Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 24. Sonntag im Lesejahr B 2018 (Markus)

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16. September 2018 - Aloisiuskolleg Bonn-Bad Godesberg

1.Schärfste Kritik

  • Die schärfste Kritik kommt von höchster Stelle. Über den Papst wird ein geradezu vernichtendes Urteil gesprochen. Es kommt nicht von der Presse. Da hat man den Eindruck, dass geradezu nachsichtig geurteilt wird. Die Kritik kommt auch nicht von deklassierten Kurienbeamten; diese mögen zwar in der Sache korrekte Informationen geben, Zweifel an ihrer Motivation sind dennoch angebracht. Die schärfste Kritik kommt von höchster Stelle, kommt Jesus Christus persönlich. Er knöpft sich den Petrus vor, den wir als ersten in der Reihe der Päpste zählen.
    Dass das so unverblümt in der Bibel steht, macht deutlich, dass das Papstamt von vorneherein nur gedacht und gelebt werden kann unter dieser Einschränkung, dass es dem Urteil Jesu untersteht.
  • Das Urteil ist scharf formuliert und scharf in der Sache. Jesus nennt den Petrus einen Satan, ein Teufel, den Verführer von Anfang an. Die Urteilsbegründung lautet, Petrus denke nicht so, wie Gott denke, sondern wie die Menschen wollen. Damit muss keineswegs gesagt sein, dass Jesus das Denken der Menschen verurteilt. Doch für die Aufgabe des Petrus, für das Amt die Kirche zu hüten, müssen nach der klaren Ansicht hier, andere Maßstäbe gelten, zwar nicht mildere, weichgekochte, sondern sehr deutliche und klare.
  • Deswegen führt es auch zu überhaupt nichts, darauf hinzuweisen, dass Verhalten wie das des Petrus doch auch woanders vorkomme und auch woanders weggeschaut worden sei, wenn Fehlverhalten von Verantwortungsträgern und Gewalttaten von Funktionsträgern Menschenleben zerstört hat. Wenn die Kirche so argumentiert, hat sie sich bereits vom Evangelium verabschiedet und will nicht mehr sein, als jede andere menschliche Organisation auch. Sie ist aber dadurch nicht mehr, sondern weniger, denn sie hat ihr eigentliches Ziel verpasst. Da hat es jeder Tennisverein einfacher.

2.In die Ohnmacht gehen

  • Auslöser ist eine Ankündigung Jesu. Er spricht von dem, was er nun tun muss. Dieses Tun ist sozusagen ein göttliches Müssen. Wenn Jesus sich dem verweigert, ist nicht nur seine eigene Würde, sondern auch die Verkündigung der Gegenwart Gottes drangegeben. Er hat sich öffentlich an die Seite der Armen gestellt, er hat öffentlich das Recht Gottes gegen die Usurpation von Menschen verteidigt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem andere zu Handelnden werden, das Unrecht an Jesus vollziehen und dadurch das Unrecht deutlich machen, das ihre ganze Machtstellung voraussetzt.
  • Nach Jerusalem zu gehen bedeutet für Jesus nicht nur, dass er die Kontrolle über sein eigenes Leben verlieren wird. Es bedeutet auch, dass er die Kontrolle über seinen Ruf, sein Ansehen, seine Reputation verliert. Er kontrolliert nicht die öffentliche Meinung in Jerusalem. Das tun nun andere, und das weitere Verhalten Jesu macht deutlich, dass er darum weiß, dass er das nicht ändern kann oder will. "Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel", liest Jesus beim Propheten Jesaja und könnte darin den Schlüssel für seinen Weg gefunden haben. Er verliert auch die Kontrolle über sein Leben. Er wird ausgeliefert und hingerichtet. Darauf folgt noch ein Satz Jesu, den offenbar Petrus gar nicht verstanden hat. Jesus sagt, "nach drei Tagen werde er auferstehen".
  • Auferstehung meint hier ganz sicher nicht Happy End, sondern viel grundlegender: Dass Jesus die Kontrolle über sein Leben verliert, geschieht in die Hände Gottes hinein. Auferstehung ist radikal nichts mehr, was wir Menschen tun, sondern allein Tun Gottes. Deswegen ist Vertrauen auf Gott identisch mit Glauben. "Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten." Das Leben zu verlieren ist dabei ein bewusster Akt des Menschen, der die eigene Verfügungsmacht und Kontrolle drangibt, um für die und mit denen da zu sein, die die Bibel die Armen nennt.

