Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)
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31. August 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius
1. Liebe auf Hoffnung
- Liebe kann unbeantwortet sein. Er liebt sie und sie merkt es noch nicht
einmal. Vielleicht ist er - noch - zu schüchtern. Vielleicht hat
er Angst davor, sich ein klares 'Nein!' einzuhandeln. Aber er liebt sie. Geht
er auf eine Party, schaut er sich als erstes um, ob sie vielleicht auch da
ist. Kauft er sich was Neues zum anziehen, fragt er sich, ob ihr das wohl
gefällt. Geht er in's Kino denkt er, ob sie den Film auch gerne sehen
möchte.
- Gerade diese Liebe zeigt: Liebe ist auf Hoffnung. Liebe investiert. Solange
sie die Liebe nicht erwidert, bleibt ihm nur die Hoffnung. Aber auch schon
dies verändert die eigene Einstellung und Wahrnehmung, das Denken und
Fühlen. Das Leben hat eine neue Farbe bekommen.
- Das alles gilt für jede Liebe. Bei der Liebe auf Hoffnung, der - noch -
unbeantworteten Liebe aber wird wie im Reagenzglas deutlich, dass sie mit
Opfer verbunden ist. Ja, vielleicht ist das ihr Wesen, Opfer zu sein. Opfer
meint nicht, dass er ihr zuliebe theatralisch Harakiri macht. Nicht ein blutiges
Opfer fordert die Liebe, sondern ein unblutiges. Opfer bedeutet für unseren
Verliebten, dass er sich, sein Denken und Fühlen, ihr schenkt und auf
sie ausrichtet, ohne sich einer Gegenleistung sicher sein zu können.
Das auszuhalten fällt nicht leicht.
Opfer ist somit das Gegenteil von Handel. Im Geschäft möchte ich
sehen, was ich bekomme für mein Geld. Hier aber gibt er sich ihr und
wahrt ihre Freiheit. Das ist nicht leicht. Das riskiert Enttäuschung.
Vielleicht hat unser Held Glück, und seine Liebste sagt eines Tages 'Ja!'.
2. Sich Gott als Opfer darbringen
- Hören Sie jetzt noch mal den Satz aus der Zweiten Lesung, der Lesung
aus dem Römerbrief. Paulus ruft dazu auf, uns "selbst als lebendiges
und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für uns
der wahre und angemessene Gottesdienst." Kein Harakiri, sonder ein lebendiges
Opfer, ja eines, das heilig ist. Lebendig ist das Opfer, wenn mein eigenes
Leben darin zu Sprache kommt. Heilig ist es, wenn es Gott nicht erpressen
will nach dem Motto: 'Nun hab' ich dir das gegeben, da musst du mir jenes
geben!'' oder nur einen Deal anbietet: 'Wenn ich die Prüfung
bestehe, mache ich eine Wallfahrt nach Santiago.' Nein, Opfer ist vielmehr
jene Liebe auf Hoffnung, die keinen anderen Grund hat als eben dies, dass
der andere geliebt wird - oder keinen anderen Grund hat, als dass Gott Gott
ist.
- Die Vorstellungswelt des Hl. Paulus wird uns fremd vorkommen. In der Tat,
sie ist es. Sie war es vielleicht zu jeder Zeit, auch zu seiner Zeit, auch
für ihn selbst. Vielleicht ist es die Chance des Glaubens in unserer
Zeit, dass wir wenigstens merken, wie fremd das ist, und es nicht als selbstverständlich
nehmen. Denn unser "normales" Denken funktioniert anders. Wenn ich etwas gebe,
will ich etwas dafür bekommen. Preis und Leistung müssen stimmen.
Und wenn es Rabatt gibt, würde jeder von uns beim Schnäppchen zugreifen.
Dieses Denken ist ja auch nicht einfachhin falsch. Es ist nur eine Katastrophe,
wenn es unser ganzes Leben kolonialisiert. Vor allem wird jeder Versuch der
Liebe scheitern, wenn wir darauf vergessen, dass wir vom Händler zum
Menschen erst dort werden, wo wir innerlich frei sind, uns selbst als "lebendiges
und heiliges Opfer darzubringen".
