Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr A 2023 (Jesaja)

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15. Oktober 2023 - St. Peter, Sinzig

1.     Krieg

  • Seit einer Woche herrscht ein weiterer Krieg. Auch er lässt an der Fähigkeit der Menschen zum Frieden zweifeln. Es muss jeden erschüttern, wie Hamas-Terroristen über Zivilisten in Israel herfallen, sie erniedrigen, ermorden oder verschleppen; die von der der Hamas-Organisation aufgehetzten jungen Männer aus dem Gazastreifen feiern feixend ihre Brutalität. Sie rufen zu ihren Verbrechen laut den Namen Gottes aus. Der Terror gegen Menschen und die Entehrung des Namens Gottes gehen Hand in Hand. 
  • Weltweit gab es sogleich erschütternde Reaktionen. Menschen feierten diese Gewalt offen auf der Straße, zwischen blindem Verständnis für den Terror und offener Begeisterung. Assistiert wurden sie von historischen Analysen, die das grauenvolle Geschehen schlicht ausblendeten. Erwähnen müsste man auch die Gleichgültigkeit vieler, sei es, dass sie es nicht an sich heranlassen wollen, sei es, dass ihnen wirklich alles gleich wenig gültig ist, solange es nicht den eigenen Vorgarten betrifft. Dass es Menschen gibt, die sich vor solchen Nachrichten schützen müssen, weil es sie überfordert, ist dagegen etwas völlig anderes.
  • Ich will nicht urteilen, was in der Situation des Staates Israel die richtige Reaktion wäre.
    Ich kann nicht urteilen, weil wir aus der Ferne nur wenig davon verstehen, was es bedeutet in Nachbarschaft einer Region zu leben, in der die herrschende Clique unnachgiebig die Zerstörung des Nachbarn ihr Ziel nennt und Israel fortlaufend angreift, terrorisiert und mit Raketen beschießt.
    Ich will aber auch nicht von der Kanzel herab meine Meinung zum Besten geben, denn Sie haben vielleicht eine andere; und Sie haben kein Mikrophon. –
    Was ich hingegen kann und will, ist auf den geistlichen Schatz hinweisen, den das biblische Israel im Buch Jesaja bewahrt. Es ist für uns bewahrt und für alle Bürger des heutigen Israels, für Säkulare, Juden, Christen und Muslime. 

2.     Gott

  • Im 24. bis 26. Kapitel des Buches Jesaja ist die Überzeugung überliefert, Sicherheit lasse sich nicht durch militärische Gewalt herstellen. Sicherheit bietet nur Vertrauen auf JHWH, Gott, der HERRN. Dieses Vertrauen aber muss sich durch Gerechtigkeit gegenüber den Armen ausweisen. Glaubensbekenntnisse ohne Gerechtigkeit sind Heuchelei. 
    Das echte Vertrauen findet für Jesaja eine sichtbare Mitte dort, wo David die Bundeslade aufgestellt hat, wo daher Gottes Herrschaft der Gerechtigkeit wohnt, auf dem Berg Zion: das ist der Berg des Tempels in Jerusalem. Von Jesajas Vision hat das Christentum die Hoffnung auf das Himmlische Jerusalem übernommen. Alle Völker sind eingeladen, dort in Gottes Gerechtigkeit den Frieden zu finden.
  • Wie der Text des Buches uns heute vorliegt, stammt er vermutlich aus verschiedenen Quellen und Zeiten. Das macht seine Stärke aus. Denn hier wird Geschichte und Ewigkeit miteinander verschränkt. Die Hoffnung auf Gott, der am Ende der Zeiten aus dem Tod ins Leben ruft, hat jetzt Bedeutung, wo Menschen die Gewalt erleben, die ganz real und aktuell über sie hereinbricht. 
  • Gott richtet nicht (nur) irgendwann im Jenseits. Vielmehr ist das Vertrauen in Gott, den Starken, ein Maßstab zur Unterscheidung heute. Stärke kommt aus Gerechtigkeit, nicht aus Waffen. In Gottes Augen sind die Halbstarken, die mit Waffen fuchtelnd und schießen, die hunderte Menschen terrorisieren und töten noch nicht einmal halbstark. Sie sind erbärmlich schwach, instrumentalisiert von alten Männern im Tunnelsystem des Gazaregimes und in den Machtzentralen der iranischen Mullahs.

3.Mahl

  • Das 25. Kapitel im Buch des Propheten Jesaja wurde vor dem Hintergrund von Gewalterfahrung geschrieben. Da wird vom „Sturm der Gewalttätigen“ gesprochen. Zugleich aber von Gott, der „Schutz der Schwachen ist“. Das zu Zeiten Jesajas schon untergegangene Königreich Moab ist Sinnbild dafür, dass den Gewalttätern keine Zukunft beschieden ist. Gott tritt ihnen entgegen. Die Gewalt fällt auf den Gewalttäter zurück. Man könnte auch sagen: Gewalt gebiert Gegengewalt. Eine Spirale. 
    Und wie so viele Gewalt fühlen sich auch diesmal die radikalislamischen Terroristen aus dem palästinensischen Gaza-Streifen nur als Opfer, als Rächer. Das bringt sie so weit, sich groß und stark zu fühlen, wenn sie wehrlose Menschen hinschlachten. Auch diese Erfahrung dürften die Menschen aus der Zeit des Jesaja kennen.
  • Mitten hinein in diesen Teufelskreis aber stellt Jesaja eine Vision. Gott selbst, der Beschützer seines Volkes, lädt alle Völker zum Mahl. Gott selbst, der sein Volk am Zion versammelt, wird alle Völker versammeln. Überschwänglich heißt es: Gott wird „für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den feinsten, fetten Speisen, mit erlesenen, reinen Weinen.“ Dabei ist gar nicht zu unterscheiden, ob das in der Geschichte stattfindet oder jenseits der irdischen Geschichte. Es fließt ineinander. Gott, heißt es, „hat den Tod für immer verschlungen und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen und die Schande seines Volkes entfernt er von der ganzen Erde“. Der Tod verschlungen - das ist Ostern, Auferstehung vom Kreuz. Die Tränen abgewischt, dass ist heute möglich und morgen.
  • Jesaja hat seine Gotteserkenntnis damals in eine klare politische Stellungnahme gegen die Könige Judas und ihre Strategien übersetzt. Er hat die erlittene Gewalt in Beziehung gesetzt zur Ungerechtigkeit des eigenen Volkes. Was aber ist heute? Die Vision des himmlischen Mahls auf dem Zion allein ist noch keine Handlungsanweisung für heute. Aber was immer wir heute tun, wie immer die Verantwortlichen des Staates Israel heute entscheiden: es gilt diese Verheißung auch uns, sie gilt ihnen und allen Völkern. Das kann helfen, im Geist dieses Gottes zu unterscheiden, was heute zu tun ist.