Predigt zum 2. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Johannes)
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20. Januar 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Zeichen der Fülle
- 600 Liter besten Wein. Zusätzlich zu all dem, was schon getrunken wurde. Es war die Hochzeit
reicher Leute, die sich mehrere Haussklaven leisten konnten. Sicherlich hatten sie sich für ein
mehrtägiges Fest gerüstet. Als es doch nicht reicht, steuert Jesus sechs Hektoliter hinzu. Dies
wird im Johannesevangelium als erstes Zeichen der Herrlichkeit präsentiert, das Jesus vor den
Augen seiner Jünger wirkt.
- Das Johannesevangelium hat in seiner Darstellung sorgfältig sieben Wunder Jesu ausgewählt
und nennt sie "Zeichen". Nur das erste bleibt ohne eine ausführliche Deutung. Statt dessen fügt
es nur den kurzen Satz an: "So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte
seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn."
- Das besondere an dieser Darstellung ist, dass hier der Glaube als Folge des Wunders dargestellt
wird. Sonst machen die Evangelien eigentlich immer deutlich, dass der vertrauende Glaube
dem Wunder vorausgeht. Wenn das Johannesevangelium es hier so dezidiert anders herum
darstellt, dann hat es sicher eine Bedeutung. Denn im Johannesevangelium wird nicht so sehr
berichtet, sondern viel mehr gedeutet. Es ist eine besondere Einführung in die Mysterien der
Gegenwart Gottes in Jesus Christus, und jedes Detail ist wichtig, oftmals sogar in mehreren
Schichten.
2. Vor der Stunde
- Daher ein sorgfältiger Blick auf die Details des kurzen Textes: Es fällt einiges auf. So etwa,
dass im Johannesevangelium die Mutter Jesu nur zwei Mal erwähnt wird. Ihr Name wird nicht
genannt; das unterstreicht ihre symbolische Bedeutung. Sie tritt in Kana als Wegbereiterin des
ersten Zeichens auf und dann erst wieder unter dem Kreuz. Und beide Male redet sie Jesus mit
dem Wort "Frau" an: Als Jesus am Kreuz hängt heißt es: "Als Jesus seine Mutter sah und bei
ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!" (Joh 19,26).
Und in unserem Text: "Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen".
Wann ist diese "Stunde" Jesu? Auch das verweist auf die Kreuzigung. Wenn Jesus von seinen
Jüngern Abschied nehmen wird, wird er beten: "Vater, die Stunde ist da" (Joh 17,1). Und selbst
die Stichwörter "Wasser" und "Wein" verweisen auf das Ende des irdischen Lebens Jesu, wenn
der Wein als Sakrament des Blutes Jesu verstanden wird (Joh 19,34).
- All das macht deutlich: Das Zeichen des Weins in Fülle bei der Hochzeit zu Kana steht in
einem tiefen inneren Zusammenhang zu der Hingabe Jesu am Kreuz. Diese Hingabe aus Liebe
ist das eigentliche Zeichen der von Gott kommenden Herrlichkeit. Die sieben Zeichen zuvor
sind die sieben Tage der alten Woche, mit dem alten, dem " weniger guten" Wein. Das achte
Zeichen, das Kreuz, steht für den ersten Tag der neuen Woche, den "guten Wein".
- All das soll das Zeichen von der Hochzeit zu Kana nicht kleinreden. Es weist ihm nur die
richtige Stellung zu. Wenn Jesus hier sagt, seine "Stunde ist noch nicht gekommen", dann
bedeutet das doch, dass das, was bisher geschieht, die eigentliche "Stunde" erst vorbereitet. Als
eine solche Vorbereitung hat dieses und haben die anderen Wunder Jesu ihren Sinn. Er bereitet
seine Jünger - und auch seine Mutter - durch diese Zeichen darauf vor, worin sich alles erfüllen
wird.
3. Zur Hingabe geführt
- So ist das auch bei jedem, der Christ sein will. Wenn ein kleines
Kind getauft wird, liegt die
Taufe dem Glauben voraus. Aber auch bei jemanden, der als Erwachsener um
die Taufe bittet,
ebenso wie bei jedem, der im Älterwerden zum Glauben kommt, gehen dem
Glauben positive,
stärkende Erfahrungen voraus. Nicht immer sind sechs Hektoliter besten
Weines die angemessene Umschreibung für solch eine Erfahrung. Aber immer
dürften es Erfahrungen sein,
die mit Fest, Freude, Gemeinschaft oder Geborgenheit beschrieben werden
können.
- Dieser Weg zum Glauben wird nicht abgewertet. Im Gegenteil sollen wir als Kirche im
wörtlichen wie im übertragenen Sinn solche 'Feste des Glaubens' feiern, durch die sich die
Freude des Glaubens mitteilt. Auch dort, wo ein Mensch über eine übersinnliche Erfahrung
oder gar ein Wunder zum Glauben findet, wird darin Gottes Einladung zum Glauben erlebbar.
Aber, das muss uns bewusst sein, es ist noch nicht die "Stunde", von der Jesus spricht, dieser
Augenblick, in dem sich der Glaube bewähren wird und in dem Gottes Herrlichkeit sichtbar
werden kann.
- Diese "Stunde" war für Jesus das Kreuz. Er hat es sich nicht ausgesucht. Aber er wurde in eine
Situation gebracht, in der er nur so Gott und seinen Jüngern treu bleiben konnte. Dann aber
nimmt er das Kreuz nicht als fremdbestimmte Strafe, sondern als Zeichen seiner Liebe und
Hingabe.
Vielleicht wird deswegen auf jeden, der Jesus nachfolgt, eine solche "Stunde" warten, für die
sich alles Frühere als Vorbereitung erweisen wird; die Stunde, die auf den vielen positiven
Stunden aufbaut, in denen mein Vertrauen in Gott gewachsen ist, um sich jetzt zu bewähren;
die Stunde, in der meine Fähigkeit zur Liebe so sehr gewachsen ist, dass ich mich nicht von
anderen verbiegen lasse, sondern der Liebe treu bleibe. Dann, wenn es darauf ankommt, werde
ich verstehen können, dass die Feste der Freude, wie die Hochzeit zu Kana, Gottes Geschenk
an mich waren, um das in mir aufscheinen zu lassen, was das Wertvollste ist: die Herrlichkeit
des liebenden Gottes. Amen.