- Deswegen fordert Paulus eine Umkehr im Denken: "Gleicht euch nicht dieser
Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken". Es gibt einen
Kronzeugen, den Paulus dafür anrufen kann, Jesus selbst. Und es wird
Paulus nicht stören, dass Petrus dabei der Angesprochene ist. Im Matthäusevangelium
wird berichtet, dass Petrus, eben erst vom Simon zum "Felserich" Petrus ernannt,
Jesus davon abbringen will, nach Jerusalem zu ziehen. Denn was habe Jesus
dort als Gegenleistung für das Gute zu erwarten? Jesus aber bläfft
Petrus an, schärfer geht es kaum: "Weg mit dir, Satan, geh mir aus
den Augen (wörtlich: hinter mir her)! Du willst mich zu Fall
bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen
wollen." Menschen wollen Leistung und Gegenleistung. Gott will sich schenken.
3. Gerecht gemacht aus Glauben
- Gott hat sich geschenkt. Dass ist das Leben des menschgewordenen Sohnes.
In Jesus Christus hat Gott seine Gottheit 'abgelegt', um unter uns Menschen
zu sein. Und er hat als Messias ertragen, dass seine Liebe so unbeantwortet
bleibt, wie nur denkbar. Aber, das ist die Gute Botschaft des Evangeliums:
Gott selbst will das so, weil er jeden Menschen liebt. Gott bleibt Gott, gerade
dort, wo er ohnmächtig ist in seiner Liebe. Er liebt auf Hoffnung hin.
Das ganze Leben und Sterben Jesu bringt das zum Ausdruck. Gott fordert nicht
erst Gehorsam und Glaube, um dann gnädig zu gewähren. Gott liebt
auf Hoffnung hin und wahrt ehrfurchtsvoll (!) unsere Freiheit.
- Als Kunde im Geschäft sind wir erst interessant, wenn wir zahlungsfähig
sind. Als Kind Gottes müssen wir uns nicht einkaufen, wir sind bereits
von allem Kaufpreis erlöst. Der Schuldschein ist schon längst zerrissen.
(Kol 2,14). Oder, um es mit dem zentralen Bild aus dem Römerbrief
auszudrücken: Wo wir in Taufe und Glaube die Liebe Gottes zulassen, da
sind wir "gerecht gemacht aus Glauben" (Röm 5,1). Das heißt
nichts anderes, als zu erkennen, dass in der Beziehung zu Gott nicht merkantiles
Denken am Platz ist. Wir müssen nur zulassen, dass einer uns liebt auf
Hoffnung. Dies glauben ermöglicht Gemeinschaft mit Gott, nicht unsere Vorauszahlung.
- Paulus ist überzeugt: Das verändert unser Leben. Denn im Licht
dieser Liebe wächst die Freiheit, nicht auf den eigenen Vorteil schielen
zu müssen, nicht Rechnung und Gegenrechnung zum Maßstab zu machen,
nicht in allem nach der Weise "der Menschen" denken und handeln zu
müssen, weil es anders doch nicht funktioniere. Es geht anders. Dazu
ist Gott Mensch geworden. Dazu schenkt Gott seinen Heiligen Geist, der in
allen Zeiten Menschen befähigt, Zeugen zu sein dafür, dass es möglich
ist. Und ja, dieser Geist befähigt sogar, dass einer sein Leben gibt
für seine Freunde, nicht weil das Opfer blutig sein müsse, sondern
weil die Liebe aus Gott selbst gegen Gewalt unbeeindruckt bleibt.
Gott liebt auf Hoffnung. Es ist an uns, es ist an mir, ob ihn diese Hoffnung
trügt. Ein kleines, schüchternes 'Ja!' genügt und nichts kann
uns trennen von der Liebe Gottes, die erschienen ist in Christus, dem Herrn.
Amen.