Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 21. Sonntag im Lesejahr A 2014 (Römerbrief)

Zurück zur Übersicht von: 21. Sonntag Lesejahr A

24. August 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1."Wow!"

  • Das erste Wort der Lesung aus dem Römerbrief taucht in der Bibel nur hier auf. Es lässt sich mit einem kurzen, leicht fragenden "O!", mit einem gedehntem, staunenden "Ohhh!" und natürlich mit dem Anglizismus "Wow!" übersetzen. Im griechischen Original steht ein einfaches Omega (Ω).
  • Paulus staunt rückblickend auf die letzten drei Kapitel des Römerbriefes, was ihm da klar geworden war über die Treue Gottes zu seinem auserwählten Volk Israel.
  • Um die Situation für uns nachvollziehen zu können, schlage ich vor, das "Wow!" aus dem Römerbrief in das Evangelium zu übertragen. Hier bescheinigt Jesus dem Petrus: "Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel." Petrus ist der erste, der erkennt und bekennt, dass sich in Jesus Gott selbst offenbart. Gottes Gegenwart, Heiliges das quer steht zur Alltagserfahrung, zeigt sich nicht aus herkömmlicher Erfahrung. Deswegen sagt Jesus "Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart".
    Von da her mag sich jeder selbst fragen, ob es bei ihm solches Staunen geben könnte, solche Erfahrung, solche Einsicht, dass man von sich sagen könnte: "Wow, nicht Fleisch und Blut haben mir das offenbart...". Eine solche Einsicht ist ja nicht nur intellektuell, sondern schüttelt den ganzen Menschen. Staunen über das erschütternde, erschreckende, sprachlos oder nachdenklich machenden, begeisternde und anspornende Wirkung Gottes ... bei jedem Menschen kann es so etwas geben.

2. Staunen

  • "Wow!, welche Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege!"
    Ich stelle mir vor, wie Paulus, nachdem er sich die letzten paar Seiten von der Seele geschrieben hat, zurück blättert und merkt: Was ich da über Gottes Handeln in der Welt geschrieben habe, spricht über ein Geheimnis, das atemberaubend und jenseits menschlicher Vorstellungskraft ist - und dennoch hat uns Gott genau das gezeigt und erfahren lassen. Paulus ist also ziemlich beeindruckt von der von ihm verfassten Weisheit - und zugleich ziemlich demütig, weil ihm klar wird, dass er das nicht aus sich selbst wissen konnte. Da staunt der Paulus.
  • Wer nur gelten lässt, was sich vollkommen erklären lässt, der braucht nicht zu Staunen. Wer nur das als Wirklichkeit gelten lässt, was dem Seziermesser des eigenen Verstandes keinen Widerstand leistet, wird nie so weit kommen zu staunen. Es entgeht ihm aber auch der bei weitem größere Teil der Wirklichkeit.
    Manche reagieren lieber mit Zynismus. Sie machen schlecht und reden billig, was die Gefahr in sich birgt zu offenbaren, dass der eigene Verstand ein Geheimnis berührt, das uns bei weitem übersteigt. Der Zyniker macht alles schlecht, um nicht staunen zu müssen. Auch so kann man sich Gott vom Hals halten.
  • Umgekehrt gilt aber auch: Wer alles zum unergründlichen, unzugänglichen Geheimnis erklärt, nimmt Gott die Chance, ihn zum Staunen zu bringen. Manche meinen, allein Nachdenken über den Glauben sei schon respektlos gegen Gott. Es bleiben dann nur Formeln über die Größe und Unergründlichkeit Gottes. Letztlich läuft das darauf hinaus, Gott die Offenbarung zu verbieten. Gott möge so unergründlich groß und ehrfurchtsgebietend sein und bleiben, damit er mir nur nie zu nahe kommt.

3. Demut

  • "Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit!" Damit schließt Paulus den großen Abschnitt aus dem Römerbrief, in dem er dem Handeln Gottes in der Geschichte der Menschen auf der Spur ist. Gott hat ihm, der lange über diese Fragen nachgedacht hat, Erkenntnis geschenkt. Gott hat ihn dadurch zum Staunen geführt.
  • Es gibt religiöse Lehrer, die jetzt vor allem sich selbst loben. Paulus aber weiß zur Genüge, wie sehr er sich gegen Christus versündigt hat; er vergisst es auch jetzt nicht. Dass Gott uns reich beschenkt, ist ihm nicht Anlass zum Hochmut, sondern zur demütigen Anerkenntnis der Größe Gottes.
  • Zu solcher Demut werden wir nicht fähig, wenn wir alle Gaben, alle Erkenntnis und alles Gute leugnen, das in uns ist, durch uns geschieht und uns von Gott geschenkt ist. Zu solcher Demut werden wir fähig im Staunen darüber, dass Gott uns in allem seine Liebe zeigt und in allem uns dienen möchte, damit die ganze Schöpfung uns hinreisst zum demütigen Staunen: "Wow!"