Predigt zum 20. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Johannes)
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20. August 2006 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius Frankfurt
1. Mozart lebt
- Mozart lebt. Zu seinem 250. Geburtstag erfüllt eine Flut von Konzerten und Veranstaltungen das Land. Am 5. Dezember wird auch die KHG nicht hintanstehen und am Tag seines Todes zu einer Veranstaltung über Mozarts "Missa pro defunctis" laden, am 225. Todestag des Komponisten, zu seinem Gedächtnis.
- Wir feiern zum Gedächtnis an Leben und Tod Mozarts. Das klingt recht ähnlich dem, wozu wir am Sonntag als Kirche Jesu Christi zusammenkommen: "Zu seinem Gedächtnis" feiern wir Eucharistie. An seinen Tod erinnern wir. Wir glauben, dass er lebt. Nur, lebt er so, wie Mozart "lebt", in seinen Werken und in der Erinnerung der Menschen?
- Man muss die Frage stellen, um ins Nachdenken zu kommen. Denn einerseits werden viele von uns - die Lehre der Hl. Schrift und der Kirche zumal - festhalten wollen, dass da ein Unterschied besteht. Worin andererseits aber besteht der Unterschied im Kern? Was ist es, das wir glauben, wenn wir Messe feiern "zu seinem Gedächtnis"? Vielleicht ist unsere Beziehung zu Jesus häufig nicht viel mehr als Erinnerung und Feier, dass er irgendwie lebt - in seiner Lehre und dem Vermächtnis dessen, was er getan hat. Ist Jesus der "Mozart" auf dem Gebiet von Nächstenliebe und Religion?
2. Jesus vs. Mozart
- Es gibt sehr wohl Gemeinsamkeiten. Mozart kann das Leben verändern, Jesus auch. Mozarts musikalisches Genie ist ein Geschenk Gottes. Auch von Jesus sage ich, dass er von Gott kommt. Mozart ist in gewisser Weise lebendig, auch wenn er gestorben ist. Jesus auch ist nicht in eben der Weise lebendig, wie er es zum Beginn unserer Zeitrechnung war. Mozarts Musik inspiriert noch heute, so auch die Bergpredigt Jesu.
- Die Liste ließe sich fortsetzen. Und keineswegs ist es mir darum zu tun, nun der Liste den Punkt hinzuzufügen, der halt bei Jesus doch "mehr" ist als Mozart. Denn beide waren außergewöhnliche Menschen, haben Außergewöhnliches hinterlassen und das macht ihre Faszination auch für mich aus. Lassen wir also ruhig Mozart stehen neben Jesus, dem Christus, von dem wir im Credo bekennen, dass er "wahrer Mensch" ist.
- Dass Jesus Mensch war, ist dem christlichen Glauben wesentlich. Deswegen enthält das Credo das auch Bekenntnis zu seiner Biographie als Mensch. Alles was dem vorausgeht und folgt, wird zur unverbindlichen Metapher, wenn ich daran nicht festhalte. Ja, ich glaube auch, dass Jesus Christus "wahrer Mensch" ist: Dass sich in ihm zeigt, was Menschsein bedeutet, das meine wie das eines Mozart.
3. Das Brot des Lebens
- Ich glaube an die Eucharistie. In diesem Satz ließe sich alles zusammen fassen. Am heutigen Sonntag hören wir als Evangelium den Abschluss der Rede Jesu über das Brot. Es lohnt sich genau zuzuhören. "Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben." Den Menschen aus seinem Volk, die ihm zuhören, sagt Jesus damit etwas, das sie aus der Bibel heraus wohl verstehen, vielfach auch annehmen können. Denn der biblische Mensch weiß, dass Gott dem Menschen "Brot vom Himmel" geben kann und dass dieses Brot Leben bewahrt und schenkt. Vergleichsweise klein ist der Schritt zu dem "lebendigen Brot", das Gott, der Vater, gibt. Wer dieses Brot im Glauben annimmt, symbolisch gemeint "von diesem Brot isst", der hat das Leben Gottes, ewiges Leben.