3. Das Versagen verkünden

  • Petrus hört sich das an. Er nimmt Jesus, wie es in unserer Übersetzung heißt "beiseite". Der treffendere Aufdruck ist wohl: Er knöpft ihn sich vor. Eben noch hat Petrus sich vor die anderen Apostel gestellt und Jesus als den Gesalbten Gottes, als den Messias bekannt. Jetzt sieht der Apostelfürst offensichtlich seine Aufgabe darin, die Kontrolle zu übernehmen und diesem Messias zu sagen, wo es langgeht. Jetzt gilt es, diese Messiasbewegung gegen Angriffe von außen zu schützen. Was Jesus vorhat, würde den Ruf der Kirche nachhaltig schaden. Das ist es wohl, was Petrus ihm vorhält. Er findet das Verhalten Jesu geradezu verantwortungslos. Allerdings denkt er bei Verantwortung jetzt nur noch an seine Institution, nicht mehr an das, wofür die Sendung steht, wofür er Apostel, Gesandter ist.
  • Das genau ist das diabolische, weswegen Jesus den Petrus einen Satan nennt. Denn wo er meint, sich für die Kirche einzusetzen, zerstört er sie von innen her. Indem er sie wie eine menschliche Institution behandelt, deren Ruf vor dem Menschen verteidigt werden muss. Wenn das institutionelle Eigeninteresse vor der Sendung geht, zerstört er die Kirche von der Substanz her. Das ist es, was Jesus dem Petrus vorhält. Er macht das in der schärfst möglichen Form.
  • Wir verstehen all das nur dann richtig, wenn wir uns darüber im Klaren sind, dass dieser Petrus und diese Apostel es waren, die diese Episode immer und immer wieder berichtet haben. Sie haben sie nicht verschwiegen, sondern verkündigt. Die Erinnerung an diese Szene ist nicht in einem Geheimarchiv verschwunden und wurde von keiner Kirche zensiert, sondern von ebendieser Kirche des Petrus und der Päpste immer und immer wieder - wie am heutigen Sonntag - verkündet. Es gehört also zum Selbstverständnis der Kirche von Anfang an, dass wir uns bewusst sind, dass der Apostel zum Satan werden kann.
  • Der Abschnitt, wie wir ihn im Evangelium gehört haben, macht das dadurch deutlich, dass Jesus sich nun selbst an die Menschen wendet. Jesus lässt Petrus den Zuschauer sein, wenn er selbst sein Evangelium verkündet. Dadurch wird der Apostel zum Hörenden. Eine Kirche, die nicht mehr auf das Evangelium hört, sondern nur noch sich selbst verkündet, ist nicht nur einfach schlecht, sondern diabolisch. Sie ist nicht mehr einfach nur nicht von Nutzen, sondern sie schadet, ja zerstört die Seelen. Sie zerstört den Zugang zu Gott, hinterlässt Menschen, die sie für den eigenen Machterhalt missbraucht hat.
  • Weil die Kirche diese Gefahr gesehen hat, ist das heutige Evangelium nicht verschwunden, sondern wird verkündet. Das erinnert auch an das zentrale Wort Jesu, das dem Petrus den Ausweg weist. In der bisherigen Übersetzung dieser Stelle heißt es: "geh mir aus den Augen". Die neue, überarbeitete Übersetzung ist präziser am Urtext, wenn sie schreibt: "tritt hinter mich, du Satan";  damit wird deutlich, worin meine Berufung als Christ und worin mein Weg zum Leben besteht: dass ich Jesus nachfolge. Ich folge dem nach, dessen Vertrauen in seinen himmlischen Vater so groß war, dass er die Kontrolle über sein eigenes Ansehen, seine eigenen Pläne, ja, sein eigenes Leben Gott anvertraut hat. Ihm nachfolgen heißt glauben. Amen.