Predigt zum 28. Sonntag im Lesejahr B 2000 (Markus)
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15. Oktober 2000 - St. Michael, Göttingen
1. Einsatz
- Wofür setze ich mich so ein? Lohnt es den Einsatz, all die Kraft und all die Zeit? In der Gemeinde als Lektorin, am
Altar, im Pfarrgemeinderat, als Ehrenamtlicher beim Mittagstisch; es wird wohl kaum jemand geben, der oder die an den
verschiedenen Stellen Einsatz bringt und sich nicht irgendwann auch einmal fragt: Was bringt´s? Schon im privaten
Bereich, in der Beziehung oder in der Familie kann ich leicht an den Punkt kommen, an dem ich frage, ob ich immer nur
investiere, ohne auch selbst etwas davon zu haben.
- Von da her ist es gut verständlich, dass Petrus nachfragt: "Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt."
Was haben wir davon? Die Frage des Petrus ist legitim und Jesus geht darauf ein. Um die Antwort Jesu zu verstehen,
sollten wir aber noch einmal das ganze Evangelium anschauen.
- Ein junger Mann kommt zu Jesus und fragt ihn, was er tun muss, um das Ewige Leben zu erlangen. Jesus verweist ihn an
den, von dem allein Leben kommt, an Gott. Und Gottes Gebote sind bekannt. "Du sollst nicht töten, du sollst nicht die
Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater
und deine Mutter!" Mag sein, dass es ein wenig eingebildet klingt, wenn der junge Mann sagt, dass er diese Gebote
gehalten hat, aber Jesus scheint es ihm abzukaufen.
2. Reichtum
- Nur: Jesus sieht in dem jungen Mann mehr. Da steckt mehr drin, als nur ein ordentliches Leben nach den Geboten. Jesus
sieht den Mann mit Sympathie an und fordert ihn auf, radikal alles aufzugeben und ihm nachzufolgen. Da aber geht der
junge Mann traurig weg, denn, so heißt es, er hat ein großes Vermögen. Auf das will er nicht verzichten.
- Es ist viel, nach den Geboten zu leben und sich nicht gegen Gott zu versündigen. Jeder wird da seine besonderen Klippen
haben. Für den reichen Mann ist es genug Sorge, nicht gegen die Gebote zu verstoßen, denn eingebunden in ein System
von Reichtum und Besitz gleicht man sich schnell den Haien an. So aber ist das ewige Leben nicht zu gewinnen.
Wo ist die Grenze zwischen einem geschickten Geschäft und Übervorteilung? Was ist Unternehmertum und wo enthalte
ich anderen vor, was ihnen zusteht? Die Grenze ist oft undeutlich, das System macht die Entscheidung nicht gerade
leichter. Als Reicher sich das Ewige Leben nicht zu verbauen, ist nicht leicht. Unmöglich sogar, zumindest für Menschen
unmöglich nennt es Jesus, dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt; eher zwängt sich das Kamel durch ein Nadelöhr,
als dass ein Reicher es schafft, in das Reich Gottes zu kommen.
- Genau besehen zählt Jesus ja auch nicht irgendeine Auswahl aus den Zehn Geboten auf, sondern hat die Situation des
Reichen im Blick: "Du sollst nicht töten" meint nicht nur das Schwert, sondern auch all die anderen Möglichkeiten, dem
anderen die Lebensgrundlagen zu entziehen. "Ehebrechen" wird auch damals eine bevorzugte Sünde der Reichen und
Unabhängigen gewesen sein. Genauso: Stehlen, falsch aussagen, rauben, all das gewinnt Kontur im Kontext des Lebens
eines reichen Gutsherren und Unternehmers. Die Selbstsicherheit des Besitzes ist die eigentliche Gefahr, weil die Schuld
im Nadelstreifen nicht so schlimm aussieht.
3. Nachfolge
- Das Evangelium handelt aber von mehr. Etwas wirklich Neues und Anderes meint Jesus: Nachfolge. Das ist nie
allgemein. Das meint immer einen bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation. Im Unterschied zu "Ewiges
Leben" hat "Nachfolge" auch einen viel bestimmteren Platz in der Biographie des Einzelnen. Ein ganzes Leben lang sollen
wir darum ringen, das Gebot der Liebe zu Gott und den Nächsten Wirklichkeit werden zu lassen. Hier, im heutigen
Evangelium, aber spricht Jesus einen bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation an. Er will ihn zu einem Dienst
und zum Zeichen an der Gemeinschaft der Jünger berufen.
- Dort genau hat der reiche junge Mann seine Schwierigkeiten. Sein Reichtum steht zwischen ihm und dem Ruf Jesu. Was
hätte aus diesem jungen Menschen werden können, wenn er sich nicht entschieden hätte, Vermögensverwalter zu werden,
sondern an der Seite Jesu zu gehen! Jesus ruft junge Menschen, die noch frei sind über ihr Leben zu verfügen, zur
Nachfolge, zum vollen Einsatz. Sie sollen damit in der Mitte der Kirche Zeichen dessen setzen, was mit Jesus begonnen
hat: Das Reich Gottes, das nicht in Vermögen und Einfluss und Macht besteht, sondern in Gemeinschaft und Hingabe.
- Lohnt das? Lohnt die Hingabe? Reicht es nicht, sich vor Schuld zu bewahren, die Gebote zu halten? Abstrakt gesehen:
Ja. Aber Jesus will mehr, Neues und Anderes. Er bietet dem jungen Mann hier und jetzt eine Erfahrung an, die Petrus und
die Jünger bereits machen durften. Für alles, was sie verlassen haben, haben sie schon "in dieser Zeit" etwas erhalten. Die
Schwestern und Brüder, die Heimat im Haus Gottes der Kirche ist ein Reichtum, nicht durch Gold aufzuwiegen. Das
Reich Gottes kann in seinen Anfängen erfahren werden, wo wir das Leben Jesu teilen, seinen Leib leben und empfangen.
Dieses Reichtum zu empfangen war der junge Mann nicht in der Lage. Schade, es hätte sich gelohnt. Amen.