Predigt zum 25. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)
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20. September 2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Auf Gedeih und Verderb
- Wer an der Hand eines anderen vom Hochhaus baumelt, ist ihm ausgeliefert,
auf Gedeih und Verderb. Eine Partei, die sich schon vor der Wahl auf eine
Koalition festlegt, ist der anderen ausgeliefert, auf Gedeih und Verderb.
Es gilt aber auch für kleine Kinder: Auf Gedeih und Verderb sind sie
ihren Eltern ausgeliefert; diese können ihnen Liebe und Geborgenheit
geben, oder aber das Leben verstellen, wenn sie ihre Kinder nur Missgunst
und Misstrauen oder gar Gewalt lehren.
- Menschen sind einander auf Gedeih oder Verderb ausgeliefert. Genauer gesagt:
Auf Gedeih oder Verderb.
- Daher ist es ein Ziel selbstständig zu werden. Wer sein Schicksal in
die eigene Hand nehmen kann, hängt nicht mehr an der Hand eines anderen.
Das mag zwar auch riskant sein, aber es ist immerhin auf eigenes Risiko. Wer
hingegen darauf angewiesen ist, dass andere seine Bitten erhören, ist
ihnen ausgeliefert.
2. Den Menschen ausgeliefert
- Jesus steht der Ausgang klar vor Augen: "Der Menschensohn wird den Menschen
ausgeliefert, und sie werden ihn töten." Es ist also für ihn
gar keine Frage mehr. Nachdem er in Galiläa erfahren hat, welcher Widerstand
dem Evangelium entgegenschlägt, ist ihm klar geworden, dass das in Jerusalem
nicht anders sein wird. Die Mächtigen und Meinungsführer können
es nicht hinnehmen, dass der Zimmermannssohn mit göttlicher Autorität
spricht: richtend, wie der "Menschensohn", dem nach dem Buch Daniel
(Dan 7,13f) am Ende der Zeiten das Gericht über diese Welt übertragen
ist.
- Auf dem Weg nach Jerusalem versucht Jesus seine Jünger darauf vorzubereiten.
Sie sollen wissen, dass das Schicksal, das der Gerechte erleidet, nicht blind
über ihn kommt. Aber es scheint so zu sein, dass die Jünger das
erst nach Ostern im Rückblick verstanden haben. Lakonisch vermerkt das
Markusevangelium nach der Rede Jesu: "Sie verstanden den Sinn seiner Worte
nicht", schlimmer noch "sie scheuten sich ihn zu fragen." Vielleicht
scheuten sie sich, darüber nachzudenken, weil dann unwillkürlich
die Frage hochkommt, wie das sie selbst betrifft. Da erscheint es ihnen besser,
schnell darüber hinweg zu gehen und auf andere Themen zu kommen. Es könnte
doch sein, meinen sie, dass in Jerusalem der durchschlagende Erfolg auf sie
wartet. Daher diskutieren sie schon einmal, "wer von ihnen der Größte
sei".
- Die Diskussion "wer von ihnen der Größte sei" führt
immer ins Verderben. Denn wenn der eine größer sein will, muss
er andere kleiner machen. Und dennoch wird er feststellen, dass es immer noch
einen Größeren gibt, den er bekämpfen muss. Genau diesen Mechanismus
wird der Menschensohn durchbrechen.
3. Vertrauen
- Gott liefert sich den Menschen aus. Das widerspricht allen Gottesbildern,
die in Gott nur Allmacht und Größe sehen, aber nicht Barmherzigkeit.
Aus freiem Entschluss gibt Christus sich in die Hände der Menschen, die
ihn vernichten wollen. Die vermeintliche Größe wird dabei den Menschen,
die ihn ans Kreuz schlagen, zum Gericht. Und es wird zum Heil, denn die Jünger
werden die Botschaft in die Welt tragen: Es gibt einen Grund, einen einzigen
Grund, sich einem anderen auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Dieser Grund
ist das Vertrauen. Und es gibt eine Chance zu vertrauen: Weil Gott stärker
ist als der Tod.
- In der Taufe vertraut sich ein Mensch Gott an, auf Gedeih und nicht auf
Verderb. Dieses Vertrauen gründet in der Erfahrung derer, die vor uns
geglaubt haben, und auf den eigenen Erfahrungen, die uns den Mut zu diesem
Vertrauen geben. Das Vertrauen gründet nicht zuletzt darauf, dass dieser
Gott nicht der einfach der Größte sein will, der andere dafür
klein macht. Vielmehr ist seine Größe, dass er sich selbst klein
macht.
- Letztlich ist es damit Gott, der sich den Menschen ausliefert und anvertraut.
Auf Gedeih und Verderb. Und hier ist der einzige Fall, in dem das "und" berechtigt
ist: 'Auf Gedeih und Verderb'. Denn das Verderben des Kreuzes ist
das Gedeihen des Heiles. Das Brechen des Brotes, ist der Ursprung des Sakramentes,
in dem wir Anteil haben an ihm. Gott lässt sich klein machen, weil seine
Größe die Barmherzigkeit ist. Und immer dort, wo wir nicht darum
feilschen, wer von uns der Größte ist, sondern aus dem Vertrauen
in Gott leben, dort gilt, was Jesus den Jüngern zeigt und sagt: Er nimmt
ein Kind, das bedeutungsloseste Menschenwesen in der antiken Kultur, und stellt
dieses in die Mitte: "Wer ein solches Kind um meinetwillen in meinem Namen
aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur
mich auf, sondern den, der mich gesandt hat." Amen.