte für Fakten was du willst! Wahr ist was dir gefällt!). Gefährlich wäre sie, wenn die Gemeinschaft zur Sekte wird, wo der Glaube dem Belieben eines Guru oder einer Clique unterstellt, und Gemeinschaft zum Terror wird. Dagegen kann nur das immer neue Hören auf die "Lehre der Apostel" eine Gemeinschaft begründen, in der alle "alles gemeinsam" haben können. Gerade so hat der Einzelne unverwechselbaren Wert und Einzigartigkeit haben. Als Kinder Gottes und nur als solche können wir Gemeinschaft leben, sei es in den Familien, sei es in christlichen Gruppen oder Freundeskreisen, sei es als Kirche.
3. Gebet und Brotbrechen
- Zwei weiter Elemente gehen mit der christlichen Gemeinschaft notwendig zusammen. Das Gebet und das Brotbrechen. Beide wären es wert, dass man länger darüber nachdenkt.
- Denn mit Gebet ist nicht gemeint, dass wir als einzelne oder Gemeinschaft regelmäßig Wunsch- oder Beschwerdelisten Gott entgegenmurmeln. Gebet ist vielmehr die Grundhaltung, das Leben mit allen Fasern in Beziehung zu Gott zu leben: in Bitte und Dank, in Lobpreis und Klage, im Sprechen und vor allem auch im Schweigen. Ohne das Gebet kreist auch christliche Gemeinschaft nur um sich selbst und wird unerträglich wie eine Familie, in der alles immer nur um die Familie geht und weder Gastfreundschaft noch Hören auf die Not von anderen einen Platz hätten. Letzteres gilt ganz besonders auch für eine Nation. Auch diese kann unerträglich werden.
- Das zweite ist das Brotbrechen. Mit "Brechen des Brotes" ist in der Bibel das Mahl in Gemeinschaft mit Gott bezeichnet, in dem in jüdischer Tradition das Brot unter Lobpreis Gottes gebrochen wird. Diese Gebetsgemeinschaft mit "Brechen des Brotes" ist der Ursprung unserer Eucharistiefeier und Heiligen Messe. Christen kommen zu dieser Feier am Sonntag zusammen, egal ob arm oder reich, ob jung oder alt, ob alleine oder mit Sippe, ob alteingesessen oder zugewandert. So sehr wir sonst zu verschiedenen Familien gehören, zu verschiedenen Gruppen, Gebetskreisen, Freundeskreisen oder vielleicht immer noch den Glauben nur mit uns selbst ausmachen und sorgsam mit niemanden teilen, so sehr manche alleine sind und andere die Gemeinschaft vielleicht auch der Güter leben - für uns alle gilt die Einladung, dies hineinzunehmen in die größere Gemeinschaft, hier am Altar, auf dem das Brot gebrochen wird, damit in diesem Brot Christus selbst gegenwärtig ist - Ursprung, Mitte und Ziel.