Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 26. Sonntag im Lesejahr A 2008 (Matthäus)

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28. September 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius

1. Denken und Tun

  • Der Chef der Investment-Bank Lehman Brothers hatte zwei Mitarbeiter, die ihm ihre Karriere verdankten. Er hat sie zu seinen engsten Vertrauten gemacht. Ihm verdanken sie ihre Stellung in der Bank. Als die Insolvenz unabweisbar wird, beauftragt er beide, das liquide Vermögen der europäischen Töchter von Lehman Brothers abzuziehen, um damit in der New Yorker Zentrale großzügige Abfindungen für das Führungspersonal zu finanzieren. Der eine antwortete: 'Ja, Chef!', tat aber nichts. Da wandte er sich an den zweiten und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: 'Ich will nicht'. Später aber wurmte es ihn, und er tat es doch.
  • Das Gleichnis, so erzählt, macht etwas deutlich: Im Evangelium steht nichts von den Details. Befiehlt der Vater minderjährigen Kindern oder erwachsenen Söhnen? Ist die Familie in Armut und dringend auf die Arbeit der Söhne angewiesen? Wer das Gleichnis zu schnell so liest, dass der Vater selbstverständlich das Recht habe seine Söhne zu kommandieren, hat vergessen, dass Jesus seine ersten Jünger einst aus den Booten ihrer Väter herausgerufen hatte.
  • Jesus lässt in diesem Gleichnis fast alle Details weg. Dadurch sticht das einzige hervor, was das Gleichnis emotional ausschmückt. Den einen der beiden reut, was er getan hat. Es wurmt ihn. Das Wort metamelomai, das hier steht, ist nicht religiös konnotiert wie das Wort, das Jesus sonst für bereuen verwendet ((metanoe). Es macht nur deutlich: Der zweite hat noch mal drüber nachgedacht. Es hat in ihm gearbeitet. Er kam zu dem Schluss, dass das 'Nein' falsch war und tut daher, worum ihn der Vater gebeten hat. Vom ersten wird solches nicht berichtet. Er macht es einfach nicht, obwohl er 'Ja' gesagt hatte. Vielleicht gedankenlos, vielleicht aus Trotz, sicher aber ohne wirkliche Beweggründe.

2. Tun allein verändert

  • Das Gleichnis wird der Jerusalemer Stadtelite erzählt. Diese hatten Jesus gefragt, in wessen Namen und mit welcher Vollmacht er, Jesus, predigt, heilt und die Händler aus dem Tempel vertreibt. Jesus fragt zurück, in welcher Vollmacht denn der Täufer Johannes gepredigt habe. Da schweigen die Herrschaften. Und auch Jesus schweigt von seiner Vollmacht und erzählt statt dessen das Gleichnis von den beiden Söhnen. Es soll den Ältesten und Schriftgelehrten den Spiegel vorhalten. "Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt."
  • Der Vergleich mit der amerikanischen Investmentbank stimmt natürlich nicht (und ist ohnehin - fast - frei erfunden). Das Gleichnis problematisiert hier nicht die Aufforderung des Vaters, im Weinberg zu arbeiten. Der Vergleich hat aber deutlich gemacht, dass der zweite Sohn derjenige ist, der nachdenkt.
  • Nutten und Geldeintreibern ist ihr Leben fraglich. Das unterscheidet sie von denen, die das Gefühl haben, sie würden doch immer schon 'Ja' sagen zu Gott und einem Leben aus Gott. Wer davon lebt, den Zoll zu pachten und dann den Leuten das Geld abzupressen, dem ist die eigene Existenz eher fraglich. "Die Zöllner und die Dirnen haben dem Täufer Johannes geglaubt. Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt." Wieder das Wort metamelomai: Sie haben nicht groß drüber nachgedacht.

3. Gott ist Täter der Liebe

  • Wer über seinen Glauben nachdenkt, kommt weiter. Er begnügt sich nicht mit frommem Bekenntnis. Ja, wer er im Bekenntnis stottert, ist vielleicht näher dran, als diejenigen, die immer schon alles wissen. Jesus hat mit Theologen und Vornehmen einerseits, Nutten und Geldtreibern andererseits die Erfahrung gemacht, dass diese sich häufig an dem Punkt unterscheiden.
  • Gleichzeitig aber geht es um Jesus selbst. Das war die Ausgangsfrage: Kommt die Predigt des Johannes und kommt die Vollmacht Jesu von Gott? Nur mit Worten wird diese Frage nicht beantwortet. Die Frage beantwortet sich für mich erst, wenn ich auf die Gegenwart Gottes im Gekreuzigten schaue und mit meinem Leben beginne, in diesem Abstieg in das Kreuz die Erhöhung in die Wirklichkeit Gottes zu sehen.
  • Der Hymnus aus dem Philipperbrief ist denn der inhaltliche Kommentar zum Evangelium. Paulus zitiert ein wohl damals schon verbreitetes Glaubenslied, das damit ein ganz frühes Bekenntnis (aus den ersten zwei Jahrzenten nach Jesu Tod) darstellt: Jesus Christus war Gott gleich; aber in ihm wollte Gott nicht seine Macht ausspielen, sondern seine Liebe uns erfahrbar machen. Dazu wurde Gott Mensch und hat das Kreuz auf sich genommen, dass die Menschen ihre Knie beugen: nicht mehr vor ihrer eigenen Stellung, nicht mehr vor irdischen Machthabern, sondern allein vor dieser Liebe, die zur Tat wurde. Letztlich geht es im Gleichnis von den ungleichen Söhnen darum, selbst den Mut zu finden, mich Jesus anzuschließen auf seinem Weg. Amen.