Predigt zum 2. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Johannes)
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15. Januar 2006 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Namen
- Spitznamen sind manchmal eine ungeliebte Altlast. Wenn eine ältere
Dame immer noch mit dem Spitznamen "Mausi" angeredet wird, dann
ahnt man dabei vielleicht noch den einstigen jugendlichen Charme - der aber
einige Jahrzehnte zurück liegen dürfte. Es gibt Leute, die in den
einen Kreisen mit ihrem alten Spitznamen gerufen werden und das vor neuen
Bekannten eifrig verheimlichen. Immer aber sind Spitznamen Reminiszenz an
die Vergangenheit.
- Jesus verteilt Spitznamen auf Zukunft hin. Kaum dass er dem Simon begegnet,
nennt er ihn kephas, griechisch den petros, den Felsen.
Das hat nichts zu tun mit der Vergangenheit des Simon. Das ist ganz ausgerichtet
auf die Zukunft hin, nicht nur auf die des Simon. Jesus macht deutlich, dass
in der Begegnung mit ihm selbst sich Zukunft eröffnet. Er beruft in die
Zukunft.
- Einige Ordensgemeinschaften haben auch heute noch die Tradition, dass man
beim Eintritt in den Orden einen neuen Namen bekommt. Es ist ein Name, und
damit eine individuelle Identität. Aber es ist ein Name, der von anderen
verliehen wird. Die Schwester oder der Bruder muss sich erst damit auseinander
setzen und daran gewöhnen. Manchen dieser Namen empfinde ich als ausgesprochen
unschön. Umso schöner, wenn dieser Name mit einem Leben der Gnade
gefüllt wird. Auf Zukunft hin, die Zukunft verwandelnd werden wir von
Gott berufen.
2. Jünger werden
- Die ersten Jünger waren vorbereitet. Nach dem Johannesevangelium gehörten
sie zu den Jüngern des Täufers, bevor dieser sie auf Jesus aufmerksam
machte. Die andern Evangelien berichten das nicht, sondern betonen, dass die
ersten Jünger ihre Familien verlassen haben, um Jesus nachzufolgen. Hier,
im Johannesevangelium hingegen werden wir darauf hingewiesen, dass das Jüngersein
mit dem Hören beginnt.
- Vom ersten Hören bis hin zum Bleiben ist der Weg der Jüngerschaft.
Vom Täufer Johannes waren Andreas, Simon und die anderen darauf vorbereitet,
offen zu sein für den Größeren, den, von dem der Täufer
gesagt hatte, er sei nicht einmal würdig ihm die Schuhriemen zu lösen.
Dieses Offensein für das Größere, scheint mir entscheidend
dafür, dass nun diese jungen Leute den Hinweis aufnehmen: "Die
beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus."
- Die folgenden Schritte sind bis heute gültig. Wer zu Jesus Christus
finden will, sollte sie beachten. Die Jünger beginnen den zu fragen,
den sie als Rabbi, als einen ihrer Frage würdigen Lehrer erkannten: "Meister
- wo wohnst du?". Sie erfahren, dass die Antwort nicht darin besteht,
eine Theorie zu hören, sondern darin, das Experiment zu machen, mitzugehen
und bei ihm zu sein: "Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte,
und blieben jenen Tag bei ihm". Sie sehen, wo Jesus gegenwärtig
ist, und sie bleiben einige Zeit dort. So werden sie zu Christus-Jüngern,
zu Christen und Freunden Jesu.
3. Berufung
- Hieran schließt sich das Zusammentreffen Jesu mit Simon an. Man hat
in der Darstellung des Johannesevangeliums fast den Eindruck, es brauche erst
die Kirche bevor es den Petrus, den Felsen geben könne. Denn von Andreas
erst wird Simon zu Jesus geführt; Jesus sieht ihn, sieht sein Innerstes
und gibt ihm den Namen Petrus, der Fels.
- Der Name, der uns gegeben wurde, könnte unsere Berufung enthüllen.
Simon erhielt den Namen von Jesus. Uns wurde der Name eines Heiligen in der
Taufe gegeben. Zumindest in vielen katholischen Familien ist es Tradition,
darauf zu achten, dass der Täufling einen Heiligen als Namenspatron hat,
an dessen Fest er oder sie Namenstag feiern kann.
Jesus hatte in Simon vielleicht die Anlage zum "Felsen"
gesehen. Aber Simon war zunächst alles andere als ein Felsen. Er war
übereifrig und impulsiv, eher ein Stolperstein denn ein Felsen. Und dennoch
nannte ihn Jesus "Kephas - Petrus", denn das war seine
Berufung. Der Weg dorthin war schmerzhaft. Simon musste mit seinem eigenen
Versagen konfrontiert werden, bevor er Felsen sein konnte, die Mitchristen
stärken und Hirt der Kirche Jesu Christi.
- Nicht aus dem Eigenen, sondern aus dem Fremden wachsen wir. Das macht das
Großartige der Berufung aus. In jedem von uns sieht Gott mehr als wir
sind. Berufung ist deswegen mehr als etwas, das wir uns aussuchen und in dem
wir uns wohlfühlen. Dem Simon wurde ungefragt der Name Petrus verpasst.
Es brauchte ein Leben, zu Petrus zu werden.
Ich vermute, für jeden von uns würde es sich lohnen, sich mit der
Bedeutung des Namens zu beschäftigen, der uns gegeben wurde, und mit
der Biographie des Heiligen, der uns Patron im Himmel ist, um einen Hinweis
darauf zu bekommen, worin unsere Berufung liegt. Offen zu sein für das
Größere, Hörende zu sein für das, was uns ganz fremd
vorkommt, und doch darin die eigenste Berufung zu entdecken, diese Anregung
entnehme ich dem heutigen Evangelium. Amen.
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