Predigt 2010 zum 2. Sonntag im Lesejahr C
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17. Januar 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Herrlichkeit
- In Jesus zeigt sich nicht, was Gott kann, sondern wer Gott ist. Nicht dass
das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte. Aber es ist eine andere
Perspektive, danach zu fragen, was einer so alles kann, als wer jemand ist.
Für Jesus beantwortet sich damit auch die Frage, woher er kommt. Deswegen
heißt es am Ende des Evangeliums "So tat Jesus sein erstes Zeichen,
in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit (griechisch: doxa),
und seine Jünger glaubten an ihn." und nicht, er offenbarte sein
Können oder seine Kräfte (griechisch: dynamis). Im Zeichen
von Kana offenbarte Jesus, die Herrlichkeit, die ihm von Gott gegeben ist.
Es zeigt sich, dass er Gott ist.
- 'Mamma, schau mal was ich kann'. Diesen Satz hört man von Kindern -
und vielleicht nicht nur von den Kleinen. Was einer kann oder auch nur sagt,
scheint wichtig für ihn selbst und für die anderen. Es sind seine
Fähigkeiten und Talente. Auch diese Talente und Fähigkeiten sind
von Gott gegeben. Deswegen dürfen wir dankbar sein und sie einsetzen.
Wir dürfen auch ruhig ein wenig stolz darauf sein.
- Die Herrlichkeit Gottes ist aber mehr. Wer sie ahnt oder erfährt, dessen
Leben wird durch sie verändert. Schon die Ahnung, das leichte Gespür
der Herrlichkeit Gottes ist eine mystische Erfahrung, die Horizonte öffnet
und es ermöglicht, aus der Ausrichtung auf diese Herrlichkeit zu leben.
Talente und Fähigkeiten können im Guten im Schlechten eingesetzt
werden. Wer von Gott ergriffen ist, der wird in seiner ganzen Existenz dieses
Licht empfangen.
2. Gaben
- Von Fähigkeiten und Kräften scheint auch die Lesung aus dem Ersten
Korintherbrief zu sprechen: "Es gibt verschiedene Gnadengaben", hieß
es dort. Zumeist wird das auf die Talente verstanden, die Gott einem gegeben
hat. Gott ist die Quelle unserer Talente: "Er bewirkt alles in allen."
(nicht allem!). Gott kann als Ursache dieser Welt, der Evolution und der Natur
und auch der Fähigkeiten jedes Menschen erkannt werden.
- Der Gedanke ist auch nicht falsch, zumal wenn die Fähigkeit darauf
bezogen wird, wie es in dem Text heißt, "damit sie anderen nützt".
Es steht dort aber nicht, dass jeder eine Fähigkeit bekommt, damit sie
anderen nützt - das ist wie gesagt nicht falsch! Es steht aber dort "Jedem
aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen
nützt." Das ist etwas anderes und tieferes!
- "Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt". Das bedeutet,
dass Gott, jedem Glied seines Volkes, jedem Getauften (und darüber hinaus!)
"Offenbarung des Geistes" schenken kann. Nicht allgemein Fähigkeiten,
sondern konkret Offenbarungen. Es ist also nicht so, dass der Pfarrer etwas
über Gott weiß und das erzählt und die anderen das zu glauben
haben. Sondern Gott schenkt Menschen Erfahrungen seiner Herrlichkeit. Gott
kann, wenn er das will, Mitgliedern unserer Gemeinde "Offenbarung des
Geistes" schenken - und er tut das vermutlich weit öfter, als wird
das denken!
3. Gemeinde
- Wenn Gott oft "Offenbarung des Geistes" schenkt, warum bekommen
wir davon so wenig mit? Wir erleben viel von den Fähigkeiten und Talenten,
die Gott schenkt. Ohne diese wäre die Gemeinde tot. Von der Fähigkeit,
Feste zu organisieren, über die Fähigkeit am Altar oder als Lektor
zu dienen, bis hin zur Fähigkeit, aufzuräumen und abzuwaschen. Viele
können und tun das, auch ohne zu rufen: 'Mamma, schau mal was ich kann'.
Wir haben auch das Amt in der Kirche, das Wort Gottes auszulegen oder die
Heilige Eucharistie zu feiern. Und vielleicht rufen die Amtsträger zu
oft: 'schau mal was ich darf'.
- Aber wo merken wir, dass Gott Menschen in unserer Mitte in konkreten Situationen
konkrete Offenbarungen schenkt? Man hat oft versucht, das in die Heilige Messe
einzubauen. Das aber war nicht stimmig und ist heute fast ausgestorben (aus
inneren Gründen, und nicht weil böse Bischöfe es verboten haben).
Die Heilige Messe hat die Aufgabe, in Wort und Sakrament zu sammeln und zu
verkünden. Kirche und Gemeinde aber muss mehr sein: Menschen, die Gemeinschaft
bilden, über ihren Glauben sprechen und gemeinsam ein Zeugnis der Nächstenliebe
geben. "Offenbarung des Geistes", die einzelne haben, müssen
suchend und ringend in Worte und in das Gespräch gebracht werden.
- Die mystische Offenbarung erfahren Menschen in der Tiefe des Herzens. In
der Gemeinschaft schenkt Gott dann durch seinen Geist die weiteren Gaben:
Die Gabe, die Offenbarung, die ein anderer empfangen hat, auszulegen, die
Gabe darin die Prophetie für das Leben und die Gesellschaft zu entdecken,
die Gabe, in der mystischen Erfahrung die heilenden Kräfte frei zu legen,
und so weiter. All diesen Gaben fehlt in unserer Gemeinde all zu oft der Ort.
Wir feiern die Heilige Messe und gehen auseinander. Aber ich bin überzeugt,
dass hier Menschen sind, die tiefe Glaubenserfahrungen geschenkt bekommen,
so dass "sie anderen nützt". Ich bin überzeugt, dass diese
Geschenke des Geistes Gottes wirksam werden können. Ich hoffe auch, dass
dies öfter geschieht, als ich weiß: in den Familien, in Freundes-
und Gesprächskreisen, viel öfter vielleicht bei einem Glas Bier
in der Kneipe als in unserem muffigen Pfarrsaal. Gottes Geist findet seine
Wege. Und wir werden vielleicht immer mehr aufmerksam, wie wir diese Wege
gehen können. Denn die Wege locken: Sie lassen uns Gottes Herrlichkeit
schauen. Amen.