- Das Brot, das vom Himmel gekommen ist, gibt aber nun seinerseits Brot. Das ist das umwälzend Neue. Den zweiten Satz spricht Jesus im Futur. Er erfüllt sich erst mit seinem Tod und seiner Auferstehung: "Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt." An diesem zweiten Satz erst entzündet ich die Diskussion der gläubigen Juden. Nicht mehr Gott, der Vater, gibt, sondern Jesus. Und wie kann einer "sein Fleisch" zu essen geben, sich selbst also, mit Leib und Blut? Diese Verheißung kann Jesus nur geben, weil er nicht nur weiß, dass er von Gott gekommen ist, sondern auch weiß, dass er in Gott lebt und Gott ihn daher aus dem Tod auferwecken wird. Er hat real gelebt und ist real gestorben. In der Eucharistie feiern wir, dass er sich ebenso real uns schenkt: gegenwärtig in seinem Fleisch, in Leib uns Blut.
- Durch diese Speise leben wir. Die Musik Mozarts vermittelt einen Hauch von Ewigkeit. Aber Mozart ist tot. Die Lehre Jesu und die Botschaft der Gerechtigkeit, für die Gesetz und Propheten stehen, vermitteln eine Erfahrung der Liebe Gottes. Aber Jesus lebt. Er lebt bei Gott und in Gott - und er kann bei uns leben und in uns, wenn wir ihn uns nicht vom Leib halten, sondern aufnehmen. Im Schlusssatz des Evangelium kommt daher das Brot, das wir glauben - die Menschwerdung - und das Brot, das wir essen - die Eucharistie - zusammen: "Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit." Amen.
Anmerkungen:
Der Tod Christi ist ohne das Sakrament der Eucharistie nur ein Tod wie jeder andere Tod auch. Und andererseits: Was wäre die Eucharistie ohne die dahinter stehende Wirklichkeit von Fleisch und Blut des Menschensohnes? Wenn sie keine abergläubische Zauberhandlung wäre, wäre sie nichts als eine Gedächtnisfeier. Wie man etwa Beethovens Gedächtnis und Tod feierte, so würde man auch Gedächtnis und Tod des Menschensohnes feiern. Man mache das Abendmahl zu einer historischen Erinnerungsfeier, und man wird Christus selber zu einer historischen Gestalt der Vergangenheit erniedrigt haben. Erinnerung ist etwas Schönes, aber man kann nicht von Erinnerungen "leben". Wir leben nur von dem, was Fleisch und Blut ist, nicht von dem, was Schatten der Vergangenheit ist. Auch Christus kann nur dann etwas für uns bedeuten, nur dann können wir von ihm "leben" "in uns Leben haben", wie Joh 6,53 sagt , wenn er Fleisch und Blut für uns ist. Das setzt jedoch voraus, dass er ganz real Fleisch und Blut ist, dass er das, was er gewesen ist, in seinem Fleisch und Blut auch heute noch für uns ist. Wer gestorben ist, der ist nicht Fleisch und Blut mehr, der ist nur noch ein Schatten. Für Schatten feiert man Erinnerungsfeste. In der Erinnerung holt man dann die Schatten wieder herauf. Mögen wir den Toten aber auch noch soviel von unserem Blut leihen - ich erinnere an die antike Nekyia (Totenopfer), die einen tiefen Sinn hat -, wir werden doch niemals die Schatten der Toten wirklich zum Leben zurückrufen, sie zu Fleisch und Blut machen können.
Peterson, Erik: Johannesevangelium und Kanonstudien. Ausgewählte Schriften Band 3. Aus dem Nachlass herausgegeben von Barbara Nichtweiß unter Mitarbeit von Ferdinand Hahn. Würzburg (Echter) 2003, S. 247
Ich grüße herzlich euren Bischof, der so ganz nach Gottes Herzen ist, den Rat der Ältesten, die so sind, wie Gott will, meine Mitsklaven, die Diakone, sowie jeden einzelnen und alle aus der Gemeinde. Es schütze euch der Name Jesu Christi, sein Fleisch und Blut, sein Leiden und seine Auferstehung im Leib und im Geist. Ich grüße euch in Verbundenheit mit Gott und mit euch und wünsche euch Gnade, Erbarmen, Frieden und die Kraft zu Geduld allezeit.
Brief des Ignatius von Antiochien an die Smyrnäer, 12,2. nach: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Übersetzt und kommentiert von Klaus Berger und Christiane Nord. Frankfurt/Main, Leipzig (Insel) 1999, S. 812.